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Frieden und Nintendo

Maximiliane Koschyk7. Dezember 2015

Papa soll sich nicht den Bart abrasieren: Wunschzettel an das Christkind, den Weihnachtsmann oder Nikolaus werden in Deutschland von der Post beantwortet! In aller Welt sind diese Weihnachtsbriefe sehr beliebt.

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Deutschland Weihnachtspost Weihnachtspostamt Engelskirchen Schild Foto: DW/Maximiliane Koschyk
Bild: DW/M. Koschyk

Christstollen, Weihnachtstischdecken und Girlanden voller Wunschzettel: Der Arbeitsplatz von Gudrun Schlief und ihren Kolleginnen sieht genauso aus, wie man sich ein Weihnachtspostamt vorstellt. Rund zehn Mitarbeiter kümmern sich um Briefe und Einsendungen adressiert "an das Christkind". In Engelskirchen - das Städtchen bei Köln heisst tatsächlich so - arbeiten die "Vertreter des Christkinds" in einem von sieben deutschen Weihnachtspostämtern.

In der zweiten Adventswoche herrscht Hochbetrieb: Rund 45.000 Schreiben sind bereits eingegangen. Vergangenes Jahr kamen insgesamt rund 150.000 Briefe an. Im Akkord werden die Briefe von Hand sortiert, geöffnet, gelesen, dann Antwortschreiben formuliert und Kuverts für die Rückantwort etikettiert.

Empfänger: Das Christkind

Die Briefe zu lesen sei besonders schön, so Gudrun Schlief. Manche Schreiben sind nicht nur berührend, sondern auch lustig, zum Beispiel der Wunsch eines Kindes, dass "Papa sich nicht den Bart abrasiert". Manche Kinder haben auch etwas gebastelt oder gemalt. Über den Schreibtischen oder an großen Pinnwänden hängen viele der Exemplare.

Deutschland Weihnachtspost Mitarbeiterinnen Weihnachtspostamt Engelskirchen Foto: Copyright: DW/Maximiliane Koschyk
Die Mitarbeiterinnen "vom Christkind"Bild: DW/M. Koschyk

Seit 30 Jahren gibt es das Weihnachtspostamt in Engelskirchen. Als Ehefrau eines Postbeamten war Birgit Müller von Anfang an mit dabei. "Erst wurde auf dem Dachboden des Postamts gearbeitet", berichtet Müller. Heute sitzt das Weihnachtspostamt Engelskirchen am himmlisch klingenden Engelsplatz.

Von Himmelsthür bis Himmelstadt

In Deutschland gibt es die meisten Weihnachtspostämter der Welt. Sie alle sitzen in echten Orten Deutschlands, an die Weihnachtspost adressiert werden kann. Die ersten Briefe trudelten vor fast 50 Jahren im niedersächsischen Himmelsthür ein. Weil der Ort fast wie "Himmelstür" klingt, stellten Postbeamte im Jahr 1968 erstmals die Kinderpost an den ähnlich geschriebenen Ort zu.

Später landete auch in Himmelpfort und Himmelpforten, Himmelstadt und Engelskirchen Post aus Kinderhand. Erst erbarmten sich Mitarbeiter freiwillig der Briefe, mittlerweile sind die Weihnachtspostämter fest in den Feiertagsbetrieb der Deutschen Post AG integriert.

Nikolauspost geht ins Saarland

An wen sich die Briefe richten, unterscheidet sich von Postamt zu Postamt. Laut der Deutschen Post sind die Ämter in Himmelpfort und Himmelthür für den Weihnachtsmann zuständig, Himmelpforten, Himmelstadt und Engelskirchen kümmern sich um die Korrespondenz des Christkinds. Auch der Nikolaus hat zwei eigene Schreibstuben, eine im saarländischen Ort Sankt Nikolaus und eine im Nikolausdorf in Niedersachsen.

Die Deutsche Post AG betreibt einige der Weihnachtspostämter mit der Unterstützung von Helfern, in manchen Orten kümmern sich die Bürger aber selbst um die Beantwortung der Briefe und bekommen die Schreibwaren vom Unternehmen gestellt. Die fertige Antwort wird ins Kuvert gesteckt, dann bekommt die Post vom Christkind, Weihnachtsmann oder Nikolaus noch den eigens dafür entworfenen Stempel aufgedrückt und eine schöne Briefmarke für den Transport.

