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Stoppt Richterspruch das Referendum?

3. Juli 2015

Alle blicken gespannt auf das Referendum zur Sparpolitik in Griechenland. Das griechische Volk ist gespalten. Doch ob es tatsächlich zu dem umstrittenen Votum kommen kann, muss Griechenlands Justiz heute entscheiden.

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Griechenland Pro-europäische Kundgebung
Bild: Reuters/S. Rapanis

Findet das Referendum in Griechenland wie geplant am Sonntag statt? Griechenland höchstes Verwaltungsgericht, der Staatsrat, berät am Freitag über die Rechtmäßigkeit des von der Regierung angesetzten Referendums über die Gläubiger-Forderungen. Gegen die für Sonntag geplante Befragung haben zwei Privatpersonen Einspruch eingelegt, wie aus Athener Justizkreisen verlautete. Die Antragsteller fordern demnach die Annullierung des Referendums. Ihrer Argumentation zufolge verstößt die Abhaltung gegen die Verfassung, weil nicht über Fragen der "öffentlichen Finanzen" abgestimmt werden dürfe. Griechische Verfassungsrechtler rechnen damit, dass der Staatsrat die Klage abweist.

Griechenlands Regierung hofft auf ein "Nein"

Ungeachtet dessen beschreiben Gegner und Befürworter eines strikten Sparkurses immer drastischer mögliche Folgen des Votums am Sonntag.

Die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras hofft auf ein "Nein" des griechischen Volkes. Finanzminister Yanis Varoufakis hatte seine politische Zukunft mit dem Referendum verknüpft: Er kündigte an, er wolle von seinem Amt zurücktreten, falls die Griechen mehrheitlich "Ja" sagen zu den Sparforderungen der Geldgeber.

Unabhängig von dem Ausgang des Referendums rechne er aber in jedem Fall mit einer Einigung mit den internationalen Gläubigern. "Eine Einigung wird erzielt", sagte Varoufakis dem britischen Sender BBC. "Egal ob an den Urnen ein 'Ja' oder ein 'Nein' herauskommt." Wenn die Griechen die Forderungen der Gläubiger in dem Referendum billigten, werde es allerdings eine schlechte Vereinbarung geben, warnte Varoufakis. "Wenn das 'Nein' gewinnt, werden wir eine andere Vereinbarung haben, die lebensfähig sein wird."

EU-Politiker bauen auf ein "Ja"

Ganz anders bewerten führende EU-Politiker die Situation. EU-Kommissionspräsident Jean Claude-Juncker warnte die Griechen eindringlich davor, gegen die von den Geldgebern geforderten Reformen zu stimmen. "Wenn die Griechen mit Nein stimmen, wird die griechische Verhandlungsposition dramatisch schwach sein", sagte er bei einer Pressekonferenz zum Start der luxemburgischen EU-Ratspräsidentschaft. Ob er in diesem Fall überhaupt noch neue Verhandlungen empfehlen könne, wollte Juncker nicht klar sagen. "Das (Hilfs-)Programm ist ausgelaufen. Es gibt derzeit keine Verhandlungen", sagte er. "Selbst im Fall eines Ja-Votums stehen wir vor schwierigen Verhandlungen."

Der für Wirtschaft und Währung zuständige Vize-Präsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, sagte der "Welt", es "wäre falsch anzunehmen, dass ein Nein die griechische Verhandlungsposition stärken würde. Das Gegenteil ist der Fall." Griechenland sei "in einer substantiell schlechteren Situation als noch vergangene Woche."

Bei einem "Nein"-Sieg am Sonntag werde es für Griechenland "äußerst schwierig", glaubt auch der niederländische Finanzminister und Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem und stellte in diesem Fall die Mitgliedschaft des Landes in der Währungsunion infrage. Wenn sich die Lage in Griechenland verschärfe, sei das die Schuld der Regierung in Athen, so Dijsselbloem. Noch ungehaltener reagierte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. "Neuwahlen wären zwingend, wenn die griechische Bevölkerung für das Reformprogramm und damit den Verbleib in der Euro-Zone stimmt und Tsipras folgerichtig zurücktritt", sagte Schulz dem "Handelsblatt".

EU-Währungskommissar Pierre Moscovici rief die Griechen auf, "Ja" zum Sparkurs zu sagen. "Wir müssen die Gespräche mit Griechenland einen Tag nach dem Referendum wieder aufnehmen", sagte er am Donnerstag in Brüssel. Ein "Nein" würde diese Verhandlungen viel komplizierter machen, mahnte Moscovici. Athen brauche aber weitere internationale Hilfe: "Griechenlands Finanzbedarf wird ja nicht verschwinden."

Düstere IWF-Prognose

Griechenlands Finanzbedarf ist nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) unverändert hoch. IWF-Experten berechneten, das Land brauche bis 2018 rund 52 Milliarden Euro. In einem in Washington veröffentlichten Papier, das noch nicht mit der IWF-Führung abgestimmt ist, war die jüngste Entwicklung dabei ausdrücklich noch nicht berücksichtigt. Demnach muss allein die Eurozone nach IWF-Einschätzung bis Ende 2018 noch einmal rund 36 Milliarden Euro frisches Geld nachschießen - so dass sich damit eine Summe deutlich über 80 Milliarden Euro allein für die nächsten drei Jahre ergibt.

Griechenland Krise Menschen vor Bank
Tsipras: Partner der Euro-Zone sind für die langen Schlangen vor den Banken verantwortlichBild: Reuters/Y. Behrakis

Tsipras: Die Banken sind bald wieder offen

Griechenlands Ministerpräsident Tsipras legte sich nicht eindeutig auf einen Rücktritt im Falle eines "Ja" bei dem Referendum fest. Auf eine entsprechende Frage in einem Interview mit dem Fernsehsender ANT1 antwortete er lediglich, die "Entscheidung des griechischen Volks wird respektiert, ich werde das von der Verfassung vorgesehene Verfahren in die Wege leiten".

Tsipras bemühte sich unterdessen darum, die Bevölkerung zu beruhigen. Die griechischen Banken blieben - so betonte Tsipras in einem Fernsehinterview - nicht mehr lange geschlossen. Eine Einigung mit den Gläubigern auf ein neues Schuldenabkommen werde nach dem Referendum am Sonntag innerhalb von 48 Stunden zustande kommen. Dann würden die Banken auch wieder öffnen, versicherte er.

Die langen Warteschlangen vor den Geldautomaten bezeichnete Tsipras als beschämend. Dafür verantwortlich seien jedoch die Partner in der Euro-Zone, die die Europäische Zentralbank dazu gezwungen hätten, die für die griechischen Banken so wichtige Unterstützung einzufrieren.

Um angesichts der Schuldenkrise einen Kollaps des Bankensystems zu verhindern, haben die Geldhäuser seit Montag geschlossen. Zudem hat die Regierung Kapitalverkehrskontrollen eingeführt.

Griechen sind uneins

In einer Umfrage kurz vor dem Referendum hält sich die Zahl der Befürworter und Ablehner des Reformkurses in etwa die Waage. 44,8 Prozent der Befragten wollen der Befragung des Zeitung "Ethnos" zufolge mit "Ja" stimmen, 43,4 Prozent mit "Nein". Zudem sind 74 Prozent der Umfrageteilnehmer für einen Verbleib in der Euro-Zone.

sp/qu (afp, rtr, dpa)