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Frauenfußball an der Basis

7. Juni 2011

Fußball wird in Deutschland auch bei Mädchen und Frauen immer populärer. Beim DFB sind über eine Million Fußballerinnen registriert. Die meisten spielen in kleinen Vereinen und sogar auf Asche- statt Rasenplätzen.

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Die U20-Juniorinnen feiern ihren WM-Titel (Foto: AP)
Fußball boomt - auch bei den FrauenBild: AP

Sonntagnachmittag in Köln. Auf einem Kunstrasenplatz stehen sich zwei Frauenmannschaften aus der Mittelrheinliga, der ehemaligen Verbandsliga, gegenüber: Gastgeber Vorwärts Spoho 98, der heute mit einem Sieg die Tabellenspitze erklimmen kann, in grün-schwarz und die zweite Mannschaft von Alemannia Aachen, die gegen den Abstieg kämpft, in gelb-schwarzen Trikots. Beide Teams bilden jeweils einen Kreis, um sich auf die Partie einzustimmen. Mit einem lauten Team-Geschrei machen sie sich Mut für die Begegnung. Es ist ein faires Spiel mit einigen schön anzusehenden Spielzügen. Die Gastgeber erzielen das viel umjubelte 1:0. Sie sind drückend überlegen. In der zweiten Halbzeit gleichen die Aachenerinnen jedoch aus und gehen in Führung.

"Männer gehen härter zur Sache"

Die Fußballerinnen bilden einen Kreis und stimmen sich auf die Partie ein
Erst noch den Schlachtruf und dann zum AnstoßBild: Chantal Höffer/ Vorwärts Spoho 98

Später gibt es sogar eine Gelb-Rote Karte und einen Elfmeter – zum Entsetzen der Gastgeberinnen, für die es ganz anders kommt als erwartet. Für Schiedsrichter Anastasios Eleftheriadis ist es eine leicht zu leitende Partie – Ausschreitungen bei Frauenspielen gibt es so gut wie nie. "Ich hatte noch nie Gelbe oder Rote Karten", verrät er. "Heute war es das erste Mal nach 22 Jahren Damenspielen. Männer gehen eher härter zur Sache als die Frauen."

Eine Handvoll Zuschauer ist da: Eltern, Freunde und auch der Spitzenreiter der Liga, die 2. Frauenmannschaft des 1. FC Köln, die auf einen Ausrutscher des Konkurrenten hofft. Am letzten Spieltag erst hatte sie im Spitzenspiel gegen Vorwärts Spoho verloren. Da guckten plötzlich mehr als 100 Leute zu. Für viele Spielerinnen ein ganz besonderes Erlebnis.

Frauenfußball boomt

Auch Ingrid Wüst ist gekommen. Sie organisiert ehrenamtlich seit sieben Jahren den Frauen-Spielbetrieb im Fußballverband Mittelrhein und engagiert sich sehr für ihre "Fußballmädels". Mit 95 Mannschaften habe sie angefangen, erzählt sie – nun seien es fast doppelt so viele. "Die Entwicklung ist sehr positiv. Man sieht schon, dass die Erfolge der Nationalmannschaft im Frauenbereich ankommen." Vorwärts Spoho hat neben der Jugendabteilung und der Männermannschaft sogar mittlerweile zwei Frauenteams. Während die Männer in der Kreisliga kicken, sind die Frauen schon mehrmals aufgestiegen, berichtet Torhüterin Ilona Thivessen stolz: "Wir sind das Zugpferd. Die Frauen zeigen den Männern, wo der Ball langläuft!"

Sponsoren fehlen immer noch

Spielszene der Fußballerinnen von Vorwärts Spoho 98
Die Frauen sind das Zugpferd des VereinsBild: Chantal Höffer/Vorwärts Spoho 98

Doch auch, wenn der Kader groß ist, gibt es immer wieder Probleme: Verletzungen, wichtige Prüfungen im Studium, Schwangerschaften und bei den etwas älteren Müttern dann auch schon einmal Terminprobleme bei Familienfesten am Sonntag. Und Geld verdienen muss man ja auch – selbst in der Verbandsliga, klagt Ingrid Wüst vom Fußballverband Mittelrhein. "Ich würde mir wünschen, dass Sponsoren auch den Frauenfußball entdecken würden und sagen: Auch da kann man investieren."

Während Männer schon in unteren Klassen für das Kicken bezahlt werden, müssen Frauen oft alles selbst finanzieren: die Schuhe, den Schiedsrichter und oft auch die Platzmiete – all das über den Mitgliedsbeitrag. Vorwärts Spoho-Trainer Philipp Kaß, der die C-Trainer-Lizenz in der Tasche hat, bekommt auch nicht mehr als eine Aufwandsentschädigung. "Wenn man so will, arbeite ich umsonst. Die Mädels sind sehr dankbar, das ist Anerkennung genug. Damit kann ich gut leben." Im Gegensatz zu den Männermannschaften kann er als Trainer viele Dinge ausprobieren und darf sich auch Fehler erlauben, "so wie die Mädels auch, und das ist sehr interessant."

Der (Alp-)Traum von der Regionalliga

Mannschaftsfoto der 1. Frauenfußballmannschaft von Vorwärts Spoho 98, Saison 2010/2011
Trainer Philipp Kaß (hintere Reihe, 2.v.l.) und seine MädelsBild: Chantal Höffer/Vorwärts Spoho 98

Zweimal pro Woche leitet Kaß das Training, in der Saisonvorbereitung sogar noch öfter. Was anfangs ein Gefallen für eine Arbeitskollegin war, entpuppte sich als Glücksgriff, berichtet der ehrgeizige Trainer, der unbedingt Meister werden will. Der Titelgewinn bedeutet zugleich den Aufstieg in die Regionalliga – eine hohe Hürde für einen kleinen Verein wie Vorwärts Spoho. Denn dann kostet ein Schiedsrichtergespann im Durchschnitt satte 120 Euro statt 30 Euro, und bei den weiten Reisen zu den Auswärtsspielen ist man den ganzen Tag unterwegs.

Fünf Spielerinnen auf Regionalliga-Niveau sollte man im Kader haben, rät Wüst, sonst habe man als Aufsteiger keine Chance. Die Leistungsunterschiede im Frauenbereich sind enorm – auch innerhalb der einzelnen Ligen. Meistens setzt sich der Favorit durch. Dieses Mal jedoch nicht: Vorwärts Spoho verliert gegen Aachen überraschend mit 1:4. Tränen kullern, die Enttäuschung sitzt tief. Für Trainer Kaß ist Aufbauhilfe angesagt, denn auch dies gehört dazu bei seinen sensiblen und ehrgeizigen Spielerinnen. Sein Saisonziel verliert er aber trotz der Niederlage nicht aus den Augen. "Alles andere als die Meisterschaft wäre eine absolute Enttäuschung, weil die Mannschaft die beste der Liga ist. Das Potenzial ist einfach riesig."

Autorin: Olivia Fritz
Redaktion: Arnulf Boettcher