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"Wirtschaftliche Entwicklung an erster Stelle"

Das Interview führte Mathias Bölinger9. April 2009

Bei der Parlamentswahl in Indonesien hat die Partei von Präsident Yudhoyono ersten Prognosen zufolge die Nase vorn. Darüber sprach DW-WORLD.DE mit Jürgen Rüland, Südostasien-Experte an der Universität Freiburg.

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Präsident Yudhoyono mit Frau (Foto: AP)
Präsident Yudhoyono und seine Frau bei der StimmabgabeBild: AP

DW-WORLD.DE: Herr Rüland, das Endergebnis der Wahlen wird im Mai erwartet. Wie zuverlässig sind die derzeitigen Prognosen?

Die Prognosen sind nicht allzu zuverlässig. Überhaupt ist es schwer, in einem Land mit 17.000 Inseln repräsentative Befragungen durchzuführen, man muss in diesem Kontext immer mit erheblichen Fehlerquellen bei den Vorhersagen rechnen. Dennoch denke ich, dass der generelle Trend sich bestätigen wird. Die Demokratische Partei von Präsident Yudhoyono, die Partei der ehemaligen Präsidentin Megawati Sukarnoputri und die Golkar-Partei (des 2008 verstorbenen langjährigen Diktators Suharto) werden am Ende wohl die Nase vorn haben.

Indonesien ist das größte muslimische Land der Welt. Trotzdem scheinen islamische Parteien bei Wahlen keine großen Erfolgschancen zu haben. Woran liegt das?

In den letzten Jahren war es eigentlich immer so, dass die islamischen Parteien zwischen 35 und 40 Prozent der Stimmen gewinnen konnten. Das gilt für die gesamte Geschichte freier Wahlen in Indonesien inklusive des Urnengangs von 1955. Die aktuellen Prognosen scheinen aber darauf hin zu weisen, dass der Anteil dieses Mal etwas geringer ist. Das hat sicherlich auch etwas mit den terroristischen Aktivitäten in Indonesien in der jüngeren Vergangenheit zu tun. Diese Entwicklung hat viele Muslime von einer strikten Islamauslegung abgeschreckt.

Auf die Parlamentswahl folgt im Juli direkt auch die Präsidentenwahl. Ist es in der kurzen Zeit dazwischen überhaupt möglich, eine Regierung zu bilden?

Wir haben es hier mit einem Präsidialsystem zu tun, das nach anderen Mechanismen funktioniert als parlamentarische Systeme, in denen eine Regierungsbildung absolut notwendig ist. Trotzdem scheint mir die Übergangszeit - bis ein neuer Präsident im Amt ist und auch ein Regierungsprogramm auf die Agenda setzen kann - sehr lang. Insofern muss man schon mit einer Phase politischer Stagnation rechnen. Andererseits zeigt die Erfahrung aus der Vergangenheit, dass das Parlament gerade in diesen letzten Monaten noch einmal sehr aktiv wird und beispielsweise versucht, Gesetze, die bisher nicht verabschiedet worden sind, noch vor Ende der Legislaturperiode durchzubringen.

Was werden die wichtigsten Themen für das neue Parlament und die neue Regierung sein?

Da gibt es einige Schwerpunkte, beispielsweise die Konsolidierung des Demokratisierungsprozesses. Dabei muss es auch darum gehen, eine zweite Generation von Reformen im Bereich der zivil-militärischen Beziehungen voranzubringen. Auf diesem Gebiet herrscht seit einigen Jahren Stillstand. Es geht um die Militärgerichtsbarkeit - darum, dass Soldaten, die sich außerhalb des militärischen Disziplinarbereichs schuldig nachen vor Zivilgerichte gestellt werden können. Und dann gilt es natürlich auch, den wirtschaftlichen Aufschwung zu konsolidieren. Indonesien leidet selbstverständlich auch unter der weltweiten Finanzkrise, gleichwohl hat es nach einer sehr langen Phase der wirtschaftlichen Stagnation im Gefolge der Asienkrise in den vergangenen Jahren wieder recht beachtliche Zuwachsraten erzielen können. Diese tragen auch dazu bei, dass bei den ärmeren Schichten des Landes mehr Geld ankommt und damit ein allgemeine Wohlstands-Steigerung feststellbar ist. Diese positive Entwicklung muss vorangetrieben werden, auch unter den momentan erschwerten Rahmenbedingungen.

Jürgen Rüland ist Politik-Wissenschaftler und Indonesien-Experte an der Universität Freiburg