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Wohltätige Gottesfurcht

Oliver Samson31. Januar 2004

Am Sonnatg (1.2.) ist "Il al-adha", der höchste religiöse Feiertag der Muslime. Weltweit wird das Opferfest gefeiert - ein Festtag vor allem für Bedürftige.

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Blutig für die Bedürftigen: Opferfest in SarajevoBild: AP

Soviel steht fest: Das islamische Opferfest ist kein Fest für empfindsame Tierfreunde. Der Koran besagt, dass jeder Gläubige, der dazu in der Lage ist, ein Tier opfern sollte – und so wird das insgesamt viertägige Kurban, wie es auf türkisch heißt, in der islamischen Welt zu einem gigantischen, naturgemäß äußerst blutigen Schlachtfest.

Mit dem Fest gedenken die weltweit über eine Milliarde Muslime an die Prüfung Abrahams, der auch vom Islam als Stammvater verehrt wird. Der wäre auf Gottes Geheiß sogar bereit gewesen sein Liebstes, seinen eigenen Sohn, zu opfern. Im Alten Testament soll es Isaak gewesen sein, in der Version des Koran war es Ismail. Einig sind sich die heiligen Bücher, dass Gott im letzten Moment einschritt und als Ersatzopfer ein Lamm schickte. Es war der Anbruch einer neuen Ära der Menschheit – die ohne Menschenopfer.

Kamele fünf, Kühe zwei Jahre alt

In moslemischen Großstädten wie Istanbul stehen vor dem großen Fest etwa auf Parkplätzen ganze Tierherden zum Verkauf. Die Vorschriften sind streng: Vom Beginn des ersten Tages bis zum Abend des dritten muss geschlachtet sein, Kamele müssen mindestens fünf, Kühe mindestens zwei Jahre, Schafe und Ziegen mindestens ein Jahr alt sein, ein Lamm älter als sechs Monate, groß und gut genährt. Da das Tier nicht an einer Krankheit leiden, nicht lahmen, blind oder mager sein darf und je nach Zahl der beteiligten Familien die passende Größe sowie den passenden Preis haben soll, klappert ein Familienvater auf der Suche nach dem optimalen Opfer in den Wochen vor Kurban oft mehrere Händler ab.

Kein Schächten in der Badewanne

In Deutschland ist das stets von Protesten von Tierschützern begleitet, die sich vor allem gegen die religiös vorgeschriebene Schlachttechnik des Schächtens richten. Das darunter verstandene Ausbluten des Tieres ist nach deutscher Rechtsprechung nur nach vorheriger Betäubung erlaubt – und nur für einen ausgebildeten Metzger. Da aber der islamische Volksglaube in der eigenhändigen Schlachtung einen besonderen Wert sieht, "glauben viele, dass die Moslems zuhause heimlich in der Bandewanne schlachten", sagt Torsten Nöldner, Veterinärmediziner in der Senatsgesundheitsverwaltung in Berlin. "Wir haben aber keine Anhaltspunkte, dass dies tatsächlich passiert. Zumindest kenne ich keine Anzeigen." Die Polizei sei jedoch zu erhöhter Wachsamkeit aufgefordert worden.

"Viele fahren aus den Städten heraus zu bestimmten Bauernhöfen und opfern dort", sagt Mohammed Herzog von der Gemeinschaft deutschsprachiger Muslime. Ob dann dort buchstabengetreu nach den gestrengen deutschen Richtlinien verfahren werde, könne er freilich auch nicht sagen.

Gottgefälliges Opfer online

Wichtiger als die eigene Schlachtung sei für die über drei Millionen in Deutschland lebenden Moslems inzwischen ohnehin das Gebet in der Moschee und der familiäre Aspekt des Fests, so Herzog. Nicht unbedingt wegen den deutschen Gesetzen, sondern wegen des besonderen Charakters des Opferfestes: Kurban ist nämlich vor allem ein Fest für die Bedürftigen. Traditionell soll nur ein Viertel des Fleisches in der Familie bleiben, der weitaus größere Teil an Bedürftige abgegeben werden. "In Deutschland ist das ein Problem – es gibt in diesem Sinne nur ganz wenige Bedürftige", sagt Ferida Brandt von Islamic Relief (IR). Weltweit agierende islamische Hilfsorganisation wie IR können mit ausgefeilter Organisation aber inzwischen sicherstellen, dass die "religiöse Spende" des Kurban wirklich Bedürftige erreicht. Opfer- und Spende-Willige können sich online ein Land aussuchen, indem gespendet werden soll. Vor Ort kaufen, schächten und verarbeiten nach sorgfältiger Suche IR-Mitarbeiter die Opfertiere und verteilen das Fleisch. Spenden kann man in Länder aus vier Preiskategorien – je nach dem dortigen Viehpreis: Mit 40 Euro sorgt man etwa in Bangladesh oder Mali für gottgefällige Festgerichte, 125 Euro muss man etwa für Länder wie Südafrika oder China opfern.

2003 wurden alleine von IR auf diesem Weg 41.341 Opfertiere bereitgestellt. Von einem Tier profitieren circa 40 Personen - den Spendern waren danach "die entsprechende Belohnung und die Gunst Allahs" sicher, wie Islamic Relief auf der Homepage betont.