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PolitikEuropa

Faktencheck: Wie man Desinformation vor EU-Wahlen erkennt

13. Mai 2024

Vor den Wahlen für das Europaparlament Anfang Juni kursieren im Netz viele Falschmeldungen. Vier Beispiele, wie uns Deepfakes, Spoofing und Co. versuchen, in die Irre zu führen.

https://p.dw.com/p/4fY95
240508 DW Factcheck Desinformation zur Europwawahl v2
Alles Fake: Die KI-generierte Nichte von Marine Le Pen, eine angebliche Schokoladensorte von Rittersport und ein Bild, auf dem angeblich Adolf Hitler einer Vorfahrin Ursula von der Leyens die Hand schüttelt

Deepfakes für "Tante" Marine Le Pen 

Behauptung: Nichten der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen werben für deren Partei "Rassemblement National" (RN)

DW-Faktencheck: Fake. 

Auf der Plattform TikTok warben im April angebliche Nichten Le Pens für deren Partei "Rassemblement National" (RN). 

Doch die "Nichten" Amandine Le Pen und Lena Maréchal existieren in Wirklichkeit nicht. Sie wurden mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) kreiert. Dies wurde in der französischen Presseund auch auf Tiktok aufgedeckt und kommentiert.

DW Faktencheck | Bildkombo: Die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen und ihre angebliche Nichte, Marion Le Pen, die von der KI konstruiert worden ist
Deepfake mithilfe von Künstlicher Intelligenz: Marine Le Pen und ihre erfundene Nichte MarionBild: TikTok

Bei dem Webvideo handelt es sich ein "Deepfake". Mit KI  gelang es den Erstellern, die Gesichter von Marine Le Pen und ihrer echten Nichte Marion Maréchal auf Gesichter anderer Personen zu projizieren. Die verjüngten fiktiven Familienmitglieder gaben sich als "stolze Französinnen" aus, die "ihre Tante" Marine Le Pen bewundern. 

Der Tiktok-Account @amandineeette hatte nach französischen Medienberichten über 32.000 Abonnenten und ist mittlerweile, genau wie das Konto @lena.marechal.lepen, nicht mehr auffindbar. Ihr Ziel: Die extreme politische Rechte bei den Europawahlen jung und attraktiv erscheinen lassen.

"Grillen-Schokolade" dank neuer EU-Regeln?

Behauptung: Ganze Grillen werden in bekannter Markenschokolade verarbeitet - eine neue EU-Regel macht's möglich. 

DW-Faktencheck: Irreführend.

Eine Grille auf grünem Untergrund, daneben zwei Schokoladenstücke und der Hinweis auf die neue Sorte "Ganze Grille" vom Schokoladenhersteller "Ritter Sport": Dieser Post vom 24. Januar 2023 sorgte in einigen Sozialen Netzwerken für Panik.

Die Aufregung erwies sich als unnötig. Die Ankündigung war ein Scherz, worauf der Hashtag "fakesorte" im Post hindeutet. Weil viele User das jedoch missverstanden, stellte das Unternehmen noch einmal klar, dass es sich um einen Marketing-Gaghandelte.

Der Hintergrund für den satirischen Post war allerdings echt: Denn seit dem 24. Januar 2023 dürfen in der EU wirklich Hausgrillen in Lebensmitteln verwendet werden. Dies hatte die Kommission per Durchführungsverordnung 2023/5 autorisiert.

Im April 2024, nur zwei Monate vor den Wahlen zum Europaparlament, wurde der Beitragin ungarischen Sozialen Medien wieder aufgegriffen. Die Satire von Ritter Sport wurde für eine Desinformationskampagne über die Zulassung von Lebensmittelzutaten auf Insektenbasis in der EU genutzt.

Das Beispiel zeigt, wie mit aus dem Zusammenhang gerissenen Bildern und irreführenden Behauptungen Misstrauen gegenüber der EU und ihren Institutionen geschürt werden kann. Denn dass einem jetzt Insekten wider Willen untergejubelt werden, ist nicht der Fall: Lebensmittel, die Insekten enthalten, müssen dies in ihrer Zutatenliste klar und verständlich kennzeichnen. Dabei müssen der lateinische und der deutsche Name genannt werden, so die Bundesregierung.

Angeblicher Händedruck von Von der Leyens Großmutter mit Hitler 

Falsch: Auf einem Schwarz-weiß-Foto reicht eine Frau Hitler die Hand. Es ist nicht die Großmutter von Ursula von der Leyen
Falsche Etikettierung: Bei der Frau, die Hitler die Hand reicht, handelt es sich nicht um die Großmutter von Ursula von der LeyenBild: X/Norman Finkelstein

Behauptung: Die Großmutter von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war eine Anhängerin Adolf Hitlers. 

DW-Faktencheck: Falsch. 

"Nach dieser Begegnung hat sich meine liebe Großmutter einen Monat lang nicht ihre Hände gewaschen". Dieses Zitat samt Foto aus dem angeblichen Familienalbum  von der Leyen ist ein klassisches Beispiel für politisch motivierte Fake News.

