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Wird Marokkos König plötzlich zum Reformer?

10. März 2011

In einer Fernsehansprache hat Marokkos König Mohammed VI. eine umfassende Verfassungsreform angekündigt. Damit reagiert er auf zentrale Forderungen der Demonstranten. Nimmt das den Druck von der Straße?

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König Mohammed VI. steht vor einem goldenen Stuhl. Neben ihm stehen sein Sohn Moulay El Hassan und sein Bruder Prinz Moulay Rachid (Foto: ap)
König Mohammed VI. mit seinem Sohn und seinem Bruder nach der FernsehanspracheBild: AP

Wie Marokkos König Mohammed VI. am Mittwochabend (09.03.2011) in der Fernsehansprache ankündigte, soll die Stellung des Premierministers und der politischen Parteien gestärkt werden. Auch das ist eine zentrale Forderung der Demonstranten. Seit dem 20. Februar protestieren sie zu Zehntausenden für mehr Demokratie. Nun scheint sich etwas zu bewegen.

König Mohammed VI. ein Reformer?

Demonstranten halten ein großes Transparent hoch mit der Aufschrift "People want Change" (Foto: ap)
Demonstration für den Wandel am 20. Februar 2011 in RabatBild: AP

Mittwoch abend, 20 Uhr Ortszeit - im marokkanischen Fernsehen erklingt die Nationalhymne. Im dunklen Anzug blickt König Mohamed VI. steif und mit ernster Miene in die Kameras. Eine der seltenen königlichen Ansprachen - etwas Großes liegt in der Luft. Dann legt er los: "Die Verfassungsreform, die wir heute ankündigen, ist ein wichtiger Meilenstein auf unserem Weg der Demokratie. Diesen Weg verfolgen wir konsequent mit umfassenden politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Reformen. Die Institionen, der Rechtsstaat, die gute Regierungsführung sollen dabei besonders berücksichtigt werden. Ich will diese Reform - und Gott möge mir dabei helfen."

Eine faustdicke Überraschung: Der König gibt den forschen Reformer, will mehr Demokratie wagen. Eine Kommission soll eine neue Verfassung ausarbeiten und die Wähler sollen später darüber abstimmen dürfen. Und das ist noch nicht alles. Künftig soll nach Wahlen die stärkste Partei im Parlament den Ministerpräsidenten nominieren. In westlichen Demokratien selbstverständlich. In Marokko aber bisher ein Privileg des Monarchen, der in der Politik das letzte Wort hat.

Beifall von allen Seiten

Demonstranten stehen vor brennenden Barrikaden (Foto: ap)
Bei den Demonstrationen am 20. Februar kam es auch zu Ausschreitungen - wie hier in MarrakeschBild: dapd

Zineb El Rhazoui traut ihren Ohren nicht. Hat Mohammed VI. tatsächlich von Dezentralisierung gesprochen, von persönlichen Freiheiten, von politischer Teilhabe, von unabhängiger Justiz? Das hätte die Aktivistin nicht zu hoffen gewagt – seit Jahren gilt die junge Marokkanerin als eine der schärfsten Kritikerinnen des Monarchen. "Das war die erste echte Rede des Königs als Staatsmann, als wahrer Reformer. Politisch gesehen war es ein Donnerschlag. Der König hat alle wichtigen Forderungen der jungen Marokkaner angesprochen - das ist ein Sieg für alle, die mutig auf die Straße gegangen sind, um für ihre Rechte zu kämpfen!" sagt sich Zineb El Rhazoui.

Beifall für den König kommt aus dem gesamten politischen Spektrum. Der Chef der Islamistenpartei PJD nimmt nach der royalen Ansprache sogar das Wort Revolution in den Mund. Soweit will Zineb El Rhazoui dann doch nicht gehen. "Der König hatte keine andere Wahl. Er musste einfach auf diese Forderungen reagieren. Das Regime stand unter Druck. Wenn Mohamed VI. es ehrlich mit uns meint, wenn er nun persönlich darüber wacht, dass die Reformen auch durchgeführt werden, dann werte ich das als Zeichen seiner politischen Weisheit. Es war an der Zeit, uns zu zeigen, dass er unsere Probleme ernst nimmt", erklärt Zineb El Rhazoui.

Demonstrationen gehen trotzdem weiter

Doch so wie viele junge Marokkaner will auch Zineb El Rhazoui weiter auf die Straße gehen, genau hinschauen, ob sich wirklich etwas tut. Ob Marokko nun zu einer konstitutionellen Monarchie werden wird, so wie Spanien oder Großbritannien, muss sich noch zeigen.

Auf jeden Fall habe der König mit seiner Rede dafür die Weichen gestellt – und auch seine eigene Position in einem neuen Marokko gefestigt, glaubt Abdelhamid Amin von der marokkanischen Menschenrechtsorganisation AMDH: "Es könnte tatsächlich so sein, dass die Mächtigen hier sozusagen eine historische Intelligenz beweisen. So etwas gibt es selten, aber es scheint nun möglich. Ich hoffe jedenfalls, dass auch hier in Marokko der Jasmin blühen wird, und noch alle möglichen anderen Blumen!" Damit spielt Amin auf die Jasminrevolution Ende 2010/Anfang 2011 an, die zum Sturz des tunesischen Diktators Ben Ali geführt hat. Wie weit die Parallelen gehen werden, hängt letztendlich nicht von den Worten, sondern von den Taten von König Mohammed VI. ab.

Autor: Alexander Göbel
Redaktion: Marco Müller