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Im Flirt-Express

Michael Gessat13. März 2009

Manchem Single wäre schon der Gedanke daran ein Graus: Knapp 20 potenzielle Partner kennenlernen, und das im Fünf-Minuten-Takt. Speed-Dating liegt im Trend: Selbst bei der Deutschen Bahn kann man sich verkuppeln lassen.

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Paar im Flirtexpress (Foto: DB)
Paar im FlirtexpressBild: DB

Köln Hauptbahnhof, Gleis 9. In den Abschnitten D bis E sieht es diesmal anders aus als sonst. Überall sind rote Luftballons, Plakate und Herzchen. Die Leute stehen an Tischchen unter Heizstrahlern zusammen, sondieren die Lage und beschnuppern sich schon einmal. Frische Brezeln und ein Gläschen Sekt werden gereicht.

Immer schön locker bleiben

Zwei befreundete junge Damen nehmen das Abenteuer gemeinsam in Angriff. Das Speed-Dating im Flirt-Express ist für beide Neuland: "Mal sehen, was der Abend so bringt, aber es wird bestimmt ein schöner Abend", meint die eine. Und die andere verrät, was ihr bei einem Mann wichtig wäre: "Sympathie und Witz sind entscheidend - da kann ja auch noch was anderes draus werden. Interessant finde ich, dass man hier Leute trifft, mit denen man sonst nie sprechen würde."

Blind Date mit eingebauter Notbremse

Bahnhofsanzeige in Köln für den Flirtexpress der Deutschen Bahn (Foto: DB)
Bahnhofsanzeige in Köln für den Flirtexpress der Deutschen BahnBild: DB

Kneifen gilt dann allerdings nicht - deswegen ist Speed-Dating eindeutig nichts für Schüchterne. Aber wenn sich herausstellt, dass man sich absolut nichts zu sagen hat, dann sei man immerhin nach spätestens fünf Minuten erlöst, sagt ein männlicher Kandidat. "Bei einem normalen Date müsste man wohlmöglich noch einen Hauptgang und ein Dessert überstehen, obwohl man nach der Vorspeise eigentlich schon direkt verschwinden möchte."

Die Bahn sorgt für Kommunikation

Sara Heinzen von der Deutschen Bahn verrät mit einem Augenzwinkern, dass Pannen und Verspätungen bei der Bahn eigentlich der Kontaktanbahnung dienen. "Ich könnte auch sagen: Wir verbinden Menschen. Normalerweise ist man auch im Zug gerne mal eine Schicksalsgemeinschaft, wir konnten schon so manche Pärchen zusammenführen." Denn manch einer habe einen ungewollten Halt des Zuges dazu genutzt, seine Mitfahrer besser kennenzulernen. "Und warum nicht aus der Not eine Tugend machen, und einen Express nur zum Flirten anbieten?"

Ja oder nein?

Vielversprechende Blicke im Flirtexpress (Foto: DB)
Vielversprechende BlickeBild: DB

Dann startet der Flirt-Express in Richtung Bonn. Die Damen bleiben die ganze Fahrt über auf ihrem Platz sitzen - die Herren rotieren jedes Mal, wenn eine neue Runde eingeläutet wird. So bekommen alle im Fünf-Minuten-Takt ein neues Gegenüber.

Ob man das Gegenüber auch wiedersehen will oder nicht, kann jeder erst einmal für sich behalten. Denn die Bewertungen werden ganz diskret in das persönliche Flirtkärtchen eingetragen. "Man kreuzt an, ob man die E-Mail-Adresse oder die Telefonnummer übertragen lässt", erklärt eine Speed-Daterin das Prinzip. "Wenn ein Mann und eine Frau übereinstimmend Ja ankreuzen, dann werden die Kontakt-Daten übertragen."

Gute Fragen, schlechte Fragen

Für die Auswertung und den Austausch der Kontaktdaten sorgt später das Bahn-Team, das auch die 68 Teilnehmer vorsortiert hat. In einem Triebwagen sitzt die Altersgruppe unter, im anderen die über 30 Jahren. Bleiben also für jeden 17 Flirtpartner, 17 erste Eindrücke. Kaum zu vermeiden sind da ein paar Standardfragen: "Wie alt bist Du, was machst Du beruflich, was sind deine Hobbys?" Origineller darf man gern sein, aber auch nicht direkt indiskret. "Wie lange bist Du schon Single?" möchten viele Teilnehmer nicht gefragt werden.

Flirt-Pause in Euskirchen

Paar im Flirtexpress (Foto: DB)
Bei diesem Paar scheint es gefunkt zu habenBild: DB

Der Zug erreicht den Bahnhof Euskirchen, neun Runden sind geschafft. Zeit für eine Zigarette und Zeit, um kurz Luft zu holen. Ein schon etwas erschöpfter Teilnehmer sagt: "Es geht wahrscheinlich den meisten Leuten so, dass man eher zu wenig Zeit hat." Die beiden befreundeten jungen Damen amüsieren sich hingegen ganz gut, die eine hat allerdings schon einen Verdacht: "Es ist lustig, aber vielleicht haben wir Frauen doch höhere Ansprüche als die Männer."

Der Weg ist das Ziel

Dann steigen alle wieder ein, es geht zurück nach Köln. Weiter geht es mit dem Fragen, Flirten und Bewerten. Dem kostenlosen Sekt wird übrigens auch ganz gut zugesprochen - das löst die Zungen. Die Stimmung ist bestens.

Irgendwann nähern wir uns dem Ziel, das letzte Fünf-Minuten-Date ist geschafft. Was steht denn jetzt auf den Flirtkärtchen? "Insgesamt vier Männer würde ich gern näher kennenlernen wollen als dreieinhalb Minuten", zieht eine Teilnehmerin Bilanz. Ihr männliches Gegenüber scheint mit seinem persönlichen Resümee zu bestätigen, was auch in wissenschaftlichen Studien über Speed-Dating herausgekommen ist: "Über den Daumen gepeilt habe ich 60 bis 70 Prozent mit Ja beantwortet."

Ausschlaggebend für den Wunsch auf ein Wiedersehen ist bei Männern vor allem, wenn eine Frau eine gewisse äußerliche Attraktivität besitzt - das schreiben jedenfalls entsprechende Studien.

Für fast jeden Topf einen Deckel

Wo die Speed-Dater und Speed-Daterinnen im Kölner Flirtexpress bei ihren Entscheidungen nun hingeschaut haben - auf die optischen Werte oder aber in die Herzen - das bleibt natürlich ihr Geheimnis. Kein Geheimnis ist dagegen die statistische Auswertung der Flirtkärtchen: Immerhin 63 von 68 Teilnehmern, also 93 Prozent, hatten mindestens eine Übereinstimmung mit einem anderen Partner - und damit zumindest die Chance auf ein etwas weniger hektisches Folgetreffen.