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Zankapfel Krsko - Atomenergie für Slowenien und Kroatien

28. April 2004

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Bonn, 28.4.2004, DW-RADIO, Klaus Dahmann

Von einem Atomausstieg - wie in Deutschland beschlossen - ist man im EU-Beitrittsland Slowenien noch weit entfernt. Das AKW Krsko, das einzige Atomkraftwerk weit und breit, hat in den vergangenen Jahren vielmehr für außenpolitisches Hickhack mit Kroatien gesorgt, denn es wurde noch zu jugoslawischen Zeiten von beiden damaligen Teil-Republiken gebaut und betrieben. Geographisch gesehen liegt es zwar viel näher an der kroatischen Hauptstadt Zagreb als an Ljubljana, doch steht es auf slowenischem Boden. Klaus Dahmann war dort.

Der Fluss Save, eine der wichtigsten Lebens-Adern des einstigen Jugoslawien. In den slowenischen Alpen entspringt sie, in Krsko, einer Kleinstadt kurz vor der Grenze zu Kroatien, ist eine Stau-Stufe in den Fluss gebaut. Denn hier wird ein Viertel des Wassers abgezweigt, um ein Atomkraftwerk zu speisen.

An der Schleuse, wo das tosende Wasser zwischen Beton-Pfeilern im Innern des AKWs verschwindet, steht Pressesprecher Miran Pribozic - mit Anzug, Krawatte und gelbem Sicherheitshelm:

"Hier kommt das Wasser rein. Da wird es gereinigt, da sind grobe Gitter zuerst, dann haben wir sechs rotierende Filter, damit größere Gegenstände draußen bleiben, dann fließt das Wasser durch Leitungen, durch Kondensatoren."

Und dann wird ein Teil des Wassers mit Hilfe der nuklearen Brennstäbe erhitzt, wird zu Dampf, der Turbinen antreibt - und so entsteht Strom. Rund 5 Milliarden Kilowatt-Stunden pro Jahr. Die eine Hälfte des Stroms bleibt in Slowenien, die andere geht direkt über die nahe Grenze nach Kroatien.

Denn die slowenischen und kroatischen Elektrizitätswerke - ELES und HEP - sind gleichrangige Eigner und Betreiber des AKWs. Anders als die ehemaligen Ostblock-Staaten haben Slowenen und Kroaten sich vor rund 30 Jahren für westliche Technologie entschieden. Während die EU bei den Atommeilern russischer Bauart in Litauen, Tschechien und Bulgarien auf Schließung oder partielle Abschaltung drängte, konnte sich der Kraftwerks-Direktor in Krsko, Stane Rozman beruhigt zurücklehnen: keine Beanstandungen. Das AKW bekam aus Brüssel nach kurzer Sicherheits-Prüfung grünes Licht.

"Der grundlegende Unterschied ist der, dass das AKW Krsko amerikanischer Bauart ist, das ist US-Technologie, die von dem US-Hersteller auch selbst hier errichtet worden ist."

Auch von den Atomkraft-Gegnern im eigenen Land hat Rozman derzeit nicht viel zu befürchten. Zwar gab es gleich nach der Unabhängigkeit, Anfang der 1990er Jahre, eine kritische Zeit, als die Grünen in die Regierungskoalition einzogen und sogar einen Vizepremier stellten. Doch ein Referendum über den Atom-Ausstieg konnte 1995 in letzter Minute abgewendet werden, die Grünen zerstritten sich untereinander so sehr, dass sie heute nicht einmal mehr im Parlament vertreten sind.

Erst seit kurzem gibt es wieder eine kleine Fraktion, die ökologische Themen besetzt: die Slowenische Jugend-Partei (SMS). Ihre Spitzen-Kandidatin für die Europa-Wahl, Alenka Paulin, hofft, dass das Thema Atom-Ausstieg mit der geballten Kraft der Europäischen Grünen auch wieder in Slowenien auf die Tagesordnung kommt. Denn alle Schönfärberei der Atom-Lobby könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass das AKW Krsko schrottreif sei, sagt sie:

"Am Atomkraftwerk werden regelmäßig Reparaturen durchgeführt, was darauf hinweist, dass die Technologie dort in schlechtem Zustand ist und dass hier ein Objekt künstlich am Leben erhalten wird, bei dem man eigentlich schon die Schließung einleiten müsste, die Demontage."

