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Filipinos auf der Flucht

Manfred Götzke12. August 2008

Mehr als 130.000 Filipinos haben ihre Heimat verlassen. Nach einem geplatzten Friedensplan bekämpfen dort Regierungstruppen muslimische Rebellen. Doch trotz der Eskalation der Gewalt: Eine Chance auf Frieden bleibt.

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Philippinische Soldaten in Pikit, Nord-Cotabato (12.8.2008, Quelle: AP)
Nachdem muslimische Rebellen Dörfer besetzt haben, greifen jetzt Regierungstruppen durchBild: AP

Noch vor zwei Wochen war der Frieden zwischen Muslimen und Christen auf den Philippinen so nah wie lange nicht. Seit mehr als 30 Jahren kämpfen die islamischen Bewohner auf der größten philippinischen Insel Mindanao für mehr Autonomie. Vor zwei Wochen hätten sie ihr Ziel fast erreicht: Die Regierung des sonst mehrheitlich christlichen Landes hatte sich mit der größten muslimischen Rebellenorganisation, der "Befreiungsfront Moro" auf einen Friedensplan geeinigt. Der Inhalt: die autonomen Gebiete der Muslime sollten vergrößert werden, die Macht der autonomen Regierung gestärkt.

Karte der Philippinen (Quelle: AP)
Seit mehr als 30 Jahren schwelt der Konflikt auf der größten philippinischen Insel MindanaoBild: DW

Doch nach Protesten christlicher Einwohner Mindanaos hatte der Oberste Gerichtshof in Manila die Vereinbarung bis auf weiteres gestoppt. Und aus einem schwelenden Dauerkonflikt wurde wieder einmal Krieg. Mitglieder der Befreiungsfront besetzten in der Provinz Cotabato im Süden der Insel Dörfer. Die Regierung antwortete mit Soldaten und Kampfflugzeugen. Seit Montag (11.8.2008) sind nach Agenturangaben mehr als 130.000 Filipinos auf der Flucht vor den Scharmützeln – Christen wie Muslime.

"Wir sind müde, aber müssen weiter"

Tausende wurden in mehr als 40 Flüchtlingslagern untergebracht, die Mehrheit aber sucht Unterschlupf bei Verwandten in anderen Provinzen. Die Flüchtlinge, so berichten philippinische Medien, sind meist zu Fuß oder auf Pferdegespannen unterwegs. "Wir sind müde, aber wir müssen weiter", sagte Farida Dimalangan, ein 47-jähriger Flüchtling einer Nachrichtenagentur in Mindanao. Zwei Soldaten und mindestens 15 Rebellen sind bei den Kämpfen nach Regierungsangaben getötet worden.

"Die Lage in den umkämpften Gebieten ist dramatisch", sagt Klaus Preschle von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Manila. "Vor allem, da die muslimischen Gebiete ohnehin zu den ärmsten des Landes gehören. Sie wurden vom Norden des Landes jahrelang ausgebeutet."

Mehr Autonomie für den Süden

Die muslimischen Gebiete, seit einem Friedensabkommen von 1996 nur auf dem Papier autonom, sollten durch den Friendensplan das Recht auf Selbstverwaltung erhalten, auch eigene nationale Symbole, wie Hymne und Staatsbürgerschaft sollte es geben, sagt Preschle.

Und genau das sorgt nicht nur unter den Christen in auf Mindanao, sondern auch bei der Elite im ganzen Land für Widerstand. Sie befürchten einen Staat im Staate. Außerdem haben viele reiche Filipinos aus dem Norden Ländereien in der betroffenen Region. Bei einer tatsächlichen Autonomie könnten die verloren gehen, sagt Asienspezialist Werner Pfennig vom Otto-Suhr-Institut. "Der Friedensplan trifft natürlich nicht auf die Zustimmung der Christen, die sagen sich: Warum sollten wir denen jetzt noch mehr Geld und Rechte geben? Wir können dabei nur verlieren", so Pfennig.

Kein Frieden ohne Teilhabe

Zwei junge Filipinos vor zerstörtem Haus in Takepan, Nordcotabato (12.8.2008, Quelle: AP)
Mehr als 130.000 Filipinos sind auf der FluchtBild: AP

Dabei könnte nur eine solche Umverteilung von Macht und Wohlstand Frieden schaffen, meint Philipp Bück vom Philippinenbüro im Asienhaus Essen. Denn seit Anfang des 20. Jahrhunderts waren es die Muslime auf Mindanao, die immer mehr Land und Macht verloren haben. Vor etwa 100 Jahren war die Mehrheit auf Mindanao, etwa 80 Prozent der Bevölkerung, muslimisch. Nachdem sich über einige Jahrzehnte hinweg immer mehr Filipinos aus dem christlich geprägten Norden auf der fruchtbaren Insel ansiedelten, kehrte sich dieses Verhältnis um. "Und die angestammte Bevölkerung hatte nie das Gefühl gehabt, dass sich die Regierung in Manila um ihre Bedürfnisse kümmert", sagt Bück.

"Die ursprüngliche Bevölkerung wurde mehr und mehr marginalisiert", sagt auch Preschle. Deshalb gehe es in dem Konflikt auch keineswegs um Religion, sondern um Land, Macht und soziale Teilhabe. "Und wenn eine Gruppe mehr und mehr an den Rand gedrückt wird und immer weniger mitspielen kann, muss es zu Konflikten kommen", so Preschle.

Druck aus Malaysia

Doch obwohl diese Konflikte jetzt wieder mit Waffen ausgetragen werden, besteht eine Chance auf dauerhaften Frieden. Denn das Nachbarland Malaysia, das auf Mindanao Friedenstruppen stationiert hat und seit Jahren zwischen Rebellen und Regierung vermittelt, drängt auf eine baldige Einigung. Am 31. August entscheiden die Malaysier ob sie abziehen, so Asienexperte Preschle. "Das wäre eine ziemliche Klatsche für die Regierung. Dann hätte sie im Süden des Landes nicht nur einen schwelenden Konflikt, sondern ein massives Sicherheitsproblem."