1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Zahl der Toten bei Protesten im Iran steigt

1. Januar 2018

Die Gewalt zwischen Polizei und Demonstranten reißt nicht ab. Staatliche Medien berichten von mindestens zwölf Toten seit Samstag. Die Bundesregierung appelliert an die iranische Regierung, besonnen zu handeln.

https://p.dw.com/p/2qBBr
Iran Teheran Porteste
Nur noch wenige Fotos dringen nach draußen - hier Demonstranten am Samstag in TeheranBild: Getty Images/AFP/STR

Bei den regierungskritischen Protesten in der Islamischen Republik sind nach Angaben des Staatsfernsehens bislang zwölf Demonstranten zu Tode gekommen. Die Menschen starben demnach bei Demonstrationen in verschiedenen Regionen des Iran. Nähere Einzelheiten wurden von offizieller Seite nicht genannt.

Nach Angaben der staatlich gelenkten Medien griffen in mehreren Städten bewaffnete Demonstranten öffentliche Einrichtungen an. In der Hauptstadt Teheran setzte die Polizei Tränengas und Wasserwerfer gegen eine kleine Protestgruppe im Universitätsviertel ein. Berichte über Proteste gab es auch aus den Städten Kermanschah im Westen, Schahinschahr bei Isfahan sowie Takestan und Sandschan im Norden. Von Medien und in sozialen Netzwerken veröffentlichte Videos aus Iseh zeigten Angriffe auf staatliche Gebäude, religiöse Zentren, Banken und Büros der islamischen Bassidsch-Miliz. Einige Gebäude sowie Polizeifahrzeuge wurden in Brand gesetzt. Die Berichte und Videos auf den sozialen Netzwerken lassen sich jedoch nicht unabhängig verifizieren. Für diesen Montag ist ein Krisentreffen im Parlament in Teheran angesetzt, an dem auch Präsident Hassan Rohani teilnehmen sollte.

Zunehmend systemkritisch

Die Proteste hatten am Donnerstag begonnen. Die Kundgebungen richteten sich zunächst gegen die schlechte wirtschaftliche Lage im Land, wurden dann aber zunehmend systemkritisch. Mittlerweile fordern die Demonstranten nicht nur Reformen im Iran, sie gehen gegen die Führung des Landes und gegen das islamische System selbst auf die Straße.

Hassan Rohani
"Wir haben eure Probleme gehört": Präsident Hassan RohaniBild: picture-alliance/Iranian Presidency Office

Die Menschen riefen Slogans gegen den Klerus, die pro-arabische und anti-israelische Außenpolitik und die Islamisierung des Landes. In mehreren Städten, auch in Teheran, wurden aus den Protesten Unruhen und es kam zu Ausschreitungen. Seit der gewaltsam unterdrückten Bewegung gegen die Wiederwahl des damaligen ultrakonservativen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad im Jahr 2009 sind es die größten Protestaktionen in der Islamischen Republik.

"Wir haben eure Probleme gehört"

Präsident Rohani hatte sich am Sonntag solidarisch mit Regimekritikern gezeigt. Gleichzeitig warnte er aber vor Ausschreitungen, die die Sicherheit des Landes und Volkes gefährden könnten. "Wir sind ein freies Land und daher haben die Menschen auch ein Recht auf Meinungsfreiheit", sagte Rohani. Es sei auch die Aufgabe der Regierung, den Forderungen der Menschen nachzugehen und sie zu erfüllen. Aber all dies sollte in einem gesetzlichen und friedlichen Rahmen durchgeführt werden, so der Präsident in seiner ersten Reaktion zu den Protesten der vergangenen Tage. "Wir haben eure Probleme gehört", sagte Rohani.

Tote bei Protesten im Iran

Das Staatsoberhaupt wies Medienberichte zurück, die die Proteste nur auf seine Regierung bezogen hatten. Die Demonstranten kritisierten laut Rohani nicht nur die wirtschaftlichen Probleme. Viele von ihnen hätten auch auf die "Intransparenz" im gesamten System des Landes, unter anderem in der Justiz, hingewiesen. In einer Kritik an den Hardlinern im Land deutete er darauf hin, dass die Regierung in vielen Fällen nicht die Macht habe, all ihre Programme umzusetzen. 

Trump-Tweet provoziert

Besonders heftig kritisierte Rohani die Tweets von US-Präsident Donald Trump über die Proteste und bezeichnete ihn als Heuchler. "Dieser Herr in den USA, der sich jetzt besorgt um das iranische Volk zeigt, hat vor Kurzem das gleiche Volk als Terroristen bezeichnet", sagte Ruhani. Trump äußerte über den Kurznachrichtendienst Twitter, die Menschen im Iran hätten endlich begriffen, "wie ihr Geld und ihr Wohlstand zugunsten von Terrorismus gestohlen und vergeudet wird. Wie es aussieht, werden sie es nicht länger hinnehmen". Die USA würden sehr genau beobachten, ob es Menschenrechtsverletzungen gebe. 

Im Gegensatz zu den moderaten Tönen Rohanis verschärfte seine Regierung ihren Kurs gegen die regimekritischen Demonstranten im Land. Innenminister Abdulresa Rahmani Fasli sagte, es handele sich nicht mehr um Proteste, sondern um einen Aufstand gegen das eigene Volk. "Probleme mit Gewalt und Terror zu lösen, ist keine Option (...) - das können und werden wir nicht mehr dulden", sagte der Minister. Daher werde die Polizei bei weiteren Ausschreitungen konsequent eingreifen. Zeitweise wurden das Internet und der Zugang zu sozialen Medien gesperrt, bestätigte das Innenministerium.

Bundesregierung mahnt zur Einhaltung der Menschenrechte

Deutschland rief die iranische Regierung zur Achtung der Rechte der Demonstranten auf. "Die Bundesregierung verfolgt die Berichte über die Demonstrationen in verschiedenen Städten Irans sehr aufmerksam", teilte das Auswärtige Amt mit. "Versammlungsfreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung sind hohe Güter. Wir rufen die Regierung von Präsident Rohani auf, die Rechte der Protestierenden zu achten und besonnen zu handeln. Gleichzeitig appellieren wir an alle Beteiligten, ihre Anliegen friedlich zum Ausdruck zu bringen." 

Angesichts der sich zuspitzenden Proteste verschärfte das Auswärtige Amt seine Reisehinweise für das Land. "Aktuell ist im gesamten Land mit politisch motivierten Demonstrationen zu rechnen, die von einem hohen Aufgebot an Sicherheitskräften begleitet werden", heißt es in der neuen Version. "Auf öffentlichen Plätzen sollten Reisende erhöhte Aufmerksamkeit walten lassen, Kundgebungen sowie größere Menschenansammlungen meiden und Filmaufnahmen, auch mit dem Handy, im eigenen Interesse unterlassen."

sam/jj (AFP, AP, dpa, rtr)