Und dann stelle sich die ewige unlösbare Frage nach einem Endlager für den Atommüll, sagt Alenka Paulin. Derzeit macht ihr aber noch ein viel akuteres Problem Sorgen:

"Das AKW Krsko befindet sich - wie ganz Slowenien - auf Erdbeben-Gebiet. In Slowenien bebt die Erde ständig, wobei einige Gegenden stärker Erdbeben-gefährdet sind, andere weniger stark. Tatsache ist, dass in dem Gebiet, wo das AKW steht, keiner dieses Risiko ausschließen kann."

Von Erdbeben ist Krsko bisher zwar verschont geblieben, hat jedoch selbst welche ausgelöst - Erdbeben auf politischer Ebene. Denn seit Slowenien und Kroatien unabhängige Staaten geworden sind, ist die Zusammenarbeit zwischen den Zentralen der Elektrizitätswerke in Ljubljana und Zagreb schwieriger geworden. Es geht um nationale Interessen. Schließlich deckt der Strom aus Krsko in Slowenien rund ein Fünftel des Energiebedarfs ab, in Kroatien knapp ein Sechstel. Die Kroaten kamen ihren Zahlungsverpflichtungen nicht pünktlich nach, die Slowenen kappten monatelang die Stromleitungen nach Kroatien. Das Atomkraftwerk Krsko wurde zu einem der großen Streitpunkte zwischen Ljubljana und Zagreb. Ein einvernehmliches Abkommen zwischen den Regierungschefs beider Länder führte schließlich 2002, als es im kroatischen Parlament ratifiziert werden sollte, zum Eklat: Die Sozialliberalen traten aus Protest aus der Koalition aus und schwächten damit die Regierung von Ivica Racan beträchtlich.

AKW-Direktor Rozman ist zwar der Ansicht, die beiden Elektrizitätswerke hätten Anfang der 1990er Jahre schon eine gütliche Regelung finden müssen. Aber woran das genau gescheitert ist, da bleibt er vage:

"Aus gewissen Gründen ist das nicht gelungen. Oder man hat es damit nicht eilig gehabt. Oder man hat einfach zu wenig Aufmerksamkeit darauf gerichtet, die notwendigen Regelungen unter Dach und Fach zu bekommen. Diese Gelegenheit hat man verpasst, und dann wurde das Thema politisiert. Und als es erst einmal zum Gegenstand der Politik geworden war, war es sehr schwer, eine Einigung zu erzielen."

Einig sind sich Slowenen und Kroaten nun aber doch im vergangenen Herbst geworden. Vergleicht man das neue Abkommen mit dem aus jugoslawischen Zeiten, gibt es - bis auf einige wenige Passagen, die hinzugekommen sind - keine Änderungen:

"Die Aufteilung des Stroms geht nach demselben Prinzip, ebenso die Bezahlung des Stroms, auch die paritätische Besetzung der Führungsposten ist dieselbe. Hier wurde nichts verändert. Neu im Abkommen ist, dass nun beide Länder finanzielle Rücklagen für die künftige Stilllegung des AKWs ansparen, dass man gemeinsam die Stilllegung durchführen wird und gemeinsam nach einem Endlager für den atomaren Abfall sucht. Das hat das alte Abkommen noch nicht beinhaltet."

Und seitdem laufe es wieder recht gut, meint der AKW-Direktor, beide Seiten arbeiteten wieder konstruktiv zusammen. Entscheidend für den Durchbruch zum jetzigen Zeitpunkt sei vor allem der Druck aus Brüssel gewesen. Die EU hatte beiden Ländern - Slowenien für den Beitritt am 1. Mai und Kroatien für die Entscheidung über den Aufnahme-Antrag Mitte April - deutlich zu verstehen gegeben, dass diese Frage endlich geklärt werden müsse. Erst auf Druck von außen zu reagieren, das hält Rozman aber in Zukunft für kein geeignetes Rezept:

"Es ist nicht weise, auf einen Dritten zu warten, der unsere Probleme löst - wir müssen die Probleme selbst lösen. Das haben beide Länder lernen müssen."

Mit dem hitzigen Streit zwischen Slowenien und Kroatien um Krsko ist das gleiche passiert wie mit dem Save-Wasser im Atomkraftwerk: Erst gibt es viel heißen Dampf, aber dann wird auch wieder drastisch gekühlt, bevor das Wasser dem Fluss zurückgegeben werden kann. Miran Pribozic:

"Die Maximal-Temperatur für uns ist 28 Grad Celsius. Das heißt, die Save darf hinter Krsko nicht wärmer als 28 Grad sein - selbst wenn der Fluss hier schon mit 27 Grad ankommt. Dann dürfen wir eben die Temperatur um maximal 1 Grad erhöhen." (fp)