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Wo ist mein Zuhause?

2. Januar 2010

Kinder, deren Eltern in internationalen Jobs arbeiten, ziehen oft um, lernen viele fremde Länder kennen. Wirklich beneidenswert ist das für sie allerdings nicht. Sie sind überall und nirgends so richtig zu Hause.

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Ein erleuchtetes Haus in der Dämmerung (Foto: HUF HAUS GmbH)
Bild: HUF HAUS GmbH

Kinder, die an vielen verschiedenen Orten aufwachsen, sind längst keine kleine Elite von reichen Botschafterkindern mehr. Durch die Globalisierung seien heute immer mehr Familien von häufigen Umzügen betroffen, sagt Angela Ittel, Professorin an der Technischen Universität Berlin. Es gebe eine "sehr rapide steigende Anzahl" von Familien, die sehr viel umherreisen. "Deshalb müssen wir genauer schauen, was das für eine Bedeutung für die Entwicklung hat für Kinder und Jugendliche, wenn sie diesen ständigen Kulturwechsel erfahren", sagt Ittel.

Prof. Dr. Angela Ittel, Institut für Erziehungswissenschaft, TU Berlin (Foto: Christina Neuhaus)
Angela Ittel sucht nach dem Zuhause der VielumzieherBild: DW

Sie hat in einer Studie 60 Betroffene aus 24 verschiedenen Nationen befragt, Kinder zwischen zwölf und 16 Jahren, die wegen der Berufe ihrer Eltern schon oft umziehen und in verschiedenen Ländern leben mussten. Sie wollte wissen, welchen Einfluss das auf ihr Leben hat. Und vor allem: wo sie sich eigentlich zu Hause fühlen.

Überall ein bisschen Heimat

Heraus kam, dass die meisten Kinder mit der Situation gut zurechtkommen. Sie finden schnell Freunde am neuen Wohnort und sind oft gut in der Schule. Allerdings haben sie einen ganz anderen Begriff von Heimat als die Kinder, die immer am gleichen Ort leben. Der Fachausdruck dafür heißt Third Culture Kids. Der Begriff steht laut Ittel für Kinder, die gar nicht erst versuchen, an jedem Wohnort heimisch zu werden. "Stattdessen finden sie ihre Heimat im ständigen Übergang, im ständigen Wechsel."

Tamara Khamis (Foto: Christina Neuhaus)
Tamara muss sich oft schnell neu einlebenBild: DW

Heimat überall ein bisschen. So geht es auch der 16-jährigen Tamara Khamis. Ihr Vater ist jemenitischer Diplomat. Tamara wurde in Jordanien geboren, lebte als Kind eine Weile im Jemen und zog später nach Großbritannien und Österreich. Zurzeit wohnt sie in Berlin. Sie sagt, technisch gesehen sei der Jemen ihre Heimat. "Aber ich habe in so vielen verschiedenen Städten gelebt, dass sich meine Heimat auf ganz viele Orte verteilt."

Erfahrungsaustausch ist wichtig

In Berlin fühlt sich Tamara wohl, und das liegt vor allem an der Schule, die sie besucht: "Die Leute hier wissen, was man erlebt und was für Erfahrungen man gemacht hat," sagt Tamara. Die Nelson-Mandela-Schule, die sie besucht, ist eine öffentliche, aber internationale Einrichtung. Viele von Tamaras Mitschülern stammen ebenfalls aus dem Ausland. Auch Angela Ittels Forschungsergebnisse zeigen, wie wichtig das schulische Umfeld für das Wohlbefinden der Third Culture Kids ist. Sie sagt, je bewusster die Schulen mit der Situation umgingen, desto leichter falle den Kindern die Integration. Auch ihre Noten seien dann besser.

Garten der Universität Cambridge (Foto: Ruth Rach)
Heute Cambridge, morgen Harvard? Nicht nur Bildungseliten ziehen heute oft um...Bild: Ruth Rach

In der Schule sollten deshalb die verschiedenen Lebenserfahrungen der Kinder thematisiert werden, rät Ittel – zum Beispiel, dass ein Mitschüler Deutsch noch nicht gut beherrscht, dafür aber andere Sprachen spricht. Lehrer sollten die Unterschiede erklären und nicht versuchen, die Kinder gleich zu machen. Gemeinsam haben sie nämlich nur eins: Sie haben schon in vielen Ländern gelebt und mussten sich dort immer möglichst schnell zurechtfinden und anpassen. Laufe es in der Schule dann gut, gehe es den Kindern mit ihrer besonderen Situation oft besser als ihren Eltern, sagt Angela Ittel. Manche Eltern kämen mit der Felxibilität ihrer Kinder nicht so gut zurecht. Sie fänden es "sehr befremdlich", wenn sich die Kinder im eigenen Heimatland nicht mehr unbedingt heimatlich fühlen.

Autorin: Christina Neuhaus
Redaktion: Marlis Schaum