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Gespräche statt Gefechte

Sabine Hartert27. März 2012

Seit 1889 vernetzt die Interparlamentarische Union Parlamentarier auf der ganzen Welt. Als "Geburtshelfer für Demokratien" ist die IPU ein wichtiger Brückenbauer und manchmal sogar Friedensstifter.

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In traditionellen Gewändern nehmen diese Parlamentarier im Bundestag in Berlin an der Eröffnung der 102. Konferenz der Interparlamentarischen Union (IPU) teil. (Foto: dpa/lbn)
Bild: picture-alliance/ dpa

"Miteinander reden, anstatt aufeinander zu schießen", war ein Leitgedanke des englischen Gewerkschafters William Randel Cremer und des französischen Pazifisten Frederic Passy, als sie 1889 die Interparlamentarische Union, kurz IPU, gründeten. Es sollte ein Forum sein, in dem sich Parlamentarier unabhängig von Konflikten und über die Grenzen unterschiedlicher Kulturen hinweg austauschen können. Seit der Gründung gab es zwei Weltkriege und unzählige bewaffnete Konflikte, das Kernanliegen der IPU ist geblieben: durch Verständigung Frieden und Sicherheit zu fördern, auch wenn politische Überzeugungen unterschiedlich sind.

Wichtiges Diskussionsforum

Weltweit gibt es mehr als 46.000 Parlamentarier; der IPU gehören 159 Parlamente an. Deren Vertreter treffen sich zweimal pro Jahr. Diese Zusammenkünfte bieten, wie IPU-Generalsekretär Anders B. Johnson im Gespräch mit der Deutschen Welle betont, eine Gelegenheit "für Parlamentarier, sich ungeachtet der politischen Gruppierung auszutauschen, zu verhandeln oder Vereinbarungen zu treffen."

Norbert Lammert: IPU-Treffen sind Beitrag zur internationalen Kooperation (Foto: DAPD)
Norbert Lammert: IPU-Treffen sind Beitrag zur internationalen KooperationBild: dapd

Auch für den CDU-Politiker und Bundestagspräsidenten Norbert Lammert, der seit einigen Jahren die deutsche IPU-Delegation leitet, sind diese Begegnungen von großer Bedeutung: "Sie sind ein nicht zu unterschätzender Beitrag zur internationalen Kooperation, die wir bei relevanten Themen immer dringender brauchen." Er verweist jedoch darauf, dass die IPU kein Weltparlament sei, in dem rechtsgültige Resolutionen verabschiedet werden. Johnson zieht einen Vergleich zur Vollversammlung der Vereinten Nationen. Auch dort hätten Resolutionen keine Rechtsbindung, dennoch würden Entscheidungen getroffen und Entwicklungen angestoßen.

Für viele Parlamente ist die Mitgliedschaft in der IPU der einzige Weg, der einen direkten Kontakt zu anderen Parlamentariern oder eine politischen Annäherung zwischen verfeindeten Staaten ermöglicht. So hat sich zum Beispiel Südkorea stark dafür eingesetzt, Nordkorea in die Organisation aufzunehmen, weil das eine der wenigen Gelegenheiten zum direkten politischen Dialog ist. Auch Waffenstillstände und Friedensverträge wurden auf den interparlamentarischen Treffen eingefädelt. Johnson denkt an den Krieg zwischen Irak und Iran in den 80er Jahren. Vertreter beider Parlamente haben am Rande einer IPU-Konferenz die ersten Entwürfe des späteren Waffenstillstands erarbeitet. Und die Vertreter Argentiniens und Großbritanniens haben nach dem Falkland-Krieg die ersten Schritte hin zur Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen getan.

Nachhilfe in Demokratie?

Ein anderes wichtiges Arbeitsfeld der Interparlamentarischen Union ist die Entwicklung demokratischer und parlamentarischer Standards. Da geht es zum Beispiel um den Aufbau parlamentarischer Arbeit in Ländern nach Konflikten oder nach einem politischen Systemwechsel. Hier hilft die IPU bei der Organisation von Wahlen oder informiert über die Bedeutung von politischer Opposition im Parlament. Für Johnson kommt da eines der Hauptanliegen der Organisation zum Tragen, nämlich Demokratie durch Parlamente zu fördern.

Anders B. Johnson, Generalsekretär der IPU (Foto: Interparlamentarische Union, Genf).
IPU-Generalsekretär Johnson: Viele Parlamente fragen nach RatBild: IPU

Das Parlament ist der Ort, an dem das Volk seinen Willen ausdrücken kann, wo Gesetze verabschiedet werden und wo Politiker Rechenschaft ablegen müssen. Den in der IPU vertretenen Demokratien ist durchaus bewusst, dass es Mitglieder gibt, die nicht gängigen westlichen Demokratiestandards entsprechen. Dennoch sieht man in dem Miteinander eine große Chance, demokratische Werte zu vermitteln. Für Lammert steht Deutschland da aber nicht in der ersten Reihe: "Erstens lassen sich politische Systeme nicht exportieren", sagt er im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Und zweitens, dass nun ausgerechnet Deutschland mit einer nachweislich besonders komplizierten Geschichte hin zu Rechtsstaat und Demokratie der globale Lehrmeister für die Etablierung eines vermeintlichen Standardmodells für Demokratie sei, verbietet sich mit Blick auf die eigene Geschichte von selbst."

Demokratie durch Parlamente fördern

Auch Länder mit parlamentarischer Tradition wenden sich an die IPU, wenn sie ihre parlamentarische Arbeit noch effizienter gestalten wollen - wie zum Beispiel kürzlich Irland. Dazu hat die in Genf ansässige Organisation einen Kriterienkatalog entwickelt, an Hand dessen sich Parlamente evaluieren lassen und im Anschluss ihre Arbeit optimieren können. Alle diese Maßnahmen hängen stark davon ab, ob im Parlament der politische Wille vorhanden ist, die Vorschläge umzusetzen. Aber, so IPU-Generalsekretär Johnson, die Zahl der Parlamente, die bei der Organisation um Rat und Unterstützung suchten, sei sehr hoch.

In dem Bestreben, die Arbeit von Parlamenten volksnäher zu gestalten, hat die IPU gemeinsam mit dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen, UNDP, den weltweit ersten Bericht über Parlamente in Auftrag gegeben. Er soll auf dem bevorstehenden halbjährlichen Treffen (31.03. bis 05.04.2012) in der ugandischen Hauptstadt Kampala offiziell vorgestellt werden. Hauptthema des Berichts ist das Verhältnis zwischen Abgeordneten und Bürgern, in einer Zeit, in der auch infolge neuer, schneller und unmittelbarer Kommunikationswege der Wunsch nach direkterer Demokratie und Bürgernähe ebenso steigt wie die Erwartungen an die Volksvertreter.