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Wikipedia schaltet Angebot aus Protest einen Tag ab

17. Januar 2012

Die Online-Enzyklopädie will ihre englischsprachige Seite vorübergehend offline schalten - aus Protest gegen zwei Gesetzesentwürfe in den USA, die sich gegen Internet-Piraterie richten. Kritiker befürchten eine Zensur.

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Symbolbild für Zensur im Internet (Foto: mezzotint fotolia)
Urheberrecht versus Netzfreiheit?Bild: fotolia/mezzotint

Der Dienst werde an diesem Mittwoch (18.01.2012) vorübergehend eingestellt, teilte Wikipedia-Gründer Jimmy Wales über den Kurznachrichtendienst Twitter mit. Das Online-Lexikon werde dann sein englischsprachiges Angebot für 24 Stunden schließen, um gegen zwei Gesetzesvorhaben gegen Internet-Piraterie zu protestieren – ein befristeter "Internet Blackout" als Initiative der Gegner. Es soll nur ein Hinweis auf die Gründe der Protestaktion zu sehen sein.

"Wenn das Gesetzesvorhaben durchkommt, wird das freie und offene Internet beschädigt und neue Werkzeuge für eine Zensur internationaler Websites innerhalb der USA geschaffen", so Wales. An die amerikanischen Portal-Nutzer appellierte er: "Ich bitte jeden, der sich etwas aus der Freiheit des Internets macht, darum, ihre Senatoren und Vertreter zu kontaktieren." Der Arabische Frühling habe gezeigt, dass das Internet ein wichtiges Instrument der Bevölkerung sei, sich zu organisieren und als Stimme gehört zu werden.

Wikipedia gehört zu den meist angeklickten Seiten weltweit, mit Millionen Besuchern täglich. Jeder Nutzer kann Texte hinzufügen, ändern oder löschen. Die englische Wikipedia-Version ist mit rund 3,5 Millionen Beiträgen die größte. Dies wäre das erste Mal, dass sie befristet offline ginge. Eine ähnliche Protestaktion hatte bereits in der Vergangenheit die italienische Version gestartet.

Debatte um Urheberrecht und Netz-Piraten

Jimmy Wales, Mitgründer von Wikipedia (Foto: AP)
Wikipedia-Gründer Wales sieht Gefahr für MeinungsfreiheitBild: AP

Hintergrund sind dieses Mal zwei Gesetzestexte zur Bekämpfung der Internetpiraterie, die derzeit im US-Kongress zur Abstimmung stehen und von der Film- und Musikindustrie sowie weiteren Branchen unterstützt werden. Mit den umstrittenen Gesetzen soll der Verkauf amerikanischer Raubkopien ins Ausland unterbunden und geistiges Eigentum geschützt werden.

Kritiker befürchten allerdings Einbußen für die Technologiebranche und eine Einschränkung der Meinungsfreiheit. In einem offenen Brief an Washington hatten die Gründer von Internetriesen wie Google, Facebook, Twitter, Yahoo, YouTube, eBay, Mozilla Firefox sowie eben Wikipedia sich bereits im vergangenen Monat besorgt über die beiden Gesetzesvorhaben geäußert. Damit könne die US-Regierung das Internet anhand von Techniken zensieren, die auch von Staaten wie China, Malaysia und dem Iran angewandt würden. "Wir bitten den Kongress dringend, die geplanten Änderungen genau zu durchdenken, bevor die bisherigen Bestimmungen, die das Internet stützen, geändert werden. Lasst die kommende Generation an Unternehmern und Gründern dieselben Chancen haben, die wir alle hatten", schrieben die Internetfirmen.

Netzsperren gegen Online-Piraterie

Die beiden Anti-Piraterie-Gesetze werden in den USA heftig diskutiert. Seit Wochen laufen Internet-Aktivisten Sturm dagegen. Bei den Entwürfen geht es einmal um den "Stop Online Piracy Act" (SOPA) sowie um das ähnliche Gesetzesvorhaben "Protect IP Act" (PIPA). Momentan bewegt vor allem das Schlagwort "SOPA" die Internet-Nutzer in den USA: Das geplante Gesetz sieht auch Netzsperren für Anbieter von Raubkopien vor. Das PIPA soll ebenfalls Maßnahmen gegen Web-Anbieter im Ausland ermöglichen, die das "geistige Eigentum" ("intellectual property", IP) verletzen.

US-Präsident Barack Obama (Foto: AP)
Präsident Barack Obama lehnt die Gesetzesentwürfe abBild: AP

Besonders umstritten ist eine Bestimmung bei SOPA, die von Internet-Providern verlangt, nach einer gerichtlichen Anordnung den Zugang zu ausländischen Webseiten zu sperren, die Raubkopien anbieten. Dies wird von den Gegnern als Zensur und als Eingriff in die technische Infrastruktur des Netzes abgelehnt.

Unterstützung erhielten die Kritiker bereits von der Regierung. Nach wochenlanger Debatte ergriff auch US-Präsident Barack Obama das Wort und wandte sich gegen das SOPA-Gesetzesvorhaben. Die Verletzung von Urheberrechten auf Webseiten im Ausland sei zwar ein ernstes Problem, das eine Antwort des Gesetzgebers erfordere, heißt es in einem Blog-Beitrag des Weißen Hauses. Aber "wir werden kein Gesetz unterstützen, das die Meinungsfreiheit einschränkt, die Risiken der Cyber-Sicherheit erhöht oder die dynamische und innovative Kraft des weltweiten Netzes untergräbt".

Abstimmung steht kurz bevor

Der SOPA-Gesetzentwurf wurde dem Repräsentantenhaus in Washington am 26. Oktober 2011 vom republikanischen Abgeordneten Lamar Smith aus Texas vorgelegt. Unter dem Eindruck der heftigen Kritik signalisierte Smith zuletzt Kompromissbereitschaft bei den Netzsperren. Zurzeit berät noch der Justizausschuss der Parlamentskammer über SOPA.

Der Senat, die zweite Kongresskammer, stimmt am 24. Januar zunächst über Verfahrensfragen bei der Behandlung von PIPA ab. Eingebracht wurde dieses Gesetzesvorhaben vom demokratischen Senator Patrick Leahy in Vermont.

Autorin: Naima El Moussaoui (afp, dapd, dpa)

Redaktion: Julia Elvers-Guyot