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Zehnjährige Übergangszeit für die Landwirtschaft inakzeptabel

7. Februar 2002

– Ungarn über geplante Agrarsubventionen für EU-Anwärter tief enttäuscht

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Budapest, 7.2.2002, PESTER LLOYD, deutsch

Die EU-Kommission hat ihren Vorschlag für die Beihilfen aus den Agrar- und Regionalfonds unterbreitet, die den bis zu zehn Beitrittskandidaten ab 2004 gewährt werden können. Demnach sollen die heute üblichen Agrarsubventionen geviertelt und die Regionalzuschüsse halbiert werden. Günter Verheugen sprach vom bestmöglichen Kompromiss, wohingegen die Visegrád-Staaten mit Enttäuschung reagierten.

Die EU-Kommission legte die offiziellen Dokumente mit dem ausdrücklichen Hinweis an die Beitrittskandidaten vor, dass sie keine Grundlage für einen Handel bildeten, sondern mit Hinblick auf die Haushaltsschranken der EU das beste Angebot bedeuteten. Die Erweiterung der EU um bis zu zehn Staaten wird den Brüsseler Etat im ersten Jahr mit 5,7 Mrd. EUR belasten. Den heutigen Mitgliedsstaaten ließen sich weitere finanzielle Opfer nicht aufbürden.

Ungarn zeigte sich angesichts des Vorschlags der EU-Kommission tief enttäuscht. Ministerpräsident Viktor Orbán sprach noch in Skandinavien davon, dass dieses EU-Dokument gegen die Positionen Ungarns gerichtet sei. Eine zehnjährige Übergangszeit für die Landwirtschaft sei inakzeptabel.

Am 19. Februar werden die Ministerpräsidenten der vier Visegrád-Staaten - Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn - in Budapest zusammentreffen, um das weitere Vorgehen bei den EU-Verhandlungen abzustimmen. Die vier zur Luxemburg-Gruppe gehörenden Beitrittskandidaten sind sich einig, dass mit dem Vorschlag aus Brüssel die Gleichberechtigung der europäischen Staaten und die Freiheit des Wettbewerbs in Frage gestellt werden. Eine EU-Mitgliedschaft der 2. Klasse werde abgelehnt. Außenminister János Martonyi meinte zugleich, dass es nun auf Nüchternheit und Sachlichkeit in den Verhandlungen ankomme, bei denen Ungarn alle Mitgliedstaaten einzeln von der Richtigkeit des eigenen Standpunktes in der Agrarfrage überzeugen will.

Nach einer außerordentlichen Sitzung der Regierung am Wochenende betonte der Außenminister, dass man nicht mehr von Brüssel erwarte als gleiche Wettbewerbsbedingungen, doch man wolle auch nicht weniger als das akzeptieren.

Premier Orbán sagte auf einer Veranstaltung, dass der Brüsseler Beschluss keine Überraschung bedeute - man habe sich schon früher auch auf diese Möglichkeit eingestellt und eine Linie für weitere Verhandlungen ausgearbeitet. Er sei überzeugt, dass man in den nächsten 6-7 Monaten viel bessere Bedingungen für das Land erreichen könne.

Die Führer der sozialistischen Opposition, Péter Medgyessy, László Kovács und Gyula Horn bezeichneten am Sonntag vor der Presse das EU-Angebot ebenfalls als inakzeptabel. Gleichzeitig machten sie für diese Entwicklung auch die Regierung verantwortlich, der sie vorwerfen, sie habe die ungarischen Interessen nicht ausreichend gut vertreten und habe eine individuelle Behandlung des Landes nicht erreichen können. Die Regierung habe schwere Fehler auf den Gebieten der Landwirtschaft und der Regionalentwicklung begangen. Der internationale Ruf des Landes habe sich verschlechtert, weil die Regierung sich wiederholt gegen die EU gestellt habe und der Ministerpräsident regionale Machtambitionen hege. Führende Fidesz-Politiker bezeichneten diesen Standpunkt als falsch, verlogen und schädlich für die Interessen des Landes.

Nach ersten Erhebungen sind 40 Prozent der ungarischen Bevölkerung bereit, auch zu den nun gebotenen Bedingungen in die Union einzutreten. Weitere 40 Prozent sind dafür, erst dann einzutreten, wenn das Land dieselben Förderungen wie die anderen erhält. Nur 9 Prozent sprachen sich gegen den EU-Beitritt aus, der Rest konnte die Frage nicht beantworten. (fp)