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Wirbel um Ignalina

8. März 2002

- Die letzten Äußerungen von Präsident Adamkus zur eventuellen Schließung des Kernkraftwerks rufen Anhänger und Gegner des Vorhabens auf den Plan

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Riga, 7.-13.3.2002, THE BALTIC TIMES, engl., S. 1, Rokas M. Tracevskis, aus Vilnius

Litauens Präsident Valdas Adamkus hat auf der Pressekonferenz am 26. Februar mit seinen Äußerungen, Litauen sollte auf die Forderung der Europäischen Kommission nicht eingehen, bis zum Jahre 2009 das Kernkraftwerk Ignalina zu schließen, eine politische Bombe gezündet. In den darauf folgenden zwei Tagen versuchte Adamkus, seine Erklärung abzuschwächen. Er sagte, er habe lediglich betonen wollen, dass Litauen für die Schließung des Kraftwerkes und den eventuellen Bau eines moderneren finanzielle Hilfe der EU brauche. "Keiner hat mir Beweise dafür liefern können, dass Ignalina nicht sicher ist", sagte Adamkus in seiner berühmten Rede. Er erteilte Litauen den dringenden Rat, dem Beispiel Finnlands zu folgen, das zwei Atomkraftwerke habe.

Adamkus' Sprecherin Violeta Gaizauskaite erklärte, der Präsident wolle lediglich, dass Litauen an der Atomkraft festhält.

Der sozialdemokratische Parlamentsabgeordnete Ceslovas Jursenas sagte, die Erklärung vom 26. Februar komme einer lautstarken Kampagne gleich. Ende dieses Jahres fänden in Litauen Präsidentschaftswahlen statt. "Wo war Adamkus vor zwei Jahren, als über das Schicksal von Ignalina debattiert wurde?", fragt Jursenas.

Adamkus hat sich immer noch nicht dazu geäußert, ob er ein zweites Mal kandidieren werde.

Premierminister Algirdas Brazauskas wollte zu Adamkus' Äußerungen keinerlei Stellungnahme abgeben. "Unsere Regierung wird nicht allein die Entscheidung über Ignalina treffen", sagte er. "Die Regierung, das Parlament und der Präsident sollten dies gemeinsam tun." Ob er selbst das Präsidentenamt anstrebe, sagte Brazauskas nicht. (...)

Die Diskussion in der litauischen Presse zeigt, dass die Äußerungen des immer noch populären Adamkus nur teilweise von den Lesern unterstützt werden. Viele schließen sich seinem harten Standpunkt gegenüber Brüssel an. Andere wiederum werfen ihm billigen Populismus vor.

Die Schließung des Atomkraftwerks Ignalina könnte bis zu 20 Milliarden Euro (17,4 Milliarden US-Dollar) kosten. Die EU hat bisher 70 Millionen Euro versprochen.

Zwei Wochen bevor Adamkus' sich zu Ignalina äußerte, hatten 118 führende litauische Atomwissenschaftler einen offenen Brief an ihn gerichtet, in dem sie ihn dringend aufforderten, sich der Schließung von Ignalina bis 2009 zu widersetzen. Sie argumentierten damit, die in den neunziger Jahren vorgenommenen zusätzlichen Sichermaßnahmen machten das AKW sicher und es sei falsch, es als Kraftwerk "vom Typ Tschernobyl" zu bezeichnen.

Nach einer Meinungsumfrage des Unternehmens Vilmorus halten 15,2 Prozent aller Litauer die Schließung von Ignalina für den wichtigsten Punkt bei den Verhandlungen über die EU-Mitgliedschaft des Landes. Die Meinungen zum EU-Beitritt hat diese Angelegenheit aber nicht geändert.

Etwa 55 Prozent der im Februar Befragten würden für Litauens EU-Beitritt stimmen, sollte "heute" ein Referendum stattfinden. Etwa 21 Prozent erklärten, sie würden dagegen stimmen. Litauen will im Jahre 2004 der EU beitreten. (...) (TS)