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Immer besser

Das Gespräch führte Daniel Martínez15. Oktober 2008

Der Saisonstart beim FC Bayern München ist dieses Jahr eher dramatisch ausgefallen. Im Interview mit DW-World der Bundesliegerspieler Ze Roberto, der über die aktuelle Krise von seinem Verein spricht.

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"Glaube an meine Witze": Zé RobertoBild: AP

DW-WORLD.DE: Wie geht es Ihnen?

Zé Roberto: Nicht so gut. Zumindest geht es mir nicht so, wie ich es mir wünsche.

Weshalb? Sie sind zur Zeit der beste Bayern-Spieler.

Es kann sein, aber die Mannschaft geht durch eine schwierige Situation, unsere Lage in der Bundesliga ist sehr kompliziert. Zum Glück sieht sie in der Champions League anders aus.

Haben Sie eine Erklärung dafür?

Ich habe sie gesucht und bisher nicht gefunden. In all meinen Jahren beim FC Bayern kann ich mich nicht daran erinnern, so einen Saisonstart gehabt zu haben. In meiner gesamten Karriere habe ich so etwas noch nicht erlebt. Es haben sich schon viele Leute damit beschäftigt, eine Erklärung für diese Momentaufnahme zu liefern. Meiner Meinung nach ist die Situation so komplex, dass sie keine Erklärung braucht. Wir müssen einfach weiter arbeiten dürfen, um unser Ziel erreichen zu können: an der Spitze der Tabelle zu sein.

Woran denken Sie, wenn Sie sich die Tabelle anschauen und den FC Bayern erst auf der Position 11 entdecken?

Dann denke ich an das nächste Spiel, an die Chance, mit einem Sieg drei Punkte zu holen, damit wir uns nach oben orientieren.

Keine Spur von Verzweiflung oder Frust?

Nein, diese Gefühle sind nicht dabei, weil ich weiß, dass noch alles in unseren Händen liegt. Die Bundesliga hat erst sieben Spieltage gehabt. Wenn wir eine vergleichbare Situation sieben Spiele vor dem Saisonende erleben, könnten wir von Verzweiflung und Frust reden, aber nicht jetzt. Die Saison ist noch frisch, wir haben noch Zeit, um aufzuholen, um diese unangenehme Lage hinter uns zu lassen.

Sie sind der einzige beim FC Bayern München, der etwas zu feiern hat. Ihre Leistung in dieser Saison ist überragend, was man nicht von der ganzen Mannschaft sagen kann.

Ich habe keinen Grund zur Freude. Wenn eine Mannschaft einen guten Lauf hat, haben alle Spieler etwas davon. Umgekehrt ist es leider nicht immer so. Ich denke zuerst an die Gruppe und merke, dass es nichts bringt, individuell zu glänzen, wenn wir als Kollektiv eine schwierige Zeit haben.

Aber Sie dürfen besonders stolz auf sich sein.

Ja, ich bin auch stolz. Als wir zurück aus dem Sommerurlaub kamen, habe ich mir versprochen, aus dieser Saison die beste meiner Karriere zu machen. Die letzte Saison war für mich sehr gut, ich möchte sie noch übertreffen. Trotzdem: Es hilft niemandem, mir selbst auch nicht, dieses Jahr einen sehr guten Zé Roberto zu erleben, wenn wir am Ende keinen Titel holen. Meine Tore und meine Leistung werden bedeutungslos sein, wenn sie nicht dazu beitragen, dass die ganze Mannschaft etwas erreicht.

Heute könnte man den Eindruck gewinnen, dass dieses Ziel "etwas zu erreichen" in weiter Ferne liegt.

Ich glaube nicht, dass wir unseren Zielen fern sind. Ich bin überzeugt, dass wir uns verbessern, dass wir auf keinen Fall auf diesem Platz stagnieren. Wir werden eine ganz gute Saison hinlegen. Wir erleben wir den Anfang einer neuen Arbeitsphilosophie, und jeder Anfang ist schwer.

Ein wichtiger Teil dieser neuen Philosophie von Jürgen Klinsmann beinhaltet, jeden Spieler jeden Tag besser zu machen. Viele Kritiker sagen, dass Sie der einzige Spieler sind, der wirklich besser geworden ist.

