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Wiktor Janukowytsch: "Pragmatischer Ausbau der Beziehungen zur EU"

1. März 2007

Diese Woche war der ukrainische Premier Wiktor Janukowytsch zu Gast in Berlin. Im Vorfeld gab er der DW ein exklusives Interview. Darin spricht er von Pragmatismus und Realismus auf dem Weg der Integration in die EU.

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Wiktor Janukowytsch beim Interview mit der Deutschen Welle in KiewBild: DW

In die deutsch-ukrainischen Beziehungen kommt Schwung. Erst Anfang Februar war der ukrainische Präsident Wiktor Juschtschenko zu Besuch in Deutschland. Kurz zuvor hatte in Kiew der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier mit einer EU-Delegation den Startschuss für die Verhandlungen über ein erweitertes Partnerschaftsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Ukraine gegeben. Und in dieser Woche (27.-28.2.) war Ministerpräsident Wiktor Janukowytsch in Berlin.

Keine konkrete Beitrittsperspektive

In den vergangenen Monaten war es nicht immer leicht zu erkennen, welche Linie die Ukraine in der Außenpolitik verfolgt. Ein Kompetenzstreit zwischen Staatspräsident Wiktor Juschtschenko und Regierungschef Wiktor Janukowytsch beherrscht die politische Diskussion in Kiew. Hinzu kommt Enttäuschung in der Ukraine, dass das Land von der Europäischen Union keine konkrete Beitrittsperspektive erhalten hat. Stattdessen wurden Verhandlungen über ein erweitertes Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und der Ukraine eingeleitet.

Kurz vor seinem Berlin-Besuch erklärt der ukrainische Ministerpräsident Janukowytsch: "Wir verstehen die Position unserer europäischen Partner und von Frau Bundeskanzlerin Merkel. Zugleich ist uns klar, dass von unserer Seite konkrete Handlungen notwendig sind, um sich in die EU integrieren zu können. Es geht nicht um Schlagworte und politische Deklarationen. Dafür brauchen wir Zeit. Wir sind der Auffassung, dass nur Reformen im Bereich der Wirtschaft, Gesetzgebung, im Justizwesen, in der Verwaltung und die Verbesserung des Lebensstandards unserer Bürger dazu beitragen, dass die Ukraine sich allmählich der EU nähert."

Partnerschaftsabkommen als Grundstein

Im Unterschied zum ukrainischen Präsidenten Juschtschenko, der bei seinem Deutschland-Besuch vor zwei Wochen klar den Wunsch nach EU-Mitgliedschaft betont hat, äußert Janukowytsch sich in dieser Frage vorsichtiger. Er spricht von "Pragmatismus" und "Realismus" auf dem Weg der Integration in die EU. Aber er legt Wert auf die Feststellung, dass kein europäischer Politiker erklärt habe, die Ukraine dürfe keine Pläne im Hinblick auf die EU-Integration haben. Aufmerksamkeit müsse jetzt vor allem der Ausarbeitung des neuen Partnerschafts- und Kooperationsabkommens mit der EU geschenkt werden: "Ich bin der Auffassung, dieses Abkommen wird der Grundstein für die weitere Entwicklung der Beziehungen zwischen der EU und der Ukraine sein. Wir sind bereit, die erste Runde der Verhandlungen mit unseren europäischen Nachbarn schon Anfang März dieses Jahres zu führen. Ich bin sehr froh, dass mein Besuch in Deutschland noch vor diesem Treffen auf EU-Ebene stattfindet. Wir rechnen mit Unterstützung von der deutschen Seite und einem konstruktiven Geist im Hinblick auf die EU-Problematik. Der erste Schritt und wichtigste Bestandteil dieses neuen Abkommens sollte die Schaffung einer umfassenden Freihandelszone sein."

Baldiger WTO-Beitritt angestrebt

Eine Voraussetzung für diese Freihandelszone ist der Beitritt der Ukraine zur Welthandelsorganisation. Die Entscheidung darüber wird noch in der ersten Jahreshälfte erwartet. Janukowytsch weist darauf hin, dass die Ukraine alle notwendigen Gesetze verabschiedet habe. In Bezug auf das Partnerschaftsabkommen mit der EU erwartet der Ministerpräsident: "Wir rechnen damit, das die Parameter des Abkommens deutlich den Integrationsprozess der Ukraine in Richtung EU darstellen werden. Das Abkommen sollte auch Erleichterungen im Visa-Regime vorsehen sowie die Bekämpfung der illegalen Migration und Kriminalität und natürlich auch die Kooperation im Bereich der Wirtschaft und des Handels".

Energiesicherheit wichtiges Thema

Ein Konflikt um Gaspreise hatte noch vor einem Jahr zu schweren Verstimmungen in den Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine geführt und in der EU große Besorgnis ausgelöst. Viktor Janukowytsch will sein Land als zuverlässiger Partner für den Transit von Energie nach Europa präsentieren. Er setzt auf gemeinsame Projekte zwischen der Ukraine, Russland und der Europäischen Union: "Vieles in dieser Frage hängt davon ab, wie die Beziehungen zwischen der Ukraine und Russland verlaufen. Wir können und müssen dazu beitragen, dass die Bemühungen Russlands und Europas zur Sicherheit des Energieversorgung vereint werden und mehr Energieträger auf die europäischen Märkte kommen."

Kritik und Vorschläge

Ungeduldig auf Entscheidungen von Seiten der EU wartet der ukrainische Regierungschef hinsichtlich der Erdöl-Pipeline zwischen Odessa und Brody, die bis nach Danzig an der Ostsee ausgebaut werden könnte. Janukowytsch kritisiert, dass hierzu noch keine konkrete Antwort von der EU vorliege: "Wir haben dafür unsere Vorschläge unterbreitet. Sie sind in vielen Dokumenten enthalten. Darauf muss die Europäische Union eine Antwort geben. Wir erwarten das. Außerdem sind wir bereit, zusammen mit der EU ein Gespräch mit den Ländern des Kaspischen Raums zu führen, was die Bestimmung des Volumens der Erdöl-Lieferungen angeht. Die Ukraine wartet seit vielen Jahren auf Antwort auf diese Vorschläge."

Doch neben Kritik hat Janukowytsch auch einen neuen Vorschlag. Deutschland könne sich am Bau einer Erdgas-Pipeline von der ukrainisch-russischen Grenze ins westukrainische Uschhorod beteiligen, schlägt er vor. Von dort aus könne das Gas über die Slowakei zu den übrigen europäischen Märkten transportiert werden. Der Umfang der Energielieferungen aus Russland könne so erheblich aufgestockt werden.

Bernd Johann
DW-RADIO/Ukrainisch, 28.2.2007, Fokus Ost-Südost