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Zehn Jahre Deutsch-Ungarische Industrie- und Handelskammer

14. Mai 2003

- Vom Partnervermittler zum Berater

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Budapest, 12.5.2003, BUDAPESTER ZEITUNG, deutsch, Jan Mainka

Diesen Donnerstag (15.5.) feiert die Deutsch-Ungarische Industrie- und Handelskammer (DUIHK) den zehnten Jahrestag ihrer Wiedergründung. Aus diesem Anlass unterhielt sich BZ-Herausgeber Jan Mainka mit Wolfram Klein, dem geschäftsführenden Vorstand der Kammer.

Frage:

Wie hat sich Ihre Kammer in den vergangenen zehn Jahren entwickelt?

Antwort:

Unsere Entwicklung vollzog sich parallel zum wirtschaftlichen Aufblühen Ungarns. Gleich nach der Wende begannen einige deutsche Unternehmen mit ersten vorsichtigen Erkundungen des ungarischen Markts. Der richtige Boom setzte 1993 ein, also in dem Jahr, in dem sich das ursprüngliche Delegiertenbüro der deutschen Wirtschaft in Ungarn in die DUIHK mit 47 Gründungsmitgliedern umwandelte. Damals begannen so spektakuläre Großinvestionen wie die von Audi, der Bayrischen Landesbank und der Deutschen Telekom. Am Jahresende hatte die Kammer bereits etwa 200 Mitglieder. Durch den Zustrom von immer weiteren Investoren vollzog sich in den Jahren 1993 bis 1996 ein fundamentaler Wandel der ungarischen Wirtschaft.

Frage:

Was bedeutete das für die Kammer?

Wir haben uns schrittweise qualitativ gewandelt. Während unsere Tätigkeit am Anfang primär im Vermitteln von Geschäftskontakten und der Weitergabe von Informationen bestand, entwickelten wir uns zunehmend zur Beratungseinrichtung für Unternehmen und zum aktiven Interessenvertreter. Von Anfang an bestand von ungarischer Seite eine große Bereitschaft, mit uns zusammenzuarbeiten. Die DUIHK hatte alle Hände voll zu tun, um mit ihrer Infrastruktur und ihren Mitarbeitern mitzuwachsen.

Frage:

Ab wann normalisierten sich die Zustände?

Antwort:

Der Run der ersten Jahre, der jährlich über 700 neue deutsche Unternehmen nach Ungarn und etwa 150 Neumitgliedern in die Kammer brachte, ist in dieser Intensität natürlich vorbei. Ein Meilenstein war der Umzug der Kammer 1998 von der Stefánia út an unsere heutige Adresse, dem Haus der deutschen Wirtschaft in der Lövõház utca. Jetzt begann sich unsere Kammer durch eine Ausweitung ihrer Dienstleistungspalette zu profilieren. Durch die gewachsenen räumlichen Möglichkeiten konnte sich die Kammer auch als deutsch-ungarischer Wirtschaftstreffpunkt etablieren.

Frage:

Wie ging es mit dem Zustrom von deutschem Kapital weiter?

Antwort:

Seit ein bis zwei Jahren flacht die Kurve spürbar ab. Dabei darf man allerdings nicht vergessen, was für ein hohes Niveau erreicht ist. Der EU-Beitritt wird aber sicher wieder für Auftrieb sorgen. Im Moment ist eine gewisse Abwartehaltung vieler Unternehmen zu spüren, zumal die Konjunktur in Deutschland Expansionsgelüste ohnehin bremst. Der Beitritt wird für die ungarische Wirtschaft und so auch für uns mit einem Wachstumsschub einhergehen, insbesondere rechne ich damit, dass noch etliche deutsche Mittelständler den Weg nach Ungarn finden. Vieles wird für deutsche Geschäftsleute bekannter und nachvollziehbarer. Einiges wird sich generell vereinfachen, angefangen von den Maschinenimporten aus Alt-EU-Ländern über die Erleichterung der Arbeitsaufnahme von deutschen Arbeitnehmern bis hin zu einer Vielzahl von Verfahren im Außenhandel.

Frage:

Wie wirkt sich der EU-Beitritt auf Ihre Tätigkeit aus?

