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Bilanz Frauen-WM

17. Juli 2011

Die WM in Deutschland war Werbung für den Frauenfußball, mit bis zu 18 Millionen TV-Zuschauern und vollen Stadien. Nur schwache Schiedsrichterinnen und gedopte Nordkoreanerinnen trübten das Bild.

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Fans freuen sich am beim Public Viewing in Frankfurt am Main (Foto: dpa)
Bild: picture alliance / dpa
WM-Eröffnungsfeier in Berlin (Foto: dpad)
WM-Eröffnungsfeier in BerlinBild: dapd

Drei Wochen lang hat die Frauen-Fußball-WM die deutschen Fans in Atem gehalten – zumindest in den Stadien und vor den TV-Geräten. Schon beim Eröffnungsspiel in Berlin sorgten 74.000 Zuschauer für eine europäische Bestmarke. Überhaupt war die familiäre Stimmung in den WM-Arenen zumeist prächtig und die Begeisterungswelle "La Ola" funktionierte fast immer. Beeindruckend auch: Auf die größte Fanmeile in Frankfurt am Main strömten allein zum deutschen Viertelfinale 17.000 Menschen. Erst nach der gescheiterten deutschen Titel-Mission schwächelte die Atmosphäre in den Stadien und beim Public Viewing. Auf hohem Niveau blieben aber bis zum Schluss die TV-Einschaltquoten. Auch die Presse berichtete weiter in großer Aufmachung. Ganz klar: Die WM war ein nationales Medienereignis und ein riesiges Familienfest in den Stadien, die zu 86 Prozent ausgelastet waren.

Perfekt war die Organisation dieser ersten Frauenfußball-WM in Deutschland. Präsidentin Steffi Jones und ihr WM-OK zeigten einmal mehr: Deutsche können Sportgroßveranstaltungen hervorragend organisieren, auch wenn diesmal ein zweites Sommermärchen ausgeblieben ist.

Libero und hohe Bälle

Deutschlands Kerstin Gareferekes (M.), im Kampf um den Ball mit Japans Azusa Iwashimizu (l.) und Aya Miyama (Foto: dapd)
Deutschlands Aus gegen JapanBild: dapd

Wie schon bei den Herren rückt die Fußballwelt enger zusammen. Zumeist ging es in den Spielen knapp zu, das Niveau war recht ausgeglichen, Schützenfeste wie noch bei der WM 2007 blieben gänzlich aus. Die WM war aber auch torärmer. Und waren bisher allein Deutschland, die USA, Brasilien sowie Schweden und Norwegen dominant, so gehören jetzt auch Japan, Frankreich und England zur absoluten Weltspitze.

Taktisch gesehen spielten fast alle Mannschaften im 4-4-2-System. Neuerungen waren eher nicht zu erkennen, im Gegenteil: Brasilien agierte zumeist mit einem klassischen Libero hinter der Abwehr. Ausgezahlt hat sich diese unmoderne Spielweise nicht. Und auch das deutsche Team wirkte zuweilen altmodisch: Immer wieder lange, hohe Bälle nach vorn wie im Viertelfinale gegen Japan waren nicht von Erfolg gekrönt. Was die Technik angeht, brillierten vor allem die Spielerinnen aus Brasilien, Frankreich und Japan. Und über Fitness sowie Ausdauer verfügen mittlerweile nahezu alle Mannschaften. Deutlich zugenommen haben übertriebene Härte in den Zweikämpfen und unschöne Zeitschinderei. Hier haben sich die Frauen deutlich den Herren angepasst.

Siegeswillen und Ballstafetten

US-Spielerinnen freuen sich über den Sieg über Brasilien nach Elfmeterschiessen (Foto: AP)
US-amerikanischer JubelBild: AP

Nicht zufällig standen sich Japan und die USA im Finale gegenüber. Es waren die besten Teams des Turniers. Die US-Girls überzeugten mit mentaler Stärke, unbändigem Einsatz und Siegeswillen. Im Viertelfinale gegen Brasilien demonstrierten sie zudem den amerikanischen Geist, niemals aufzugeben.

