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NATO-Tagung

Christoph Hasselbach3. Dezember 2008

Auf der NATO-Außenminister-Tagung sind zwei Gruppen innerhalb der NATO wieder einmal in entgegengesetzte Richtungen marschiert, meint Christoph Hasselbach.

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Bild: DW

Auf der einen Seite stehen die Amerikaner - zusammen mit einem Großteil der neuen Mitglieder ehemaliger Warschauer-Pakt-Staaten. Sie wollen Georgien und die Ukraine möglichst schnell in die NATO holen und sie so vor Russland schützen. Auf der anderen Seite finden sich Länder wie Deutschland oder Frankreich. Sie mahnen zur Vorsicht, zur Rücksichtnahme gegenüber Russland.

Die offizielle Schnittmenge ist eigentlich groß. Georgien und die Ukraine sollen eine Zukunft in der NATO haben, und Russland hat darüber nicht zu bestimmen. Außerdem die gemeinsame Feststellung, heute seien beide Kandidaten noch nicht reif für das Bündnis. Unterschiedliche Meinungen wurden dagegen zum möglichen Beitrittszeitpunkt und zum Weg in die NATO-Mitgliedschaft geäußert.

Bei diesen Gemeinsamkeiten, so sollte man meinen, lohnte sich der Streit kaum, der dann beigelegt wurde. Aber hinter den offiziell beschriebenen Positionen verbergen sich nach wie vor größere Unterschiede.

Rückblick auf Georgienkonflikt

Wenn Vertreter der Bundesregierung in Berlin sagen, Georgien und die Ukraine hätten durchaus eine Beitrittsperspektive, so drängt sich der Verdacht auf, dass sie eigentlich diese Perspektive auf den Sankt Nimmerleinstag verschieben würden. Politiker in Berlin - aber längst nicht nur dort - atmen noch heute erleichtert auf, dass Georgien im August kein NATO-Mitglied war.

Eine Beistandsverpflichtung hätte schnell einen militärischen Konflikt mit Russland heraufbeschworen. Ohnehin ist ihnen der georgische Präsident Michail Saakaschwili politisch nicht geheuer. Im Falle der Ukraine kommt zum erbitterten Widerstand Moskaus noch die Tatsache, dass offenbar mindestens die Hälfte der ukrainischen Bevölkerung, vor allem die im östlichen Teil, gar keine NATO-Mitgliedschaft will, weil sie sich Russland weiter verbunden fühlt. Das NATO-Projekt in der Ukraine ist vor allem eines von Präsident Viktor Juschtschenko.

Wenn es auf der anderen Seite nur nach den Amerikanern und einigen der neuen Mitglieder im Osten ginge, wären beide Länder wohl schon heute NATO-Mitglieder. Auf eine eingehende Kontrolle politischer und militärischer Reformen scheinen sie am liebsten verzichten zu wollen, ebenso darauf, dass alle NATO-Regierungen einem Beitritt zustimmen müssen. Ihre Position zum Kaukasuskrieg lautet, eine NATO-Mitgliedschaft im August hätte einen Krieg gerade verhindert.

Schauen, für wen man den Kopf hinhält

Über diese letzte Frage kann rückblickend nur spekuliert werden. Doch es bleibt der Grundunterschied. Überspitzt ausgedrückt, lautet er so: Aufnahme um fast jeden Preis, oder Hinauszögern in der heimlichen Hoffnung, dass sie vielleicht nie kommen möge. Geographisch sind die Amerikaner weit weg von Russland. Das lässt sie vielleicht gelassener über das Thema reden. Doch die Polen oder die Balten reden ähnlich, und sie wiederum sind noch näher dran als die Deutschen. Hier sind es die unterschiedlichen historischen Erfahrungen.

Es spricht für die abtretende Regierung Bush, dass sie sich in Brüssel den Bedenken gebeugt hat und dem ursprünglichen Aktionsplan für Georgien und die Ukraine zustimmt. Es geht nicht um ein bisschen Abschiedsharmonie für Condoleezza Rice. Es geht hier um sehr weitreichende politisch-strategische Entscheidungen. Die Europäer müssen mit den mächtigen russischen Nachbarn leben. Und die Menschen in den bestehenden NATO-Staaten müssen auch wissen, für wen sie vielleicht mal ihren Kopf hinhalten sollen und welche Konflikte sie sich ins Haus holen. Das bedeutet nicht automatisch, dass eine Aufnahme Georgiens und der Ukraine auf keinen Fall in Frage kommt. Aber das bedeutet auf jeden Fall, dass man die Situation sehr gründlich prüft und demokratisch absichert.