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Politik

WM in Russland: Fan-Zone? Nicht mit uns!

Juri Rescheto Moskau
11. Juni 2018

Die größte Fan-Zone Russlands wurde am Wochenende vor der Moskauer Lomonossow-Uni eröffnet. Tausende Studenten protestierten dagegen. Einer ist ein besonders großes Risiko eingegangen, berichtet Juri Rescheto.

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Russland, Moskau: Studierende der  Lomonossow-Universität wehren sich gegen WM-Fieber
Bild: picture-alliance/dpa/C. Thaler

"Nein zur Fan-Zone": Dieser eher harmlos wirkende Spruch in Rot hätte Dmitrij Petelin beinahe die Freiheit gekostet. Der junge Philologie-Student der Moskauer Lomonossow-Universität hat ihn auf eines der Plakate geschrieben, die überall am Uni-Gelände hängen und Besucher aus aller Welt in die größte Fan-Zone Russlands einladen.       

Es dauerte nicht lange, da wurde das Plakat von den Veranstaltern entfernt und durch ein neues, "sauberes" ausgetauscht. Dmitrij Petelin bekam es zuerst mit der Polizei und dann mit der Staatsanwaltschaft zu tun: Er wurde wegen Vandalismus angeklagt. Dafür gibt es in Russland eine satte Geldstrafe, wahlweise viele Stunden gemeinnützige Arbeit oder aber - im schlimmsten Fall - bis zu drei Monate Gefängnis.  

"Wenn du Pech hast, landest du im Knast"

"Schauen Sie nach rechts": Dmitrij Petelin zeigt auf das denkmalgeschützte Hauptgebäude seiner Elite-Uni an den Sperlingsbergen (Worobjowy-Gory), die zu den markantesten Wahrzeichen Moskaus gehören. "Hier lernen und leben Studenten. Hier sind Vorlesungsräume und Studentenwohnheime untergebracht, in denen die Studenten sich auf ihre Sommer-Prüfungen vorbereiten müssen. Und jetzt schauen Sie nach links, hier sollen 25.000 Fußball-Fans grölen." 

Russland Fußball Dmitrij Petelin
Petelin: "Die Polizisten übten psychologischen Druck aus"Bild: DW

Dazwischen liegen nur 300 Meter. Zu wenig für Petelin und seine 15.000 Mitstreiter, Kommilitonen und Dozenten, die einen Online-Aufruf starteten, um gegen die Fan-Zone zu protestieren. Wochenlang machten sie ihre Universitätsführung auf die mutmaßliche Zerstörung historischer Architekturelemente des weltberühmten Universitäts-Ensembles im "Zuckerbäcker"-Stil aufmerksam, sowie auf die befürchtete Vernichtung der Bäume und Pflanzen im Park, der in der Nähe liegt, einer grünen Oase mit einer einzigartigen Flora und Fauna mitten in Moskau. Doch die Versuche waren vergeblich. Da griff Dmitrij Petelin in einer Nacht zur Farbe und pinselte seine ganze Wut in drei Worten auf ein Plakat. Mit bekannten Folgen: Schon am nächsten Morgen warteten Polizisten vor der Haustür auf ihn, er musste sein Handy abgeben und aufs Polizeirevier mitkommen. "Sie behandelten mich ordentlich, ohne physische Gewalt, aber sie übten psychologischen Druck aus. Wenn du Glück hast, sagten sie, fliegst du von der Uni, wenn du Pech hast, landest du im Knast", sagt Dmitrij Petelin im Gespräch mit der DW.

Der Fall wurde zum Politikum

Zwar durfte der Student nach dem Verhör wieder nach Hause, aber die Ermittlungen liefen an. Die Reaktion der Behörden auf die Beschädigung eines offensichtlich nicht ganz so teuren Plakats war hart. So hart, dass sich die lokale und internationale Presse auf den Fall stürzte und die ganze Sache zu einem Politikum machte. Auf die DW-Anfrage zu den Studentenprotesten antwortete die Lomonossow-Universität schriftlich: "Die Universitätsführung hat Maßnahmen ergriffen, um Unannehmlichkeiten durch die Unterbringung der anliegenden Fan-Zone zu minimieren." Gemeint sind 300 Meter Entfernung zum Hauptgebäude. Ursprünglich sollte die Fan-Zone wohl noch näher sein.   Als der Fall des Studenten sogar jenseits der Grenzen Russlands bekannt wurde, dämmerte es den Behörden, dass sie offenbar über das Ziel hinaus geschossen hatten.

Rektor setzt sich für Petelin ein

Erst setzte sich der Rektor der Lomonossow-Universität Wiktor Sadownitschij für den Studenten Dmitrij Petelin ein, und bat den stellvertretenden Innenminister Russlands Alexander Gorowoj, den "Bösewicht" nicht zu bestrafen: "Angesichts der Tatsache, dass diese Tat durch einen Studienanfänger ausgeübt wurde, der ansonsten fleißig im Lernen ist, bitte ich Sie, die Möglichkeit einer Nichtanwendung juristischer Schritte gegen ihn in Betracht zu ziehen", schrieb er in seinem Beamten-Russisch. Er hat darüber hinaus versichert, dass im Fall des Studenten Petelin "aufklärende Maßnahmen prophylaktischer und erzieherischer Art" durchgeführt wurden.

Dann kam schließlich die Nachricht, dass die Staatsanwaltschaft ihre Anklage zurückzog. Petelin ist mit einem Schrecken davongekommen. "Und wie geht es weiter?" fragte die DW Petelins Mitstreiter von der "Initiativgruppe" der Unzufriedenen. "Es kommt jetzt ganz auf die Fans und ihr Benehmen an", lautete die Antwort.  

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Juri Rescheto Chef des DW-Büros Riga