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Politik

Wie umgehen mit Pjöngjang?

Kersten Knipp | Yanyan Han
4. September 2017

Nach dem jüngsten Atomtest Nordkoreas hat der UN-Sicherheitsrat beraten, wie man damit umgehen soll. Es gibt mehrere Optionen; die meisten sind schwer umsetzbar oder zwecklos. Zuletzt bleibt eine Möglichkeit übrig.

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Nordkorea Kim Jong-Un
Bild: Getty Images/AFP/STR

"Er bettelt um Krieg": so deutet die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, den jüngsten Bombentest des nordkoreanischen Diktators Kim Jong Un. Die USA wollten niemals Krieg, auch jetzt nicht, erklärte sie am Montag im UN-Sicherheitsrat. Dessen Mitglieder hatten sich zu einer Dringlichkeitssitzung zu den jüngsten Provokationen aus Nordkorea getroffen.

Am Sonntag hatte Diktator Kim Jong Un eine Wasserstoffbombe zünden lassen. Die löste ein Erdbeben der Stärke 6,3 aus. Das war eine erhebliche Steigerung gegenüber dem letzten Kernwaffentest vor recht genau einem Jahr. Die damals, am 9. September 2016, zur Explosion gebrachte Bombe löste ein Beben der Stärke 5,3 aus. Dieses wiederum war stärker als diejenigen vorhergehender Tests. Das Programm, gab Kim Jong Un damit zu verstehen, mache Fortschritte. Und er selbst sei entschlossen, sie zu nutzen.

Drohungen laufen ins Leere

Vor allem, gab der Nordkoreaner zu verstehen, lasse er sich weder von den Vereinten Nation noch von den USA die Spielregeln vorschreiben. Anfang August hatte der UN-Sicherheitsrat massive Sanktion gegen Nordkorea erlassen. Durch die einstimmig angenommene Resolution beschlossen die Vereinten Nationen, wichtige Exportartikel des Landes zu boykottieren: Kohle, Eisen, Blei, aber auch Meeresfrüchte darf Nordkorea nun nicht mehr ausführen. Die Antwort des Regimes: weitere militärische Übungen und Tests.

Auch die Worte von CIA-Direktor Mike Pompeo blieben ganz offenbar ohne Wirkung: "Was das Regime angeht, so hoffe ich, dass wir einen Weg finden, es vom System zu trennen", hatte er im Juli erklärt. Die Aussage war allgemein als Andeutung eines Regimewechsels verstanden worden.

Nordkorea Reaktion Test von Wasserstoffbombe
Patriotische Pflichtübung: Nordkoreaner bejubeln den erfolgreichen Test der WasserstoffbombeBild: picture-alliance/MAXPPP

Harsch hatte sich - einmal mehr per Twitter - auch US-Präsident Trump geäußert. Südkoreas Appeasement-Politik werde sich als sinnlos erweisen. "Die verstehen nur eines", erklärte er. Gemeint war: harter Druck, vielleicht sogar eine bewaffnete Auseinandersetzung. Schon vorher hatte er Nordkorea mit "fire and fury" (dt.: "Feuer und Zorn") gedroht. Die Reaktion darauf: ebenfalls Tests.

Drohungen wie die von Pompeo und Trump, schreiben darum die beiden Polit-Analysten Aarion David Miller und Richard Sokolsky in der Washington Post, dürften auch künftig ins Leere laufen: "Niemand außer dem Präsidenten glaubt, dass der Einsatz von Gewalt in Form eines Präventivschlags gegen nordkoreanische Raketen und militärische Testgebiete eine ernsthafte und glaubwürdige Option ist."

Sie empfehlen verbale Zurückhaltung, schon allein darum, weil Drohungen, um wirksam zu sein, glaubwürdig sein müssen. Doch ein Schlag gegen Nordkorea könnte die gesamte Region in Brand setzen: Südkorea, Japan und US-Stützpunkte in der Region könnten umgehend Ziele eines Gegenschlags werden. Dieses Risiko dürften die USA kaum eingehen wollen.

Problematische Wirtschaftssanktionen

Auch weitere Wirtschaftssanktionen dürften wenig bewirken. Schon die bisherigen haben bislang kaum zu Erfolg geführt. Einem UN-Bericht vom März dieses Jahres zufolge sind zwei von fünf Nordkoreanern unterernährt. Durch das humanitäre Desaster im eigenen Land lässt sich die Führung in Pjöngjang von ihrem Kurs offenbar nicht abbringen.

"Wenn es dem Land ökonomisch schlecht geht, wird das Regime am Militär nicht zuerst, sondern zuletzt sparen", sagt der an der Pacific Universität von Hawaii lehrende Politologe Seung-Kyun Ko in einem Interview mit dem US-Sender CNN. "In Nordkorea ist man an Leid gewöhnt, und das Regime ist sehr geübt darin, es zu ertragen".

China Nordkorea Grenze Flaggen
Keine Freunde, aber Nachbarn: Ein Straßenhändler bietet Flaggen Chinas und Nordkoreas zum VerkaufBild: Getty Images/K. Frayer

Noch etwas spricht gegen ein noch umfassenderes Embargo: der zu erwartende Widerstand Chinas. Der Zusammenbruch des Regimes in Pjöngjang gilt in Peking als Schreckensszenario. Der Sturz Kim Jong Uns würde nicht nur den strategischen Rivalen USA näher an die Grenze zu China rücken lassen. Auch Chaos und eine mögliche Massenflucht will die chinesische Führung verhindern. "Im Grunde müssen sich China und die USA einigen, um das Problem 'Nordkorea' zu beseitigen", sagt Wang Jiangyu, Associate Professor an der National University of Singapore, im Gespräch mit der DW. "Die Regierung in Pjöngjang profitiert von der Rivalität zwischen Washington und Peking."

Dialog als letzte Option

Darum, sagt Politologe Seung-Kyun Ko, müsse man weiter auf Dialog setzen: "Wenn es keine Verhandlungen gibt, werden die derzeitigen Spannungen weiter anhalten. Nordkorea wird sein Nuklearwaffen- und Raketenpotential weiter ausbauen." Auch der russische Präsident Wladimir Putin plädiert für den Weg des Dialoges. In einem Telefonat mit dem südkoreanischen Staatschef Moon Jae In forderte er, alle politisch-diplomatischen Mittel müssten aktiv genutzt werden.

Doch selbst auf dem Verhandlungsweg dürfte Kim Jong Un von seinem Raketenprogramm so schnell nicht abzubringen sein. Er dürfte gesehen haben, wie es den lange als "Schurkenstaaten" verschrienen Regimen in Irak und Libyen erging, als sie von ihrem Atomprogramm abließen. Die Führer beider Staaten haben den einmal von den USA und einmal von der NATO betriebenen Regimewechsel nicht überlebt. Beide Staaten lavieren zudem seit Jahren am Rande des politischen Zusammenbruchs.

Pjöngjang dürfte an seinem Atomprogramm also festhalten, sagt der Singapurer Professor Wang Jiangyu. "Nordkorea besteht auf seinem Atomprogramm. Das ist der einzige Weg, mit dem die Regierung ihre Macht verteidigt. Deswegen wird Nordkorea den Kurs unbeirrt fortsetzen - koste es, was es wolle."

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika