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Wölfe in Deutschland: zum Abschuss freigegeben?

8. September 2023

Wölfe richten in Deutschland zunehmend Schaden an. Grüne Spitzenpolitiker sprechen sich für Lockerungen beim Schutz der Raubtiere aus.

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Heulende Wölfe im Wald
Ein Wolfsrudel in BayernBild: blickwinkel/S. Meyers/picture alliance

Noch vor wenigen Jahrzehnten galten Wölfe in Europa als beinahe ausgerottet. Seit sie streng geschützt werden, hat sich ihre Zahl jedoch langsam wieder erholt. Naturschützer freut dies, sie sehen den Wolf als Schlüsselart, die für das gesamte Ökosystem bedeutend ist. In einigen Regionen leben inzwischen jedoch wieder so viele der Raubtiere, dass sie eine Bedrohung für die Viehbestände darstellen - und für die Lebensgrundlage derjenigen, die sie züchten.

In Deutschland zählte die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) im Jahr 2022 mehr als 4000 getötete oder verletzte Nutztiere. Allein bei einem Angriff in Stade im Bundesland Niedersachsen Ende August töteten Wölfe 18 Schafe und verletzten 37 so schwer, dass sie eingeschläfert werden mussten.

Die DBBW geht davon aus, dass es Ende vergangenen Jahres 161 Wolfsrudel in Deutschland gab, vor allem im Norden und Osten des Landes. 2012 waren es noch 17. Jäger und Landwirte fordern nun ein "aktives Wolfsmanagement", das "europarechtskonform ist", sagt Helmut Dammann-Tamke, Präsident der Landesjägerschaft Niedersachsen.

Streit um den Wolf

Deutschland muss sich beim Wolfsmanagement an die Rahmenbedingungen der Europäischen Union halten. Diese sehen vor: Herdenschutz wie etwa Zäune geht vor Wolfsabschuss. Anfang September kündigte die Europäische Kommission jedoch an, dass eine neue Studie den Schutzstatus der Wölfe überprüfen werde.

Kurswechsel bei den Grünen?

In Deutschland sind die Regierungen der Bundesländer für die Umsetzung des Wolfsmanagements und des Nutztierschutzes zuständig. Das bedeutet auch, dass die Länder finanzielle Mittel für den Schutz von Nutztieren bereitstellen müssen, etwa für Elektrozäune. Diese können aber aus EU-Fonds finanziert werden.

Kritiker wie Dammann-Tamke fordern einen vermehrten Wolfsabschuss. Es liege an den deutschen Bundesbehörden, dies so zu regeln, dass nicht gegen europäische Naturschutzgesetze verstoßen werde.

BdT Deutschland Schafskälte im Norden
Mehr als 4000 Weidetiere sind dem Wolf 2022 in Deutschland zum Opfer gefallenBild: Axel Heimken/dpa/picture alliance

Innerhalb der Berliner Ampelregierung aus Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen dürfte das insbesondere den Grünen schwerfallen. Die Grünen, die sowohl für das Umwelt- als auch für das Landwirtschaftsministerium zuständig sind, stehen als Umweltschutzpartei eher auf der Seite des Wolfsschutzes. Einige ihrer Spitzenfunktionäre in der Regierung reichen den Viehhaltern nun jedoch die Hand.

"Es muss künftig leichter möglich sein, einzelne Wölfe und auch ganze Rudel zu entnehmen, die Herdenschutzmaßnahmen überwinden und Tiere töten", sagte Cem Özdemir, Landwirtschaftsminister der Grünen, der Nachrichtenagentur dpa. Seine Parteikollegin, Umweltministerin Steffi Lemke, hat sich bereits ähnlich geäußert.

Ein Sprecher der Grünen, der von der DW um einen Kommentar gebeten wurde, konnte nicht klarstellen, ob Lemke und Özdemir damit die Linie der Gesamtpartei verfolgen. "Sie sagen das vorrangig natürlich in der Rolle als Minister*in, aber sie sind natürlich gleichzeitig als Vertreter*in unserer Partei in ihren Ministerien", so ein Grünen-Sprecher.

Wird Spanien zum Wolfsland?

Dammann-Tamke vom Jagdverband zeigte sich unzufrieden mit der neuen Haltung der Minister. Es bestünden erhebliche Zweifel, dass die öffentlichen Äußerungen von Steffi Lemke und Cem Özdemir ernst gemeint seien, so Dammann-Tamke zur DW. "Aus den Wortbeiträgen der Bundesumweltministerin Steffi Lemke geht hervor, dass sie noch immer in der alten - und damit gegenwärtigen - Rechtslage unterwegs ist." Özdemir als der für den Tierschutz verantwortliche Minister habe angesichts von mehreren Tausend Rissopfern "nichts Substanzielles zur Debatte beigetragen".

Politik mit dem Wolf

Das Landwirtschaftsministerium teilte der DW mit, dass Özdemir sich in seiner Funktion als Bundesminister geäußert habe, im Rahmen seiner "Verantwortung für Weidetierhalterinnen und -halter", so ein Sprecher. Das Umweltministerium reagierte nicht auf eine Anfrage.

Ob Wolfsliebhaber oder Wolfshasser - das Thema ist emotional, macht Schlagzeilen und schürt den Zorn in den sozialen Medien. Politiker können das Thema nutzen, um bei der eher konservativ eingestellten Landbevölkerung zu punkten.

In Bayern ist der Wolf bereits zum Wahlkampfthema geworden. Dort hat die konservative Regierung unter Ministerpräsident Markus Söder von der CSU im April erklärt, dass ein Wolf bereits geschossen werden könne, wenn er nur ein Nutztier tötet. Dieser Schritt wurde von den bayerischen Grünen kritisiert. Auf X (vormals Twitter) schrieb Söder Anfang August: "Der Wolf gehört nicht zu uns."

Naturschützer und Landwirte sind jedoch nicht immer so weit voneinander entfernt, wie es auf den ersten Blick scheint. Beide sind sich einig, dass die bestehenden Schutzbestimmungen den Abschuss von Wölfen als letztes Mittel und "Ausnahmefälle" erlaube, so Marie Neuwald, Wolfsexpertin beim Naturschutzbund NABU, im Gespräch mit der DW. Das hält die Wölfe aber weder davon ab, Weidetiere zu jagen, noch macht es getötete Tiere wieder lebendig. Nur durch Elektrozäune könne man Wölfen beibringen, Abstand zu Weidetieren zu halten, so Neuwald.

Sowohl Lemke als auch Özdemir sprechen sich in der Tat dafür aus, Weidehalter stärker beim Schutz ihrer Herden vor Wölfen zu unterstützen. Dafür sollten auch bürokratische Hürden abgebaut werden. Die Erklärungen der grünen Minister sähen den Wolfs-Abschuss lediglich für den Fall vor, dass Schutzmaßnahmen versagten, betont Neuwald. Sie bedeuteten aber nicht, dass nun die Jagd auf Wölfe eröffnet sei.

Einige Viehhalter fordern jedoch, Wolfspopulationen durch Jagd zu verringern. Neuwald sagt, es sei ein "Trugschluss, dass weniger Wölfe automatisch weniger Risse bedeuten".

Sie sieht ein weiteres Problem. Soll nämlich ein für das Reißen von Weidetieren verantwortlicher Wolf getötet werden, dann muss dieser zunächst identifiziert werden. Und Wölfe sähen sich ziemlich ähnlich - "und ihre DNA steht ihnen nicht auf der Stirn geschrieben".

Dieser Artikel wurde aus dem Englischen übersetzt