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Wusste Winterkorn schon 2014 Bescheid?

2. März 2016

Mit einer ungewöhnlich langen Erklärung geht Volkswagen im Skandal um manipulierte Diesel-Abgaswerte in die Offensive. Ein Schuldeingeständnis bedeutet das aber nicht - im Gegenteil.

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Martin Winterkorn (Foto: dpa)
Ex-Vorstandschef WinterkornBild: picture-alliance/dpa/F. Gentsch

Der erste Vermerk darüber, dass Dieselfahrzeuge mit zwei- und drei-Liter-Motoren des Unternehmens auf der Straße deutlich mehr Schadstoffe ausstoßen als auf dem Prüfstand, erreichte den damaligen Konzernlenker Martin Winterkorn am 23. Mai 2014. "Ob und inwieweit Herr Winterkorn von dieser Notiz Kenntnis genommen hat, ist nicht dokumentiert", heißt es in einer ungewöhnlich langen Erklärung des Autobauers, mit der das Unternehmen versucht, aus der Defensive zu kommen. Am 14. November 2014 habe es eine weitere entsprechende Notiz gegeben.

VW geht in die Offensive

In der Pressemitteilung setzt sich Volkswagen gegen den Vorwurf zur Wehr, die Öffentlichkeit im vergangenen September zu spät über den Abgasskandal informiert und dadurch Anleger geschädigt zu haben. Beim Landgericht Braunschweig sei eine Klageerwiderung eingereicht worden, teilte das Unternehmen mit. VW sieht sich nach eigenen Angaben in der Auffassung bestätigt, "dass der Vorstand seine kapitalmarktrechtliche Publizitätspflicht ordnungsgemäß erfüllt hat".

Der Sachverhalt ist kompliziert. Den Vorgang publik gemacht hatte nämlich nicht der deutsche Autobauer, sondern die US-Umweltbehörde EPA, und zwar am 18. September vergangenen Jahres. VW räumte die Manipulation der Software, die welweit elf Millionen Fahrzeuge betrifft, erst zwei Tage später ein - an einem Sonntag - in einer Pflichtmitteilung an die Börse. Am Tag darauf stürzte die VW-Aktie um fast 20 Prozent ab, der größte Autokonzern Europas verlor binnen weniger Stunden zwölf Milliarden Euro an Börsenwert.

Am 23. September nahm Winterkorn als Vorstandschef seinen Hut und zog sich zwei Tage später von allen anderen Ämtern in dem Konzern zurück. Kurz darauf bestellte der Aufsichtsrat den früheren Porsche-Chef Matthias Müller an die Konzernspitze.

Aktionäre zu spät informiert?

Anwälte und Aktionäre halten VW vor, der Autobauer hätte mindestens zwei Wochen früher über den Sachverhalt informieren müssen. Denn VW-Manager hatten am 3. September hinter den Kulissen gegenüber US-Umweltbehörden Manipulationen bei Diesel-Abgastests eingeräumt. Das Wertpapierhandelsgesetz schreibt vor, dass kursrelevante Firmennachrichten sofort veröffentlicht werden müssen.

Ein wegen des Skandals in die Werkstatt zurückgerufenes VW-Fahrzeug bekommt ein Software-Update (Foto: dpa)
Ein wegen des Skandals in Deutschland in die Werkstatt zurückgerufenes VW-Fahrzeug bekommt ein Software-UpdateBild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Laut der jetzigen Pressemitteilung wurde der Konzernspitze erst "nach der unerwarteten Bekanntmachung" der US-Behörden an besagtem 18. September bewusst, dass der Skandal den Aktienkurs belasten würde. Für eine Abschätzung der weltweiten Risiken habe es noch einige Tage Zeit bedurft, heißt es in der Erklärung. Und weiter schreibt VW, von dem später von der US-Behörde verhängten Bußgeld von bis zu 18 Milliarden Dollar habe man damals keine Ahnung gehabt.

Mittlerweile steht wegen der Volkswagen vom US-Justizministerium zur Last gelegten Verstöße gegen US-Umweltgesetze eine Summe von bis zu 46 Milliarden Dollar im Raum.

Wird Winterkorn belangt?

Inwieweit Winterkorn selbst zur Rechenschaft gezogen werden kann, ist nach Ansicht von Juristen offen. Die Braunschweiger Staatsanwaltschaft ermittel gegen insgesamt sechs Beschuldigte wegen Betrugsverdachts im Zusammenhang mit der Manipulation von Stickoxidwerten. Der Ex-Konzernchef ist nicht darunter.

Experten des US-Rechts gehen allerdings davon aus, dass Winterkorn durchaus verantwortlich gemacht werden könnte. Als Vorstandsvorsitzender habe er die Gesamtverantwortung getragen und müsse in den USA damit auch für die Taten von Mitarbeitern geradestehen.

se/SC (rtr, afp, ap, dpa)