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Politik

Wie viel Macht hat Irans Präsident?

Shabnam von Hein
13. November 2017

Im Iran wird alle vier Jahre ein neuer Präsident gewählt. Dieser untersteht aber dem auf Lebenszeit ernannten Religiösen Führer. Ein Gespräch über Macht und Ohnmacht mit dem Iran-Experten Adnan Tabatabai.

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Iran Präsident Hassan Rohani
Bild: IRNA

Deutsche Welle: Herr Tabatabai, das politische System der Islamischen Republik Iran ist kompliziert. Staatsoberhaupt auf Lebenszeit ist der religiöse Führer Ayatollah Chamenei. Er bestimmt die politischen Leitlinien. An der Spitze der Regierung steht aber der alle vier Jahre gewählte Präsident. Was kann der Präsident da tatsächlich ausrichten? 

Adnan Tabatabai: Es macht in diesem Zusammenhang Sinn, zwischen "Politikentscheidern" und "Politikgestaltern" zu unterscheiden. Der Revolutionsführer, der religiöse Führer, ist in der Tat die ultimative Entscheidungsautorität. Er zieht hierbei einen Beraterkreis hinzu. Es gibt jedoch eine Vielzahl weiterer Gremien in der Islamischen Republik, in denen Politik gestaltet wird. Diese Gremien gehen zum Teil aus Wahlen hervor - wie zum Beispiel Parlament, Expertenrat, Stadt- und Kommunalräte. Zudem gibt es Gremien, die personell aus der Systemelite zusammengesetzt werden - wie der Wächterrat, der Feststellungsrat, auch als Schlichtungsrat bekannt, oder der Hohe Nationale Sicherheitsrat. Je stärker ein Staatspräsident mit eben diesen Gremien vernetzt ist, umso einflussreicher kann Regierungsarbeit in diese Instanzen getragen und in die dortige Politikgestaltung eingebracht werden. 

Der Revolutionsführer steckt in für ihn wichtigen Fragen die wesentlichen Eckpfeiler ein. Wie letztlich die Politik zur Erfüllung dieser Ziele gestaltet wird, obliegt dann jedoch der Regierung. Bekanntes Beispiel hierfür war das Nuklearabkommen. Ajatollah Chamenei hatte grob vorgegeben, unter welchen Voraussetzungen ein solches Abkommen in seinem Sinne wäre. Diesen Deal dann aber zustande zu bringen und die notwendigen Schritte dahin zu gestalten, war einzig Aufgabe der Regierung mit dem Präsidenten an der Spitze.

Sie schreiben in ihrem Buch "Morgen in Iran": "Es gibt theokratische und republikanische Strömungen im politischen System der islamischen Republik Iran". Wie stark ist die republikanische Strömung und kann sie das politische System dauerhaft verändern?

23.07.15 Quadriga Adnan Tabatabai
Iran-Experte Adnan Tabatabai

Wenn wir uns anschauen, welchen fortwährenden politischen Aktivismus es in weiten Teilen der wahlberechtigten Bevölkerung gibt, wird deutlich, wie stark die Bevölkerung ihre politische Teilhabe einfordert. Bei den letzten Wahlen lag die Wahlbeteiligung zwischen 65 und 75 Prozent. Die Mehrheit dieser politisch aktiven Bevölkerung hat 2013 moderate Kräfte in das Präsidentenamt, sowie 2016 in das Parlament und den Expertenrat gehievt. Und sie haben dies trotz der traumatischen Erlebnisse der Proteste von 2009 und deren Niederschlagung getan. Dieser unermüdliche Einsatz zeigt, wie wichtig den Iranerinnen und Iranern im Land die republikanische Natur des politischen Systems ist, und dass sie diesen Republikanismus, der theokratischen Einschränkungen gegenübersteht, stützen und stärken wollen. Es wäre zu wünschen, dass auch Beobachter aus dem Ausland - allen voran die iranische Diaspora - diesen Einsatz ihrer Landsleute im Land stärker wertschätzen. 

Adnan Tabatabai ist Mitgründer und Geschäftsführer des Forschungszentrums CARPO in Bonn. Als Iran-Experte berät er EU-Institutionen, Bundesministerien und politische Stiftungen zu Iran-Angelegenheiten. Tabatabai ist Lehrbeauftragter an der Universität Düsseldorf und Autor des Buches "Morgen in Iran".

Das Gespräch führte Shabnam von Hein