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Zehn Jahre Humboldt Verein in Ungarn – Gedanken zum Jubiläum

15. November 2001
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Budapest, 15.11.2001, BUDAPESTER ZEITUNG, deutsch

Unter dem Motto "Information - Wissen - Gesellschaft" eröffnen heute der ungarische Bildungsminister József Pálinkás und der deutsche Botschafter Wilfried Gruber in der Ungarischen Akademie der Wissenschaften die II. Ungarische Humboldt-Konferenz (15.-17. November 2001). Veranstalter ist der ungarische Humboldt-Verein, eine Vereinigung ungarischer Wissenschaftler, die im Rahmen eines Stipendiums der deutschen Alexander von Humboldt-Stiftung einen Forschungsaufenthalt in Deutschland absolviert haben. Die Tagung erwartet 150 Teilnehmer aus Ungarn, Deutschland und weiteren Ländern. Der Präsident der Alexander von Humboldt-Stiftung, Professor Wolfgang Frühwald, wird den Festvortrag halten. (fp)

Budapest, 15.11.2001 (PESTER LLOYD, deutsch)

Ohne Wenn und Aber üben runde Zahlen auf Menschen unseres Kulturkreises eine besondere Faszination aus. Der Vorgang muss tief im menschlichen Unbewussten verankert sein, denn das Auf- und Abrunden gehört zur natürlichen Bemühung einer Entität, sich als Relevanz zu definieren. Es heißt, sich in eine bestimmte Ordnung einzufügen, sich zu ihr zu bekennen, sich dadurch existentiell zu bestätigen. Es ist die Suche nach einer eigenen Identität, der archetypische Drang, sich zu behaupten. Der Versuch, "den Kreis zu schließen" (die Sprache lügt nicht!), ist gleichzeitig nichts anderes als der Vorgang universalen Strebens nach diesbezüglicher Vervollkommnung und Vollendung. So kommt ein Jubiläum allein im Zusammenhang mit dem Adjektiv "rund" zustande, ein mythischer Hauch ständig wiederkehrender Annahme, sich förmlicher Erfüllung freuen zu müssen. So ist diese Feierlichkeit, die eigentlich zum Ursprung, zum Anfang des Gefeierten "rund" knüpft, nichts anderes als förmlicher Anlass, einen "Kreis" symbolisch zu schließen, die Gegenwart auf den Anfang zu beziehen.

Die zwischen dem 15. und 17. November 2001 in den Räumlichkeiten der Ungarischen Akademie der Wissenschaften am Roosevelt tér in Budapest unter der Schirmherrschaft des ungarischen Ministers für Bildung, József Pálinkás, und des deutschen Botschafters in Budapest, Wilfried Gruber, stattfindende 2. Ungarische Humboldt-Konferenz ist der erlesene Rahmen, in dem gleichzeitig an das zehnjährige Jubiläum des Humboldt-Vereins Ungarn erinnert werden soll. Eine Jubiläumskonferenz, die durch einen Festvortrag "Sprachen öffnen die Welt. Zur Funktion der Nationalsprachen als Sprachen der Wissenschaft" des Präsidenten der Alexander-von-Humboldt-Stiftung eröffnet wird. Der Titel widerspiegelt bereits einen wesentlichen Teil der Ziele und Ideale, der sich die Humboldt-Stiftung, implizit der Humboldt-Verein Ungarn, seit Jahren in ihren Bemühungen verschrieben haben: Wissenschaft für eine freie, offene Welt. Es sei an dieser Stelle erlaubt, den Zusammenhang auch auf den allgemeinen kulturellen Kontext der Gegenwart zu erweitern und auch in diesem Sinn die10jährige Existenz des Humboldt-Vereins Ungarn zu würdigen. (...)

Der Begriff "Humboldtianer" vereinigt sinngemäß ohne "Ansehen von Rasse, Religion, Geschlecht oder Weltanschauung" Wissenschaft und Kultur. Ein Verein bestätigt sich in der Interessenvertretung seiner Mitglieder. Es liegt auf der Hand, dass es der kulturelle Aspekt ist, der trotz verschiedener, unter Umständen entgegengesetzter Fachrichtungen, die Mitglieder des Humboldt-Vereins Ungarn zusammengebracht hat und verbindet. Jedoch nicht unmittelbar durch das, was Kultur für den Augenblick ist oder sein könnte. Es ist das Bewusstsein dessen, was Kultur bewirken kann, dass Kultur wirken kann.

Die Kommunikation, der gegenseitige Informationsaustausch definieren das Lebendige. So ist es kein Zufall, dass ich Goethe und das Goethe-Jahr im kulturellen Kontext gesellschaftlicher Gegenwart aus Anlass des zehnjährigen Jubiläums des Humboldt-Vereins in Ungarn erwähnt habe. In Erinnerung habe ich noch das 1999 erschiene Goethe-Heft der Humboldt Nachrichten. Anlass der Herausgabe war zweifellos das Goethe-Jahr. Das Besondere dabei war jedoch nicht ein reiner Pflichtakt, über Goethe zu schreiben. Es war viel mehr: Goethe und Ungarn, Goethe in Ungarn, - auch wenn Goethe keine Verbindungen nach Ungarn hatte. Nur ein scheinbares Paradoxon. Denn es war der Versuch interkulturellen Dialogs, ein Akt, der, auch wenn im kleineren Rahmen durchgeführt, beweist, dass Kultur trotz scheinbarer nicht "materiell" vorhandener Zusammenhänge durch ihr Wesen harmonisiert und verbindet. Sie besitzt die Kraft, ganz andere Zusammenhänge von sich aus zu schaffen. Dafür brauchen wir Goethe, dafür brauchen wir auch den Humboldt-Verein Ungarn, dessen zehnjähriges Jubiläum gefeiert wird und gefeiert werden muss.

Betrachtet man die Geschichte des Vereins, so stellt man fest, dass es sich nicht allein um Goethe und Ungarn handelt, sondern viel mehr um die ständige Bemühung, in diesem Sinne die deutsche und ungarische Kultur in lebendigen Zusammenhang zu bringen und zu präsentieren. Es geht um die konsequente Pflege synergetischen Dialogs als Kulturakt. So haben die ehemaligen Humboldt-Stipendiaten Ungarns den Sinn und Zweck des gewährten Stipendiums auch über den Forschungsaufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland weit hinaus, gerade durch dieses Bemühen, "den Austausch und das interkulturelle Verstehen" zu pflegen, erfüllt und dadurch ihre eine eindeutige Identität gefunden. Der Anlass, ihr Jubiläum zu feiern, der Anlass, dem Verein und seinen Mitgliedern zu gratulieren, der Anlass, der den Verein auch in Zukunft empfehlen und bestätigen kann. (fp)