Den weitesten Schritt nach vorn hat Japan gemacht. Die Asiatinnen glänzten mit mannschaftlicher Geschlossenheit und technischer Extraklasse. Gegen überforderte Schwedinnen im Halbfinale waren sogar Kombinationsfußball und Ballstafetten zu sehen - im Frauenfußball bisher eher selten.

Brasilien kam wie Deutschland nicht über das Viertelfinale hinaus, trotz einer überragenden Marta. Die fünfmalige Weltfußballerin schoss zwar vier Tore, sie wirkte oft aber arrogant und agierte wie eine Fußballdiva. Vielfach wurde die 25-Jährige vom Publikum sogar ausgepfiffen.

Zu hoher Erwartungsdruck

Die deutsche Mannschaft scheiterte an der großen Erwartungshaltung. Der dritte WM-Titel in Folge sollte her, das Interesse der Medien und der Fans waren enorm. Der Faktor Heim-WM wurde somit aber zur Belastung. Das Team wirkte nicht als Einheit und agierte ängstlich. Auch spielerisch war keine Weiterentwicklung zu erkennen. Rekordnationalspielerin Birgit Prinz steckte ausgerechnet zum Ende ihrer Karriere in der Nationalelf in einer Formkrise.

Birgit Prinz (3.v.l.) auf der Ersatzbank und Bundestrainerin Silvia Neid (r.) (Foto: dpa)
Es war nicht die WM der Birgit Prinz (3.v.l.) - Bundestrainerin Silvia Neid (r.) setzte sie kaum einBild: picture-alliance/dpa

Welttrainerin Silvia Neid stand wegen falscher Wechsel, falscher Taktik und mangelnder Kommunikation nicht zu Unrecht in der öffentlichen Kritik. Auch ihre monatelange Vorbereitung mit dem Team blieb erfolglos. Dennoch: Die DFB-Auswahl ist relativ jung, hat ein Durchschnittsalter von 26 Jahren. Das macht Hoffnungen auf eine erfolgreichere EM in zwei Jahren in Schweden, wenn der öffentliche Druck nicht mehr so stark sein dürfte.

Die WM-Flops

Die WM hatte auch ihre Schattenseiten. Erst wurde eine Kolumbianerin positiv auf Doping getestet, dann erwischte es fünf Nordkoreanerinnen. Nach dem letzten Gruppenspiel des Asienmeisters gegen Kolumbien musste die ganze Mannschaft zur Dopingkontrolle - einmalig bei Weltmeisterschaften.

Ungarns Schiedsrichterin Gyoengyi Gaal (Foto: dpa)
Schiedsrichterin Gyoengyi GaalBild: picture-alliance/dpa

Enttäuschend waren viele Schiedsrichterleistungen. Oftmals wurden böse Fouls nicht geahndet. Und Ungarns Schiedsrichterin Gyoengyi Gaal fällte eine eklatante Fehlentscheidung, als sie das sekundenlange Handspiel einer Spielerin von Äquatorialguinea übersah. Auf hohem Niveau pfiff die deutsche Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus, die auch das WM-Finale leiten durfte.

Unter keinem guten Stern stand die WM für Torhüterinnen. Immer wieder patzten die Keeperinnen. Manchmal lag es aber einfach auch nur an der fehlenden Körperlänge.

Frauenfußball hat sich etabliert

Der Frauenfußball hat durch diese WM einen weiteren Schub erhalten und dürfte noch mehr Mädchen zum Fußball bringen. Die Gesichter und Namen der Nationalspielerinnen sind jetzt auch einer breiteren Öffentlichkeit präsent. Eher zweifelhaft ist allerdings, ob die Frauen-Bundesliga künftig mehr Zuschauer anziehen wird. In der vergangenen Saison kamen im Schnitt nur etwa 900 Fans zu einem Spiel. Die Liga muss professionalisiert und damit stärker, ausgeglichener und attraktiver werden.

Autor: Arnulf Boettcher
Redaktion: Stefan Nestler