Was isst das Christkind?

Die Weihnachtspostämter in Deutschland erreichen Briefe aus aller Welt. In Engelskirchen werden Briefe in Deutsch und sechs weiteren Sprachen, unter anderem Chinesisch beantwortet. Seit diesem Jahr gibt es erstmals auch einen Brief vom Christkind in Braille-Schrift für blinde Menschen.

Deutschland Weihnachtspost Briefe Weihnachtspostamt Engelskirchen Foto: Copyright: DW/Maximiliane Koschyk
In Asien ist die deutsche Weihnachtspost sehr beliebt.Bild: DW/M. Koschyk

Die internationalen Absender würden sich sehr für die deutsche Weihnachtskultur interessieren, erzählt Birgit Müller vom Weihnachtspostamt. "Manchmal kommt ein ganzer Fragenkatalog": "Kennst du den Weihnachtsmann? Arbeitet ihr zusammen? Was isst du gerne?" und noch viele weitere Fragen stellt etwa die 11-jährige Tina aus Taiwan. Von dort kam in diesem Jahr bereits besonders viel Post. Ältere Absender aus dem Ausland lernen Deutsch, mit der Post vom Christkind würden sie üben wollen.

Santa und Väterchen Frost

Nicht nur in Deutschland können Kinder ihre Wunschzettel an verschiedene Symbolfiguren verschicken. In Russland schreibt man etwa Väterchen Frost. Die britische Post bietet eine fiktive Anschrift von Santa Claus im "Reindeerland" an. In Kanada lautet die Postleitzahl "H0H 0H0", die das lachende "Ho ho ho" des Weihnachtsmanns andeutet. Am Nordpol, wo der Weihnachtsmann nach einigen Vorstellungen lebt, vor dem Postamt im grönländischen Nuuk können die Brieffreunde vom Weihnachtsmann ihre Post in einen überlebensgroßen Briefkasten werfen.

In den deutschen Postämtern erreichen die Mitarbeiter auch Briefe von Erwachsenen. Ihnen geht es weniger um die Erfüllung von Wünschen. Die Weihnachtspoststempel jedes Jahr sind sehr begehrt und werden gerne gesammelt. Manche Großeltern schreiben, damit die Enkel mit einem Brief vom Christkind überrascht werden.

Einkaufstipps und Weltfrieden

Briefe an das Christkind zu schreiben, hat in Deutschland Tradition. Auf Wunschzetteln formulieren Kinder ihre Geschenkwünsche. "Manchmal bekommt das Christkind sogar Preis und Händlerinfos", sagt "Weihnachtspostlerin" Birgit Müller. Oder es gibt in Schreiben auch schon mal Spartipps: "Hier kannst du das am günstigsten kaufen", heisst es dann.

Deutschland Weihnachtspost Birgit Müller Weihnachtspostamt Engelskirchen
Leitet das Weihnachtspostamt in Engelskirchen: Birgit MüllerBild: DW/M. Koschyk

Manchmal werde einer Liste von Spielsachen noch ein Wunsch eines Erwachsenen aufgedrückt. Dann wird "und Weltfrieden" gewünscht, so Müller. Neben Spielsachen sind in diesem Jahr eher die Flüchtlingskrise und die Attentate von Paris vermehrt Thema. „Die Kinder sind sehr konkret“, sagt Müller, was die Weltpolitik betreffe. "Warme Schuhe für Flüchtlingskinder" oder der "Stoppung des Klimawandels" werden gewünscht oder, dass die Attentäter von Paris gefasst würden.

Glauben die Kinder, die schreiben, wirklich ans Christkind? "Geht so", sagte Birgit Müller. Eine Ahnung, dass die Eltern involviert sind, haben viele. Trotz christlichem Hintergrund sei die Religion dabei nicht so wichtig. Die vielen Briefe sind für Müller ein Zeichen für die Hoffnung der Kinder, dass ein Christkind, Nikolaus oder Weihnachtsmann ihre Wünsche und Bedenken liest und versteht.