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Flüchtlingslager Nahr al-Bared

Birgit Kaspar (dh)9. März 2009

Die palästinensischen Flüchtlinge aus dem Flüchtlingslager Naher al-Bared im Libanon fühlen sich von der Welt vernachlässigt. Am Montag (09.03.2009) beginnt der Wiederaufbau des Lagers - allerdings mit Verzögerung.

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Foto: UNRWA
Beseitigung der Trümmer in Nahr al-BaredBild: UNRWA

Bulldozer und Bagger schieben eifrig den Bauschutt zusammen, große Lastwagen transportieren ihn ab. Der rund zwei Quadratmeter große Kern des palästinensischen Flüchtlingslagers Nahr al Bared im Nordlibanon gleicht einem riesigen Trümmerhaufen. Doch heute wird im ersten von acht Bauabschnitten symbolisch der Grundstein für den Wiederaufbau gelegt. Die libanesische Armee hatte den Lebensraum von rund 30.000 Palästinensern im Sommer 2007 dem Erdboden gleichgemacht. Bei den Kämpfen zwischen libanesischen Soldaten und Militanten der al-Kaida-nahen Islamistengruppe Fatah al Islam waren 400 Menschen ums Leben gekommen, rund 6.000 Familien mussten fliehen. Sie leben noch heute in Nachbarlagern oder in von der UNO zur Verfügung gestellten Behelfsunterkünften.

Samira Rashid, eine Mutter von sieben Kindern, ist wütend. "Dies ist unser Wohnzimmer, unser Schlafzimmer und die Küche, alles gleichzeitig!" Sie zeigt einen mit Plastikmatten ausgelegten Wohncontainer von höchstens 20 Quadratmetern mit winzigen Fenstern, an dessen Kopfende Schlafmatratzen aufgestapelt sind. Sonst gibt es keine Möbel. "Wir leben hier wie Tiere", klagt die 47-jährige. Im Winter regne es hinein, im Sommer sei es vor Hitze kaum auszuhalten.

Foto: DW/ Birgit Kaspar
Samira Rashid ist wütend über die Lebensbedingungen für Palästinenser in Nahr al- BaredBild: Birgit Kaspar

Wiederaufbau mit Verzögerung?

Samira glaubt erst an den Wiederaufbau, wenn die ersten Häuser bezugsfertig sind. Die Beseitigung der Trümmer dauerte deutlich länger als ursprünglich geplant. Deshalb verloren viele Palästinenser die Hoffnung. Der Arzt Samih Hajjo bezweifelt ebenfalls, dass das Lager vollständig wieder errichtet wird. Denn der 60jährige verdächtigt die Armee, es vorsätzlich zerstört zu haben: "Wenn Du eine Schlange in deinem Haus findest, zerstörst du dann das ganze Haus?", fragt er. "Auch wenn die Schlange das Haus schon verlassen hat?" Die Palästinenser seien verbittert, ihre Zukunft sehe düster aus, sagt Hajjo.

Dass die Flüchtlinge sich sorgen, kann man ihnen kaum verdenken. Während des Bürgerkrieges wurden drei Palästinenserlager zerstört, ohne jemals wieder aufgebaut zu werden. Doch der Direktor der für die Palästinenser zuständigen UN-Organisation UNRWA, Salvatore Lombardo, ist zuversichtlich, dass in Nahr al-Bared ein neues Camp mit Modellcharakter errichtet wird. Das heißt: Breitere Straßen und Häuser mit mehr Licht und Ventilation. Insgesamt soll es bessere Lebensbedingungen für die Menschen bieten, sagt Lombardo. "Schauen Sie sich die Lager im Libanon an, die Zustände sind erschreckend."

Kaum Rechte

Foto: DW/ Birgit Kaspar
In den schmalen Gängen zwischen den Wohncontainern wird Wäsche getrocknetBild: Birgit Kaspar

Die rund 400.000 bei der UNRWA registrierten palästinensischen Flüchtlinge im Zedernstaat sind auf zwölf Camps verteilt. Sie dürfen nur Handlangerjobs außerhalb der Lager ausüben, sie dürfen keinen Besitz erwerben, ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten sind äußerst begrenzt. Die Libanesen beharren auf dem von der UNO verbrieften Rückkehrrecht für die Palästinenser, weil sie die Flüchtlinge keinesfalls assimilieren wollen. Das hat vor allem konfessionelle Gründe, denn die Flüchtlinge sind fast ausschließlich sunnitische Moslems und ihre "Libanisierung" würde das prekäre Gleichgewicht zwischen Sunniten, Schiiten und Christen verändern.

Doch auch in Beirut erkennt man langsam, dass die Ausgrenzung Gefahren birgt. Die libanesische Regierung hat ein Programm aufgelegt, das das Leben der Palästinenser verbessern soll. Khalil Makkawi, der von Regierungsseite für die Flüchtlinge zuständig ist, sagte, es sei im Interesse des Libanon, die humanitären Verhältnisse zu verbessern "Wir glauben, dass die Lager fruchtbaren Boden für jede Form des Extremismus bieten, solange die Palästinenser in großer Misere leben." Finanziert werden diese sehr schleppend anlaufenden Maßnahmen von Geberländern, darunter auch Deutschland.

Flüchtlingslager mit Modellcharakter

Das neue Nahr al-Bared-Lager soll aber auch in anderer Hinsicht Modellcharakter haben, erläutert Makkawi. Die Sicherheitskontrolle werde künftig in libanesischer Hand liegen: "Mit anderen Worten, keine Palästinenserbanden mit Waffen mehr. Dieses Lager wird wie jeder andere Teil unseres Landes behandelt, hier wird libanesisches Recht herrschen." Seit dem Kairoer Abkommen von 1969 stehen die Palästinensercamps im Libanon unter palästinensischer Kontrolle, die libanesischen Sicherheitskräfte haben hier keinen Zutritt. Das ist den Libanesen schon lange ein Dorn im Auge.

Foto: DW/ Birgit Kaspar
Zerstörte Häuser im Nahr al-Bared CampBild: Birgit Kaspar

Doch der erfolgreiche Abschluss des Wiederaufbau-Projektes setzt voraus, dass mehr Spendengelder fließen. Rund 200 Millionen US-Dollar soll der Wiederaufbau kosten, bisher seien aber erst 42 Millionen auf dem UNRWA-Konto eingegangen, klagt Projektleiter Charles Higgins. "Wenn wir nicht mehr Geld bekommen, dann müssen wir die Bauarbeiten gegen Ende des Jahres stoppen."