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Wirtschaftskrise als Chance für Entwicklungsländer

Christine Harjes4. Mai 2009

Mit der Wirtschaftskrise gehen die Hilfszahlungen für Entwicklungsländer zurück. Die UN warnt vor einem massiven Absinken der Entwicklungshilfe. Die weltweite Krise bietet für Afrika aber auch Chancen.

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Die UN rechnet mit starken Einbrüchen bei der EntwicklungshilfeBild: AP

Auf dem Papier sah es schon immer besser aus als in der Realität. In ihrem 2005 verabschiedeten Stufenplan hatten sich die 15 wohlhabendsten Länder der Europäischen Union vorgenommen, bis zum Jahr 2010 0,51 Prozent ihres Bruttosozialproduktes an Entwicklungshilfe zu zahlen. Bis zum Jahr 2015 sollten es sogar 0,7 Prozent sein. Doch schon lange vor der Wirtschafts- und Finanzkrise war klar, dass diese Zusagen nicht eingehalten würden. Die Krise bedroht nun noch mehr die versprochenen Zahlungen an die Armen. Bei einigen Ländern, wie zum Beispiel Frankreich und Deutschland, ist noch unklar, ob und inwieweit sie ihre Entwicklungshilfe kürzen werden, doch andere haben schon deutliche Reduzierungen angekündigt. "Das ist an erster Stelle Italien, das keine Verschuldungsspielräume mehr hat und deshalb auch schon relativ frühzeitig angekündigt hat, dass es sein Ziel nicht erreichen wird", sagt Peter Wolff, Leiter der Abteilung Weltwirtschaft und Entwicklungsfinanzierung beim Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE). Die Zahlungen werden gekürzt. Auch Großbritannien könne die versprochenen Zahlungen nicht leisten, sagt Wolf. "Großbritannien hatte sich sehr ambitionierte Ziele gesetzt: Nämlich das 0,7-Prozent-Ziel schon bis 2010 zu erreichen." Das sei bei der wirtschaftlichen Lage derzeit nicht mehr vorstellbar, sagt der Experte für Entwicklungspolitik.

Ausgleich unwahrscheinlich

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Die Weltbank bekommt Geld aus älteren ZahlungszusagenBild: picture-alliance/dpa

Dass die Kürzungen bei einigen Ländern durch eine gemeinschaftliche Anstrengung der Europäischen Union insgesamt wieder ausgeglichen werden könnten, glaubt Wolff nicht: Das sei eher unrealistisch, weil alle Länder von der Krise betroffen seien. "Und man kann sich nicht vorstellen, dass die Länder, die ohnehin schon vom Prozentsatz her relativ hoch liegen - zum Beispiel die Niederlande, Schweden oder Dänemark - dass die für so große Länder wie Deutschland, Frankreich, Großbritannien einspringen könnten", sagt Wolff. "Aber alle EU-Länder zahlen auch in die multilateralen Institutionen wie die Weltbank oder die Afrikanische Entwicklungsbank ein." Und diese hätten noch aus älteren Zusagen in den letzten Jahren deutliche Erhöhungen bekommen. Sie hätten Mittel zur Verfügung, die vor allem für die afrikanischen Länder in kurzer Frist in den kommenden drei Jahren auch eingesetzt werden könnten, erklärt Wolff. "Insgesamt wird also, wenn man nicht nur die EU sieht, sondern wenn man auch die multilateralen Institutionen dazu nimmt, die Hilfe für Afrika voraussichtlich nicht abnehmen. Das ist, bei allen schlechten Nachrichten, noch die relativ positive Nachricht, die man geben kann."

Umschichtungen möglich

Wolff hält auch Umschichtungen der Entwicklungshilfe für wahrscheinlich – etwa indem weniger Gelder an bislang große Empfänger wie Indien oder Indonesien gezahlt werden, zugunsten der allerärmsten Länder. Möglicherweise komme man den Afrikanern von seiten Europas nun auch bei den geplanten Handelsabkommen entgegen – eben weil die Zusagen im Rahmen der Entwicklungshilfe nicht mehr eingehalten werden können, so Wolff.

Symbolbild Preis für Öl steigt auf neue Rekordhöhe
Einbußen durch gestiegene RohstoffpreiseBild: picture-alliance/ dpa

Trotzdem bleibt unterm Strich die Erkenntnis: Eigentlich hätten die Entwicklungshilfezahlungen nicht gekürzt, sondern über den Stufenplan hinaus noch weiter deutlich erhöht werden müssen, um den Kampf gegen die Armut in der Welt überhaupt erfolgreich führen zu können. Denn den Entwicklungsländern sind durch die Krise, etwa durch gestiegene Rohstoffpreise und Handelseinbußen, finanzielle Lücken entstanden – der Bedarf an Hilfe ist gewachsen.

Rückgang der Rücküberweisungen

Thilo Hoppe, Abgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen und Vorsitzender des Bundestagsauschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, macht noch auf ein weiteres Problem aufmerksam, das durch die Krise entstanden ist: "Was man völlig unterschätzt hat, sind die Rücküberweisungen. Es gibt viele Länder, bei denen 20 bis 30 Prozent des Bruttonationalprodukts aus den Rücküberweisungen von Wanderarbeitern oder Gastarbeitern bestehen, die in anderen Ländern tätig sind. Und da gibt es für einige Länder einen Rückgang von bis zu 50 Prozent."

Trotzdem: DIE-Experte Wolff dagegen sieht in der Krise durchaus auch eine Chance für eine Umorientierung im Kampf gegen Armut und Hunger: "Auch in den armen Ländern kann noch vieles getan werden, um die eigenen Finanzmärkte und Kapitalmärkte, die eigenen Ersparnisse, das eigene Kapital, besser zu mobilisieren und zu nutzen." Auch durch Kooperation zwischen den afrikanischen Ländern müsse sich verbessern, sagt Wolff. "In der Finanzkooperation muss mehr getan werden, um das, was in Afrika an Kapital vorhanden ist, was aber zum Teil auch aus Afrika über lange Zeit abgeflossen ist, in Afrika zu halten und dort zu investieren."

Autorin: Monika Högen

Redaktion: Christine Harjes