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WM für Besser-Verdienende

Oliver Samson4. Juni 2002

Die WM bringt der darbenden Reisebranche keinen Aufschwung. Für die meisten Fans ist der Trip nach Fernost schlicht zu teuer.

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Teure WM in Japan: Deutsche Fußballfans bleiben lieber zu HauseBild: AP

Wann hat man dies zuletzt bei Fußballweltmeisterschaften gesehen? Gut 10 000 Plätze waren beim Auftaktspiel der deutschen Mannschaft gegen Saudi-Arabien leer geblieben, bei fast allen bisherigen Vorrundenspielen waren die Kassenhäuschen noch bis kurz vor dem Anpfiff geöffnet.

Und das nicht nur, weil das Karten-Verkaufssystem nicht funktioniert ... Eine Reise in den Fernen Osten gehört anscheinend selbst für den harten Kern der Anhänger nicht zum Pflichtprogramm – dabei hätte ein Massenaufbruch gen Fernost der darbenden Reisebranche so gut getan.

Konzentrationsprozess in der Touristik-Industrie

Vor allem die selbstständigen deutschen Reisebüros leiden derzeit massiv unter der Krise der gesamten Touristik-Industrie. Bundesweit war deren Umsatz im letzten Jahr um satte fünf Prozent auf 23,8 Millarden Euro zurückgegangen. Ein Rückgang, der sich zum Teil auf die Folgen der Terroranschläge vom 11. September zurückführen lässt, aber auch die gegenwärtige Konjunkturflaute senkte der Deutschen Reiselust. Der massive Umsatzrückgang beschleunigt einen seit Jahren zu beobachtenden Konzentrationsprozess: Nach einer unlängst veröffentlichten Studie der Hamburger fachzeitschrift fvw international arbeitet 2001 nur noch jedes zehnte der insgesamt 13700 Büros selbstständig – vor vier Jahren war dies noch fast jedes fünfte.

Die restlichen Büros arbeiten in Kooperationen oder im Franchise-System mit mit einem der großen Reisekonzerne Preussag, Thomas Cook und Rewe Touristik, wenn sie nicht ohnehin den Marktführern selbst gehören.

Schlecht für die unabhängigen Reisebüros: Vom immer noch boomenden Markt der Fußballreisen möchten auch die Sportverbände selbst profitieren. Die DFL gründete gerade ein eigenes Reisebüro für Vereine, Offizielle und Fans, der DFB kooperiert bei Reisen von und zu der Nationalmannschaft mit seit geraumer Zeit mit Euro Llyod.

Wenig Interesse an WM-Reisen

Reißenden Absatz fanden die hier feilgeboteten Reisepakete zur WM nicht gerade. Geschätzte 1000 deutsche Fußballfernreisende sahen das historische 8:0 gegen Saudi-Arabien vor Ort, gegen Irland werden es am Mittwoch nicht wesentlich mehr sein. Die Erwartungen an die deutsche Mannschaft waren zu niedrig, die Preise für den Normalverdienenden Fußballfan zu hoch. Bis zu 11 000 Euro kostete eine gekoppelte Kultur- und Fußballreise zu den Vorrundenspielen der deutschen Mannschaft. Ein Preis, der sich durch mühevolles Selbstbuchen von Flügen, Hotels und Tickets via Internet natürlich drücken ließ, für unter 3000 Euro ist aber kaum etwas zu machen.

Und so haben sich etwa bei Vieten-Tours gerade einmal 220 Interessenten für die Fußball-Reise nach Asien gefunden. "Während der WM 1994 in den USA haben wir noch 2150 Fans betreut", erinnert sich Reiseleiter Friedrich Völlmecke an bessere Zeiten. Kein Einzelfall: "Bei der Konkurenz sieht es ganz ähnlich aus."

Wenig Möglichkeiten für Kurzentschlossene

Manche, denen die Reise bisher zu teuer war, dürften sich nach dem verheißungsvollen Turnier-Auftakt inzwischen ärgern, doch nicht das Sparschwein geschlachtet, das Konto geplündert, die Hypothek aufgenommen zu haben. Die beim DFB-Büro inzwischen verstärkt anfragenden Kurzentschlossenen haben Pech: Die wegen des geringen Interesses nicht verkauften Tickets befinden sich längst wieder bei der FIFA in Japan. Bleibt noch die Möglichkeit, einen Flug zu buchen und vor Ort auf weiterhin geöffnete Kassenhäuschen zu spekulieren. Ganz billig wird diese Variante auch nicht. Die günstigste Karte für ein Vorrundenspiel liegt bei 75 Euro. Karten für Halbfinalspiele sind für 623 Euro zu haben.

Low-Budget auf dem Landweg

Carlo Farang hat sich daher nur für den Besuch eines Vorrundenspiels entschlossen. Über viele Jahre hat er Stadionbesuche auf allen Kontinenten zu seinem Lebensinhalt gemacht und ist damit unter Fußballfans zur Legende geworden. Viel Geld konnte er dafür nie ausgeben und seine Variante zur deutschen Mannschaft zu kommen dürfte dann auch unschlagbar billig, wenn auch nicht gänzlich unstrapaziös sein: Mit zwei Kumpanen machte er sich per Bus und transsibirischer Eisenbahn auf den Weg. Für Last-Minute-Interessierte ist diese Alternative aber auch nur bedingt empfehlenswert: Farlang veranschlagte drei Wochen reine Anreisezeit.

Nachahmer hätten dann aber zumindest noch die Chance zum Halbfinale vor Ort zu sein. Dann aber nichts wie los ins Reisebüro: Auch Bahn- und Bustickets wollen gebucht sein!