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"Wir waren Freunde, waren wir das?"

Leona Frommelt11. Dezember 2003

Das Regiedebüt von Elmar Fischer "Fremder Freund" ist ein weiterer deutscher Film, der sich mit dem 11. September 2001 auseinandersetzt. Es geht um Freundschaft, Vertrauen und Verrat. DW-WORLD sprach mit dem Regisseur.

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Noch sind Chris und Yunes unzertrennlich ...

Chris (Antonio Wannek) und Yunes (Navid Akhavan), der im Jemen geboren wurde, studieren gemeinsam und teilen sich eine Wohnung. Per Zufall haben sie sich kennengelernt und sind schnell enge Freunde geworden – trotz ihres unterschiedlichen kulturellen Backgrounds. Abends kochen sie oft zusammen, sitzen am Küchentisch und philosophieren über Gott und die Welt, die Frauen und die Liebe.

Filmszene Fremder Freund Film Deutschland
Nora und Yunes sind ein Liebespaar - bis Nora einen Fehltritt begeht, den Yunes ihr nicht verzeihen kann ...

Yunes gibt sich weltoffen und tolerant. Auch mit Chris Freundin Julia (Mina Tander) kommt er gut zurecht. Und bald hat er selbst eine Freundin: die hübsche Kommilitonin Nora (Mavie Hörbiger). Als Nora einen anderen küsst, ist Yunes am Boden zerstört und kurze Zeit später spurlos verschwunden. Chris versucht ihn zu finden, aber selbst die Eltern wissen von nichts, und der islamische Arbeitskreis an der Uni hat sich aufgelöst. Dann kommt der 11. September, und Chris hat einen schrecklichen Verdacht.

Mutmaßungen und Enttäuschungen

"Die Idee zu dem Film hatte ich wenige Tage nach den Anschlägen", erzählt Regisseur und Drehbuchautor Elmar Fischer, "damals habe ich mich kurz danach mit einem Freund aus Palästina getroffen. Wir haben drüber gesprochen, wo wir am 11. September waren, als wir von dem Attentat erfuhren. Mein Freund hat mir dann erzählt, dass er mit Kumpeln zusammen war und sie sich alle richtig gefreut hätten. Als ich das gehört habe, war ich schockiert und mir wurde klar: Denn kenne ich gar nicht so genau, wie ich dachte. Zumindest wusste ich nicht, dass er so radikal ist. Darüber wollte ich einen Film machen."

Und so fragt sich auch Chris in "Fremder Freund", ob er Yunes jemals wirklich gekannt hat. "Der Film ist ein privater, intimer Film vor einem politischen Hintergrund. Es geht mir nicht um die Annäherung zweier Kulturen. Mich interessiert vielmehr die Freundschaft der Hauptfiguren. Ihre Nähe und Verbundenheit auf der einen, und der Verrat und die Enttäuschung auf der anderen Seite", führt Fischer weiter aus.

Was geschah wirklich?

Plakat Fremder Freund Film Deutschland
Plakat "Fremder Freund"

In Rückblicken rekapituliert Chris die gemeinsame Vergangenheit und Freundschaft. Yunes hatte sich verändert. Aus einem Urlaub im Jemen war er als überzeugter Fundamentalist zurückgekehrt, trug einen Vollbart, betete ständig und aß nichts "Unreines". Noch ungewöhnlicher war das Praktikum in Pakistan. Warum hatte er dort an Muskel- und Körperkraft zugelegt? Und warum ist ihm das alles nicht vorher aufgefallen? Fischers Film gibt keine Antworten. "Mich hat fasziniert, dass in einem sehr deutschen, biederen Stadtteil wie Hamburg Harburg eine WG bestehen kann, die Unglaubliches plant, ohne dass die Nachbarn etwas merken. Die Leute sind so sehr mit 'Deutschland sucht den Superstar' und ähnlichem beschäftigt, dass sie nicht mitkriegen, was mitten unter ihnen passiert. Das ist nach wie vor unglaublich, und das soll der Film auch klar machen", erklärt der Regisseur.

Fischer arbeitet in "Fremder Freund" bewusst mit harten Schnitten, Rückblenden und einer verschachtelten Zeitstruktur. Damit versucht er beim Zuschauer Verwirrung zu erzeugen, die die gesamtgesellschaftliche Unsicherheit nach den Anschlägen auf das World Trade Center widerspiegelt. Und: Die nicht-lineare Erzählweise entspricht dem Zustand, in dem sich Chris nach dem Verschwinden seines Freundes befindet. Mühsam setzt er ein Mosaik seiner Erinnerungen zusammen, sucht nach versteckten Hinweisen. Doch den entscheidenden Stein, den letzten "Beweis" findet er nicht.

Herausragendes Debüt

Regisseur Elmar Fischer
Regisseur Elmar Fischer

Elmar Fischer (35), Absolvent der Deutschen Journalistenschule, arbeitet seit 1992 als Autor, Regisseur und Produzent für alle deutschen Fernsehsender. "Fremder Freund" ist nach dem Kurzfilm "Echelon" (2001) sein Spielfilmdebüt. Der Film wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Fischer möchte auch in Zukunft Filme machen: "Ideen und entwickelte Stoffe habe ich genug – das ist alles nur eine Frage der Finanzierung."