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Youtube killed the TV-Star

Johanna Zuber13. Februar 2015

Anders, neu, nicht immer professionell – das ist YouTube. Mit der Plattform erfindet eine Generation ihr eigenes Fernsehen, und das immer wieder neu. Was heute Milliarden einbringt, begann vor zehn Jahren mit Elefanten.

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Psy Gangnam Style
Mit über zwei Milliarden Klicks das meistgeschaute Video: "Gangnam Style" von PsyBild: Reuters

"Aloha Freunde!" Florian Mundt, besser bekannt als YouTube-Künstler "LeFloid", blickt mit weit aufgerissenen Augen in die Kamera und macht dabei energische Handbewegungen. Jeden Montag und Donnerstag kommentiert Mundt mit seinen "LeNews"-Videos besonders kuriose Nachrichten aus den vergangenen Tagen. "Was meint ihr: Darf jemand eventuell, hypothetisch das Leben einer Person riskieren um das einer anderen zu retten?" Mit erstaunlichen Gesichtsverrenkungen redet sich "LeFloid" in Rage: Ein Notarzt soll für ein halbes Jahr seinen Führerschein abgeben, weil er auf einem Einsatz zu schnell fuhr. Über zwei Millionen YouTube-Nutzer schauen ihm zu: Besonders Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 13 und 25 Jahren sind verrückt nach der One-Man-Show - seine Zuschauer wählten ihn sogar zum Gewinner des Grimme Online Publikumspreises 2014.

"Wir sind bei den Elefanten"

Vor zehn Jahren ging das heutige Massenphänomen YouTube online. Die US-Amerikaner Chad Hurley, Steve Chen und Jawed Karim gründeten die Seite mit der Idee, Videos von Amateuren für alle zugänglicher zu machen. Das erste Video zeigt eine kurze, wackelige Sequenz von Elefanten im Zoo von San Diego. Mit kurzweiligen Tiervideos zog YouTube bald ein großes Publikum an: Niesende Pandabären und sprechende Katzen wurden seither auf der ganzen Welt angeklickt. Ganz oben auf der Liste der meistgesehenen Videos stehen jedoch Musikvideos: Über zwei Milliarden Zuschauer sahen bereits den zu den Klängen des "Gangnam Style" tanzenden Koreaner.

Internationaler Auftritt des Online-Videoportals YouTube
14.2.2005: Geburtsstunde von YouTubeBild: picture-alliance/dpa

Heute ist YouTube all das, was Jugendliche in den 90er Jahren in Chatrooms, Musikfernsehsendungen und der "Bravo" fanden: Ratgeber, Unterhalter und Diskussionskanal. Junge Videomacher wie "LeFloid" punkten in ihren Clips mit vermeintlich alltäglichen Dingen, die sie ihren Zuschauern auf Augenhöhe anbieten. Während die Comedy-Truppe Y-Titty sich singend in selbstgebastelten Kostümen präsentiert, hält Beauty-Expertin Bibi ihre neusten Kosmetikartikel in die Kamera. Mit knapp dreieinhalb Millionen Abonnenten führt "Let's Play"- Künstler Gronkh die Liste der bekanntesten deutschen YouTuber an: Videospieler können ihm dabei zusehen, wie er Spiele vorführt und kommentiert.

YouTube: Ersatzfernsehen für Jugendliche

Die aktuelle JIM-Studie (Jugend, Information, Multimedia) belegt: 75 Prozent der Internetnutzer zwischen zwölf und 19 Jahren nutzen zumindest mehrmals wöchentlich Videoportale. Das Fernsehen steht nach der Internet- und Handynutzung nur noch an dritter Stelle. YouTube sei für Jugendliche zum Ersatzfernsehen geworden, weil es kein "langweiliges Einbahnstraßen-Medium sei", sondern in den Kommentaren Interaktion zulasse, so Florian Mundt im Interview mit dem Onlineportal vice.com.

LeFloid
Florian Mundt, 27, alias "LeFloid"Bild: picture-alliance/dpa

Vermarktung trifft auf Individualität

Heute ist YouTube ein Milliardengeschäft. Das witterte der Internetkonzern Google schon 19 Monate nach der Gründung und kaufte die Videoseite für 1,65 Milliarden Dollar. Wieviel Google mit Youtube verdient, gibt das Unternehmen nicht preis. Experten schätzen, dass YouTube im vergangenen Jahr 1,13 Milliarden Dollar Umsatz mit vorgeschalteter Werbung gemacht hat. Durch diese Einnahmen können inzwischen auch die großen YouTube-Künstler ihren Lebensunterhalt bestreiten: Je größer die Reichweite der Videos, desto höher der Verdienst. Vermarktungsunternehmen wie Mediakraft nehmen die YouTube-Künstler unter Vertrag, um die Klickzahlen zu erhöhen – und um selbst am Erfolg der Videomacher zu verdienen. Für seine Kommerzialisierung stand Mediakraft in den vergangenen Monaten jedoch wiederholt in der Kritik, große YouTuber kündigten ihre Verträge. "Da passieren viele Umbrüche", sagt Nilam Farooq alias "Daaruum", eine der beliebtesten deutschen YouTube-Künstlerinnen.

Gegründet in einem Büro über einer Pizzeria, ist YouTube heute selbst eine Manufaktur: Hier werden Stars gemacht – demokratisch gewählt durch den Geschmack der Zuschauer. Justin Bieber und Lana Del Rey filmten sich für YouTube, ehe sie berühmt wurden. Solche Erfolgsgeschichten gibt es unter den deutschen YouTube-Künstlern bislang nicht. Im Gegenteil: Die jugendlichen Fans zeigen mit ihrem Interesse an Bibi, Y-Titty & Co.: Sie möchten Idole, und gleichzeitig den Kumpel von nebenan. So einer ist "LeFloid": Stets zeigt die Kamera hinter ihm die eigenen, studentisch eingerichteten vier Wände. Das Cap hat er schief ins Gesicht gezogen, die Schatten unter seinen Augen zeugen von den Nachschichten, die er mit dem Videoschnitt am eigenen Computer verbringt. Der Gründungsgedanke der Hobbyfilmer, er ist auch heute noch da. Und doch wirkt er heute fast wie eine Antithese zu dem Milliarden-Imperium, zu dem YouTube in seiner zehnjährigen Geschichte herangewachsen ist.