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Wo der Arbeitgeber-Chef Chef ist

Godehard Weyerer4. November 2014

Seit nunmehr einem Jahr ist Ingo Kramer Chef der deutschen Arbeitgeber-Verbände. Kramer ist selbst Unternehmer, er leitet seit bald drei Jahrzehnten die Bremerhavener JHK-Gruppe.

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Ingo Kramer
Bild: picture-alliance/dpa

Im Bremerhavener Fischereihafen liegt festvertäut die 120 Meter lange Mary Arctica, ein Frachtschiff einer grönländischen Reederei. Die rotlackierte Bordwand , die aus dem Wasser ragt, das weiße Brückenhaus und die beiden Kräne an Bord werfen ihre Schatten auf das Firmengelände gegenüber der Kaje. An der Stirn der Stahlbauhalle steht in weißen, großen Buchstaben auf grünem Untergrund JHK - Johann Heinrich Kramer. Der Großvater des heutigen Firmeninhabers gründete das Unternehmen 1901. Ingo Kramer trat 1986 das Erbe an.

"Mein Großvater als Kupferschmied hat die Firma gegründet, als auf der Fischdampferflotte die Kältetechnik an Bord einzog. Kupfer war ein Werkstoff, den man sehr gut formen konnte beim Bau von Heiz- und Kälteschlangen." Sein Vater, erzählt Ingo Kramer, war ebenfalls Kupferschmiedemeister. Er selbst ist Wirtschaftsingenieur. Nach dem Studium arbeitete er für kurze Zeit bei Mannesmann und stieg Anfang der 80er Jahre in den Familienbetrieb ein.

Seit den 90er Jahren im Fischereihafen

Ingo Kramer verlässt das zweistöckige Verwaltungsgebäude, schreitet über das Firmengelände. Neben kleineren Lagerhallen stehen dort zwei große Montagehallen. "Seit den 90er Jahren sind wir an diesem Standort. Sie sehen Schiffe direkt an der Kaje, hier können wir auch die Vorteile nutzen, die der Standort Bremerhaven gegenüber anderen Standorten hat, eben am seeschifftiefen Wasser zu liegen."

Breit aufgestellt sei das Unternehmen. Nicht weniger als 21 Betätigungsfelder listet der Internetauftritt auf. Forschung und Entwicklung, Mess- und Fördertechnik, Schiffsbetriebstechnik, Industrieanlagenbau. Alle Felder, erläutert der Firmenchef, basieren auf die vier Kernbereiche Rohrleitungsbau, Stahlbau, Behälterbau und elektrotechnische Installation.

In der Montagehalle, die Ingo Kramer betritt und jeden Mitarbeiter mit Nachnamen begrüßt, werden Großbauteile bis zu 100 Tonnen vorgefertigt - zuletzt Komponenten für Windkraftanlagen, die nun vor Ort aufgestellt werden. "Dann ist hier Ruhe und das beruhigt mich sehr, weil ich weiß, wir haben viel zu tun."

Vor einem Jahr zum BDA-Präsident gewählt

300 Mitarbeiter arbeiten an drei Standorten. Am Hauptsitz hier in Bremerhaven sind es 120 Mitarbeiter, die gleiche Zahl ist am Standort in Ahlhorn südlich von Oldenburg beschäftigt, 60 sind es in Hamburg-Bergedorf. Der Umsatz schwankt stark, wie es für ein Unternehmen im Anlagebau nicht ungewöhnlich sei, merkt Ingo Kramer an. In einem Jahr seien es 70 Millionen Euro, in dem darauffolgenden 30 Millionen. "Ich habe das Glück, keine Quartalsberichte zum Maßstab meiner Entscheidungen machen zu müssen. Meine Aktionäre ist meine Familie." Ingo Kramer lacht, möchte aber nicht falsch verstanden werden.

Von börsennotierten Großunternehmen, die permanent unter Gewinndruck stehen, auf dem Finanzmarkt aber das nötige Kapital erhalten, um weltweit zu expandieren, würde auch der deutsche Mittelstand profitieren und somit die gesamte deutsche Wirtschaft, deren Wohlergehen ihm als Präsident der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände seit einem Jahr im besonderen Maße am Herzen liegt. Genug Zeit für den eigenen Betrieb bleibt da gleichwohl. Dank e-mail und Internet. "Ich nehme mir vor, ein bis zwei Tage im Schnitt für das Amt zur Verfügung zu stehen. Aber die anderen drei Tage damit auch fürs Unternehmen. Das geht im Schnitt auch auf."

Die nächste Generation wartet bereits

1901, als sein Großvater das Unternehmen gründete, lag das Tarifrecht, wie wir es heute kennen, noch in ferner Zukunft. Dass sich Arbeitergeber und Arbeitnehmer an einen Tisch setzen und unter weitegehendem Ausschluss staatlicher Vorgaben die Löhne eigenverantwortlich aushandeln, ist für Ingo Kramer das A und O der florierenden deutschen Wirtschaft in den zurückliegenden 60 Jahren. Umso unverständlicher für ihn, dass der Gesetzgeber nun den Mindestlohn über die Köpfe der Arbeitgeber hinweg bundesweit und in allen Branchen einführt.

Zunächst einmal steht die nächste Tarifrunde an. Da bleibt man dann unter sich, die Arbeitgeber und die Vertreter der Gewerkschaften, deren Bremerhavener Ortsverband dem Unternehmen des amtierenden Arbeitergeberpräsidenten ein vorbildliches Zeugnis in puncto Tarifbindung ausstellt. Und in den Startlöchern wartet auch schon die nächste, die vierte Generation. Und Ingo Kramer ist guter Dinge, dass der großväterliche Betrieb weiterhin in Familienhand bleibt. "Da alle Kinder eine mathematisch-naturwissenschaftliche Begabung haben, halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass der eine oder andere später auch in die Firma kommen wird."