Antwort:

Der Beitritt eröffnet für ungarische und deutsche Firmen eine Fülle an attraktiven wirtschaftlichen Möglichkeiten. Diese müssen aber oft erst gesucht und aufbereitet werden. Ein Beispiel ist der Infrastrukturausbau im Abwasserbereich. Hier müssen die Kommunen in die Lage gesetzt werden, den EU-Regularien entsprechende Projekte zu definieren und auszuschreiben. Auch die Finanzierung muss geklärt werden. In Zukunft wird die EU überwiegend kofinanzierte Projekte fördern. Das heißt, der Staat und die Kommunen benötigen intelligente Konzepte und Finanzierungsmöglichkeiten, um ihren Eigenanteil zu finanzieren. Auf all den angesprochenen Gebieten hilft unsere Kammer.

Frage:

Wie?

Antwort:

Wir führen öffentliche Projektträger mit deutschen Unternehmen zusammen. Zusätzlich beraten wir beide Seiten darin, wie Projekte konzipiert und dafür Mittel beantragt werden. Wenn nötig, suchen wir auch eine Bank oder eine Bausparkasse, die sich an der Finanzierung beteiligen könnte. Einige der so entstandenen Modelle und Verbundprojekte sind derart innovativ, dass es sich lohnt, sie in deutsch-ungarischer Kooperation auch auf ähnlich gelagerten Drittmärkten anzubieten. Das ganze funktioniert aber nicht nur als Einbahnstraße. Wir suchen auch für ungarische Unternehmen nach Investitionsmöglichkeiten in Deutschland. Beispielsweise auf dem Gebiet der Biotechnologie und dem Pflanzenschutz gibt es in Ungarn innovative Firmen, die im internationalen Wettbewerb mithalten können.

Frage:

Kooperieren Sie auch mit anderen deutschen Auslandskammern?

Antwort:

Ja, sogar immer enger. Zum einen arbeiten wir bei EU-Projekten zusammen. Ein wichtiges Feld ist auch die weitere Markterschließung für deutsche Unternehmen. Uns geht es ja nicht darum, ein Unternehmen um jeden Preis nach Ungarn zu holen. Wenn wir merken, dass die Marktaussichten in einem anderen Land größer oder der ungarische Markt auch von einem Nachbarland aus bequem mitbedient werden kann, dann raten wir dazu. Für uns zählt der Kundennutzen. Mit dem Hintergrund der länderübergreifenden Kooperation arbeiten wir beispielsweise am Aufbau eines so genannten Maschinenbaunetzwerks. Außer Ungarn sind an dem Projekt Thüringen, Tschechien, Sachsen und die Slowakei beteiligt.

Frage:

Wo sehen Sie für deutsche Firmen in Ungarn Potenzial?

Antwort:

Der Umweltbereich und der Infrastrukturausbau sind und bleiben wichtige Gebiete. Ungarn hat hier einen gewaltigen Nachholbedarf. Während im EU-Durchschnitt 90 Prozent der Haushalte an die Kanalisation angeschlossen sind, liegt dieser Wert in Ungarn nur bei 52 Prozent. In den kommenden Jahren stehen in Ungarn erhebliche Investitionen in diese Infrastruktur an, für die EU-Fördermittel von mehreren hundert Millionen Euro bereitgestellt werden.

Frage:

Wie ist die Situation bei der Versorgung mit Fachkräften?

Antwort:

Bei der unzureichenden Versorgung mit Facharbeitern zeichnet sich eine Wende ab. Das Berufsbildungsgesetz wird im Moment in eine Richtung geändert, die wir begrüßen. Seine Umsetzung wird die Ausbildung praxisnaher und moderner machen. Die Zahl der Ausbildungsberufe soll von weit über 800 auf 200 reduziert werden, eine Zahl, wie wir sie auch in Deutschland haben.

Frage:

Wie hat sich die Meinungsverschiedenheit mit dem ungarischen Staat hinsichtlich der nicht EU-konformen Investitionsförderungen entwickelt?

Antwort:

Erfreulicherweise konnte das Thema mit einem für beide Seiten tragbaren Kompromiss beigelegt werden. Im Gegensatz zu anderen Interessengruppen haben wir uns nicht auf einen aggressiven Verhandlungsstil mit Drohgebärden verlegt. Wir haben uns aktiv an der Entwicklung konkreter Lösungsalternativen beteiligt. Ich denke wir haben uns damit richtig positioniert und waren erfolgreich. (fp)