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Ausstellung "Am Set"

26. Dezember 2011

"Paris - Babelsberg - Hollywood" - drei Filmzentren eroberten die Welt. Das Museum für Film und Fernsehen in Berlin blickt auf die Entstehungsgeschichte der siebten Kunst. Museums-Direktor Rainer Rother im DW-Gespräch.

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Kameramann Karl Freund (im weißen Kittel) dreht den Film 'Der letzte Mann' von F.W. Murnau in Berlin (Foto: Collection Cinémathèque française, Paris)
Dreharbeiten zu "Der letzte Mann" von F.W. MurnauBild: Collection Cinémathèque française

DW-WORLD.DE: Paris, Babelsberg und Hollywood sind drei berühmte Zentren des Films, schon von Beginn an in der Filmgeschichte. Lassen wir dem Ausland den Vortritt, fangen wir in Paris an. Welche Rolle hat Frankreich in den 1910er und 1920er Jahren gespielt?

Rainer Rother: Die französische Filmindustrie war ja mit einem Startvorteil ausgestattet. 1895 feierte man die Erfindung des Films in Frankreich. Das haben die Franzosen auch sehr gut genutzt. Das Studio Pathé war (zusammen mit Gaumont) bis 1914 eine der weltweit dominierenden Firmen. Man kann das auch an solchen Figuren wie Max Linder, einem der großen Filmkomiker, oder der berühmten Schauspielerin Sarah Bernhard festmachen. Und Frankreich hat auch 1908 schon begonnen, große Studios zu bauen, Glasstudios. Das hat sich dann nach dem Ersten Weltkrieg geändert. Da kamen dann die großen amerikanischen Studios in Kalifornien auf. Aber bis 1914 gehörte die französische Filmindustrie zu den Weltmarktführern.

Rainer Rother, Leiter der Deutschen Kinemathek (Foto: Berlinale)
Rainer RotherBild: Berliner Filmfestspiele

Prägende Figuren des Kinos

Nun kennt man, vielleicht auch als Nichtkinofachmann, die Erfinder des Kinos, die Brüder Auguste und Louis Lumière und Georges Méliès. Die Brüder stehen für die ersten dokumentarischen Filme, Méliès wird oft als "Erfinder" des Spielfilms gesehen. Waren das die beiden prägenden Säulen des Films in Frankreich?

Es gibt noch mehr Richtungen. Natürlich ging die Entwicklung des Films einerseits mit den Lumière-Brüdern ins Dokumentarische und mit Méliès ins Fantastische. Aber es gibt den Film d'Art (Kunstfilm), das heißt, die Versuche, den Film seriös zu machen, indem man Theaterschauspieler anheuerte und Theaterstücke verfilmte. Das begann auch in Frankreich. Es gab darüberhinaus ganz viele Filmgenres, die neu entwickelt wurden. Es gab die Vampir- und die Fantômasgeschichten. Die Serials (Filmserien mit mehreren Teilen), die unglaublich populär wurden und stilprägend waren. Und natürlich gab es dann auch die ersten Versuche, soziale Themen aufzugreifen, wie zum Beispiel im Film "La Roue" des Regisseurs Abel Gance (Die Geschichte eines Lokomotivführers, der ein Adoptivkind großzieht.). Es war eine sehr abwechslungsreiche, mächtige Filmindustrie, die da entstand und die damit auch weltweit Einfluss gewann.

Ursprünglicher Hollywoodland-Schriftzug in den Bergen (Foto: AP)
Hollywood hieß früher anders...Bild: AP

Hollywood setzte früh auf die Stars

Kommen wir nun zu Hollywood. Hollywood ist ja heute immer noch das mächtige Zentrum des Kinos. Auch wenn Bollywood (in Indien) mittlerweile mehr Filme produziert. Sie haben in der Ausstellung sehr schöne Schwarz-Weiß-Fotografien. Die strahlen eine unglaubliche Perfektion aus. War Hollywood schon von Anfang an so eine perfekte Filmmaschinerie, wie man sie heute noch kennt?

Eigentlich nicht, denn Hollywood beginnt im Vergleich zu den französischen Studios relativ spät. 1912 etwa entstanden dort die ersten Studios. Dann ging es aber unheimlich schnell. Das hängt damit zusammen, dass man mit 350 Sonnentagen pro Jahr werben konnte. Das war für die junge Filmindustrie unglaublich wichtig. Licht war ein Faktor, der gar nicht zu bezahlen war, so dass es zur Ansiedlung von immer mehr Studios kam.

Der berühmte Regisseur Mack Sennett und andere gingen nach Kalifornien. Es entstand dann dort die weltweit dominierende Filmindustrie. Das hängt auch damit zusammen, dass sich in Amerika sehr früh das Star-System durchsetzte. Man begriff, dass der Star nicht versteckt werden durfte, sondern in den Vordergrund gestellt werden musste, damit das Publikum in die Kinos kommt. Und es hängt damit zusammen, dass verschiedene populäre Genres entwickelt wurden. Der Western gehört dazu, der Kriminalfilm, die Komödie natürlich auch.

UFA Gelände in Neubabelsberg/Babelsberg 1927 (Foto: picture alliance)
Babelsberger Studios 1927Bild: picture alliance

Sprechen wir zum Schluss über Babelsberg. Man könnte ja denken, die Ausstellung ist in Deutschland, und deshalb schauen wir nicht nur auf Frankreich und in die USA, sondern auch auf das Heimatland. Aber die Ausstellung beachtet Babelsberg und das deutsche Kino wohl nicht nur deshalb, sondern, weil das deutsche Kino von Anfang an ganz groß mitgemischt hat!

1912 wird von dem Filmpionier Guido Seeber das erste ebenerdige Glasstudio in Deutschland gebaut, in Babelsberg. Das ist der Auftakt für eine wirkliche Erfolgsgeschichte. Als 1917 dann aus Gründen der Propaganda die Ufa gegründet wurde, der erste große deutsche Filmkonzern, und dieser sich in Babelsberg ansiedelte, begann tatsächlich auch das Studiosystem in Deutschland Fuß zu fassen.

Qualitätssiegel und Exportschlager

Es war ein System, das vor allem in den 1920er Jahren der Weimarer Republik international Furore machte, mit Regisseuren wie Fritz Lang, Friedrich Wilhelm Murnau, Georg Wilhelm Papst. Die verschiedensten Filmberufe blühten in Deutschland auf, was der Kinoindustrie zugute kam. Vor allem mit den Drehbüchern eines Carl Mayer und den Film-Architekturen von Leuten wie Erich Kettelhut entstand etwas, was stilbildend wurde. Die Art und Weise, wie am Set beleuchtet wurde, bei Murnau zum Beispiel, beeinflusste das Hollywood-Kino. Der US-Regisseur John Ford zum Beispiel war begeistert, versuchte das nachzustellen. Regisseure aus Deutschland wurden nach Amerika geholt. Ernst Lubitsch war der erste, der diesen Weg ging, Friedrich Wilhelm Murnau folgte später. Der deutsche Film wurde zu einem Qualitätssiegel und auch einem Exporterfolg.

Das Gespräch führte Jochen Kürten

Redaktion: Gudrun Stegen