Verbreitet hat das GanzeUS-Autor und Aktivist Norman Finkelstein auf X, ehemals Twitter. Er hat dort eine halbe Million Follower. Die historische Aufnahme suggeriert, dass die aktuelle EU-Kommissionspräsidentin Vorfahren hat, die mit den Nazis sympathisierten.  

Sowohl die Angaben zu den Personen auf dem Foto als auch das Zitat darunter sind falsch. Wie bereits andere Faktencheckerherausgefunden haben, handelt es sich bei der Frau auf dem Bild um eine ostpreußische Bäuerin namens Hildegard Zantop und nicht um die Großmutter von Ursula von der Leyen. . 

Das Foto selbst stammt auch nicht aus dem "Ursula von der Leyne's Family album", wie in dem Post von US-Politikwissenschaftler Norman G. Finkelstein angegeben. Es zeigt vielmehr eine Veranstaltung der Nationalsozialisten aus dem Jahr 1937 und ist auffindbar im Bildarchiv Ostpreußen.

Die falsche Schreibweise "Leyne's family album" ist ein erster Hinweis auf die falschen Angaben. Hass und Kritik an Ursula von der Leyen zeigen sich auch in anderen Postsdes US-Autors,  in einem anderen Post auf X beispielsweise bezeichnet er die Politikerin als "Nazi-Prinzessin" und "Frau Völkermord".

Täuschend echt: Spoofing mit Bild und Spiegel

240507 Faktencheck Bild Krah Fake
Stand so nicht in der Bild Zeitung: Artikel über AfD-Europakandidat Maximilian Krah

Behauptung: Die Bild-Zeitung habe einen Artikel mit der Überschrift "AfD-Europaspitzenkandidat schuldet seinen acht Kindern 82.784 Euro Unterhalt!" veröffentlicht. 

DW-Faktencheck: Fake 

Diese Schlagzeile triggerte alle Kritiker der rechtspopulistischen und in Teilen rechtsextremistischen deutschen Partei "Alternative für Deutschland": "AfD-Europaspitzenkandidat schuldet seinen acht Kindern 82.784 Euro Unterhalt!"

Der Artikel über den Politiker Maximilian Krah scheint auf der Internetseite bild.deveröffentlicht worden zu sein. In Wirklichkeit ist der Beitrag dort nie erschienen, wie mehrere Faktencheckseiten nachgewiesen haben.

Bei der vermeintlichen Veröffentlichung handelt es sich um eine Form des sogenannten Spoofing.

Dabei täuschen Cyberkriminelle eine vertrauenswürdige Identität vor, in diesem Fall die des etablierten Portals bild.de. In Wirklichkeit wurde die Seite jedoch nur imitiert.

Wie effizient die kriminelle Methode wirkt, zeigen die zahlreichen Reaktionen im Internet. Zahlreiche Nutzerinnen und Nutzer hielten den Beitrag für echt, verlinkten und kommentierten ihn.

Und tatsächlich lässt sich erst bei genauerer Betrachtung ein Hinweis auf die Fälschung entdecken. So passt die Dachzeile oben auf der Seite, "AfD-Mann Maximilian Krah: Ist er wirklich der beste für Europa?", inhaltlich nicht zur Schlagzeile des Artikels. 

Eine Suche nach dieser Dachzeile im Netz führt zu dem Originalartikel über Krah, der am 24. April 2024 tatsächlich in der Bild Zeitung erschienen ist. Er enthält dasselbe Foto wie in den Screenshots auf X. 

Links ein echter Online-Artikel des Spiegel, links eine gefälschte mit der Domain-Endung .ltd
Die falsche Endung der Internet-Domain - hier "ltd" - ist der offensichtlichste Hinweis darauf, dass es sich um eine Spoofing-Seite handelt

Ein weiteres Beispiel für Spoofing ist der Artikel "Grüne haben Deutschland eingeschläfert" im Design des deutschen Nachrichtenmagazins Der Spiegel. In dem Beitrag wird den Grünen vorgeworfen, mit dem Kampf gegen den Klimawandel zur Verarmung der Bevölkerung beizutragen.

Auch hier zeigt sich die Fälschung erst auf den zweiten Blick. So ist das innenpolitische Thema in der Rubrik Ausland platziert. Außerdem lautet die Adresszeile (URL) spiegel.ltd statt spiegel.de

Alexandre Alaphilippe, Direktor von EU DisinfoLab,warnt davor, dass solche "Doppelgänger-Kampagnen" zunehmen werden. Die Organisation bietet Wissen und Weiterbildung zu Desinformation in Europa. 

"Die Betreiber von Desinformation versuchen, alle Abwehrmechanismen zu testen", erklärte Alaphilippe gegenüber der Presse. Auf diese Weise könnte sie Schwachstellen der Plattformen ermitteln und feststellen, wo sie leichter eindringen könnten.

Dieser Artikel wurde am 13.05.2024 aktualisiert.

Kommentarbild Astrid Prange
Astrid Prange de Oliveira DW-Redakteurin mit Expertise für Brasilien, Globalisierung und Glaubensfragen@aposylt
Jan Walter Autorenfoto
Jan D. Walter Jan ist Redakteur und Reporter der deutschen Redaktion für internationale Politik und Gesellschaft.