1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Wir lassen Afghanistan nicht im Stich"

Christian F. Trippe6. November 2012

Am Truppenabzug bis Ende 2014 wird festgehalten - das ist die zentrale Botschaft von NATO-Generalsekretär Rasmussen im Gespräch mit der Deutschen Welle. Dennoch bleiben NATO-Soldaten weiter präsent.

https://p.dw.com/p/16dRb
NATO Secretary General Anders Fogh Rasmussen briefs the media after a meeting of the North Atlantic Council at the Alliance headquarters in Brussels June 26, 2012. NATO member states condemned Syria on Tuesday for its shooting down of a Turkish military jet, calling it "unacceptable" and demanding that Damascus take steps to prevent further incidents. REUTERS/Francois Lenoir (BELGIUM - Tags: POLITICS MILITARY)
NATO Pressekonferenz Syrien RasmussenBild: Reuters

Deutsche Welle: Anders Fogh Rasmussen, Sie werden bis zum Sommer 2014 im Amt des NATO-Generalsekretärs bleiben - zwei Monate später wird der letzte Kampfsoldat Afghanistan verlassen. Sind Sie zuversichtlich, dass sowohl die NATO-Mission als auch Ihre persönliche Mission bis dahin erfüllt sein werden?

Rasmussen: Ja, ich bin optimistisch, dass die afghanischen Sicherheitskräfte wie geplant bis Ende 2014 in der Lage sein werden, die volle Verantwortung für das ganze Land zu übernehmen.

Allein in diesem Jahr sind schon mehr als 50 NATO-Soldaten durch afghanische Polizeibeamte oder Mitglieder der afghanischen Armee getötet worden. Die Zahl dieser sogenannten "Insider-Attacken" steigt kontinuierlich. Kann die NATO da an ihrem Abzugs-Zeitplan festhalten?

Natürlich sind diese Insider-Attacken ein schwerwiegendes Problem, weil sie das Vertrauen zwischen den internationalen Truppen und den afghanischen Sicherheitskräften untergraben. Aber diese feindliche Taktik wird nicht erfolgreich sein, niemand kann einen Keil zwischen uns und unsere afghanischen Partner treiben. Aus diesem Grund haben wir eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um weiteren Attacken vorzubeugen, unter anderem verschärfte Überprüfungen bei der Rekrutierung neuer Soldaten und verstärkte Gegenspionage-Maßnahmen. Und wenn nötig, werden wir auch nicht zögern, noch weitere Schritte einzuleiten. Wir bleiben bei unserer Strategie und unserem Zeitplan, Ende 2014 werden wir unsere derzeitige ISAF-Kampfmission beenden.

Aber viele Nichtregierungsorganisationen sehen voraus, dass Afghanistan erneut in einen Bürgerkrieg abrutscht. Sie warnen vor einem Zusammenbruch der Zentralregierung in Kabul. Mit Hinblick auf dieses Schreckensszenario: Was wird die NATO nach 2014 tun?

Zuallererst möchte ich hervorheben, dass ich diese düsteren Ansichten nicht teile. Mir ist völlig klar, dass wir noch eine Menge zu tun haben und es noch Herausforderungen gibt. Aber insgesamt verzeichnen wir Fortschritte: Was die Sicherheit angeht, so gibt es einen Rückgang feindlicher Angriffe, bei der Entwicklung des Landes sehen wir ein relativ großes Wirtschaftswachtum und Verbesserungen im Bildungssystem. Die Gesundheitsversorgung hat sich verbessert: Die Kindersterblichkeit ist zurückgegangen, die Lebenserwartung steigt. Wir werden Afghanistan nicht im Stich lassen. Wir erfüllen unsere Kampfmission bis Ende 2014, aber wir werden danach mit einer NATO-geführten Ausbildungsmission im Land bleiben. Wir werden also die afghanischen Sicherheitskräfte weiter unterstützen, um sicherzustellen, dass diese ihre Fähigkeit aufrechterhalten, die volle Verantwortung für die Sicherheit in ganz Afghanistan zu übernehmen.

Werfen wir einmal einen Blick auf die neue NATO-Mission in Afghanistan: ITAAM (International Training Assistance and Advisory Mission). Wird diese eine reine Ausbildungs- und Unterstützungsmission werden oder könnte auch der Einsatz von Kampftruppen noch einmal nötig werden?

Es wird keine Kampfmission sein. Es gibt eine klare Trennung zwischen der derzeitigen ISAF-Kampfmission und der neuen Trainingsmission. Kämpfen werden die Afghanen, wir werden uns darauf konzentrieren, den afghanischen Sicherheitskräften als Ausbilder, Unterstützer und Ratgeber zur Seite zu stehen. Wir müssen natürlich sicherstellen, dass unsere Ausbilder in einer sicheren Umgebung arbeiten können. Wir müssen sie effektiv schützen. Wie genau, das ist noch nicht entschieden. Wir sind noch in einer frühen Phase des Planungsprozesses. Aber es wird definitiv keine Kampfmission sein.

Berücksichtigt dieses frühe Planungsstadium auch die Frage, ob die neue Mission ein UN-Mandat benötigt?

Nein, so weit sind wir noch nicht.

Wollen Sie denn ein UN-Mandat?

Ein UN-Mandat wäre hervorragend, aber nach internationalem Recht würde es ausreichen, eine Einladung der afghanischen Regierung zu bekommen. Wenn wir darüber hinaus ein UN-Mandat hätten, so wie das heute schon der Fall ist, dann wäre das großartig.

Die afghanische Regierung sträubt sich dagegen, den NATO-Soldaten nach 2014 Immunität vor Strafverfolgung durch die afghanische Justiz zu gewähren. Die NATO-Staaten verlangen diese jedoch. Könnte dieser Streit die neue Mission als Ganzes gefährden?

Diese rechtlichen Fragen müssen gelöst werden. Bislang haben wir dazu noch keine Entscheidung treffen können. Es wird Gespräche geben zwischen uns und den Afghanen, und wir müssen diese rechtlichen Probleme lösen. Anderenfalls wird es Probleme geben bei der Stationierung der Ausbilder in Afghanistan.

Die Fragen stellte Christian F. Trippe, Leiter des DW-Studios in Brüssel.