Das wird auch bei der ganzen Mannschaft funktionieren. Bei mir hat sich auf Grund meines Alters und meiner Erfahrung diese Philosophie fester verankert. Ich habe Klinsmann von Beginn an verstanden, ich kann sehen, warum er experimentiert, warum er bestimmte Sachen durchzieht. Es ist mir klar, was er will und wie er es erreichen möchte. Das Ausprobieren gehört zur jetzigen Phase des Plans. Die Mannschaft hat schon ansatzweise gezeigt, dass sie die Philosophie versteht, zum Beispiel gegen Köln, gegen Nürnberg oder in der zweiten Halbzeit im Champions League Spiel gegen Lyon. Es fehlt uns nur eine Konstante und eine gute Balance.

Aber wegen dieser fehlenden Balance gerät der Trainer jetzt in Erklärungsnot. Wie sehen sie die ganze Situation?

Seit Klinsmann unser Trainer ist, hat er vieles ausprobiert. Er ist auf der Suche nach dem optimalen Team, aber bevor er es findet, muss er experimentieren. Klinsmann kam mit seiner eigenen Arbeitsmentalität. Er kennt die Mannschaft, hier sind immer noch die gleichen Spieler, die er während der letzten Saison beobachtete, die, die Meisterschaft und Pokal gewannen. Aber um den FC Bayern zu haben, den er möchte, muss er eigene Erfahrungen machen. Es ist ungerecht, hart mit ihm ins Gericht zu gehen, ohne zu berücksichtigen, dass er erst vor kurzem begann und langfristig plant. Letztendlich hat er einen Vertrag für drei Jahre.

Aber die Fans haben nicht so viel Geduld.

Die Reaktion der Fans ist verständlich, Fans denken wie Fans, nicht wie der Trainerstab oder die Entscheidungsträger des Clubs, denn deren Verantwortung ist auch für die Zukunft zu sorgen. Die Fans sollen Geduld haben und uns Vertrauen schenken.

Wie lange sollen sie warten? Wie lange sollen sie die Experimente noch dulden?

Wir haben keine Zeit mehr. Der HSV hat sieben Punkte Vorsprung. Die Zeit für Experimente ist vorbei. Ich bin nicht der einzige, der dies weiß, der Trainer weiß es sicherlich auch. Jetzt ist nicht der Zeitpunkt zu jammern oder Erklärungen zu suchen, ab dem kommenden Spiel gegen Karlsruhe fängt die Saison neu an.

Es ist ihre letzte in Deutschland. Haben Sie sich schon mit der englischen Sprache befasst?

Nein, warum?

Weil Sie angeblich nach Amerika auswandern, zum FC Dallas.

Der FC Dallas hat, wie andere Vereine auch, Interesse an mir gezeigt, aber ich habe noch keine hundertprozentige Entscheidung getroffen, ob ich in Deutschland bleibe oder nicht.

Haben Sie denn nicht ein Angebot des FC Bayern über eine Vertragsverlängerung abgelehnt?

Um Missverständnisse auszuräumen, muss ich klarstellen: Erstens, ich bin noch nicht vom Verein über das Thema Vertragsverlängerung angesprochen worden. Zweitens: Falls ich jetzt über das Thema Vertrag ab 2009 vom FC Bayern oder einem anderen Fußballclub angesprochen werde, werde ich allen die gleiche Antwort geben: Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt, um darüber zu reden. Erst im Februar oder März nächsten Jahres werde ich anfangen, über meine Zukunft nachzudenken. Zurzeit konzentriere ich mich nur auf die laufende Saison. Drittens: Eine endgültige Entscheidung werde ich zusammen mit meiner Familie treffen. Egal wie es am Ende aussieht, meine Frau, meine Kinder und ich fühlen uns sehr wohl in München.

Die Fans vom FC Bayern München könnten vielleicht die nächste Saison noch mehr von Ihnen haben: einen Zé Roberto, der sich trotz zunehmenden Alters ständig verbessert.

Mittlerweile glaube ich fest an meine eigenen Witze. Vor kurzen habe ich erzählt, dass ich wie ein guter Wein bin: Mit den Jahren werde ich immer besser. Es scheint tatsächlich so zu sein.

Zé Roberto,34, ist ehemaliger brasilianischer Nationalspieler. Er wechselte zur Saison 2007/2008 zum FC Bayern München und gab bekannt, dass die Saison 2008/2009 seine letzte beim FC Bayern München sein werde.