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Mythos Milch

Valentin Betz5. November 2014

Ein Glas Milch pro Tag stärkt die Knochen. Milch macht müde Männer munter - Phrasen, die jeder kennt. Die Ergebnisse einer schwedischen Langzeitstudie lassen an diesen Behauptungen nun allerdings zweifeln.

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Mädchen mit Milchglas (Foto: Patrick Pleul)
Bild: picture alliance/ZB/P. Pleul

Ein Mädchen lächelt mit weißem Milchbart in die Kamera, ein Glas Milch in der Hand, eine volle Kanne daneben. Ein beliebtes Werbemotiv. Genauso wie strahlend weiße Milch, die sich wie durch Zauberhand mit anderen Zutaten zu einem gesunden Müsli vermischt. Solche Bilder laufen täglich über die Mattscheibe. Die Assoziation: Solange Milch drin ist, ist's auch gesund.

Große Studie, wenig Gehalt

Auch wenn diese Botschaft überspitzt sein mag, zweifelt eineschwedische Langzeitstudie nun an der weißen Weste der Milch - und zwar an ihr in Reinform, nicht nur als Zugabe zu süßen Frühstücksflocken und Co.

Über einen Zeitraum von zwanzig Jahren beobachteten die Forscher der Universität Uppsala 61.000 Frauen, 45.000 Männer über elf Jahre lang, um den Zusammenhang zwischen ihrem Milchkonsum, höherer Sterblichkeit und häufigeren Knochenbrüchen zu dokumentieren.

Ihr Ergebnis: Die Sterberate lag bei den Probanden, die täglich drei Gläser Milch oder mehr getrunken haben, über dem Durchschnitt. Die Zahl der Knochenbrüche war hingegen nur bei Frauen mit hohem Milchkonsum erhöht - nicht aber bei Männern.

Eckhard Heuser vomMilchindustrie-Verband in Berlin kritisiert die schwedischen Forscher hierbei jedoch in ihrem Vorgehen: "Kohortenstudien (Anm. d. Redaktion: beobachtende Studien) wie diese verwendet man, um Verdächtigungen grob zu prüfen." Aus der vorliegenden Studie seien falsche Schlussfolgerungen gezogen worden.

Und selbst Karl Michaëlsson, einer der Koautoren der Studie, warnt vor voreiligen Schlüssen: "Wir können nicht sagen, dass diese Zusammenhänge ausschließlich vom Milchkonsum verursacht werden. Die Milch ist nur ein Teil des Puzzles."

Erste Verdächtige

Einen potenziellen Übeltäter in diesem Puzzle haben die Forscher aus Schweden aber womöglich identifiziert. Ihre Vermutung: D-Galactose - ein Zucker, der hauptsächlich in Kuhmilch auftritt. Mäuse und Ratten, denen dieser Stoff verabreicht wurde, alterten schneller und starben früher.

Die verabreichte Menge entsprach dabei der von zwei Gläsern Milch. Für Milchprodukte - wie Käse oder Joghurt - gibt die schwedische Studie allerdings Entwarnung. "Verglichen mit normaler Kuhmilch haben fermentierte Milchprodukte einen deutlich niedrigeren D-Galactose Gehalt", sagt Michaëlsson.

Joghurt (Foto: Fotolia)
Milchprodukte wie Joghurt stellen laut Studie keine Gefahr für die Gesundheit darBild: Fotolia/ Africa Studio

Heuser zweifelt die Übertragbarkeit dieses Tierversuchs an. "Natürlich stirbt ein Tier früher, wenn man es mit übermäßig viel Zucker versorgt." Das würden Menschen mit drei Gläsern Milch pro Tag allerdings nicht erreichen - wobei diese Menge bei Erwachsenen auch nicht als normal zu bezeichnen sei. "Wenn die Vorwürfe zur D-Galactose stimmen, dürften Frauen nicht mehr stillen", erklärt Heuser. Denn der Wert in menschlicher Muttermilch überschreite den der Kuhmilch sogar noch.

Offene Fragen

Es gibt noch viel Forschungsbedarf, sagen selbst die schwedischen Forscher. So stütze sich die Studie zum Beispiel nur auf die eigenen Angaben der Teilnehmer - und außerdem müssten auch eventuelle Störfaktoren - wie Ess- und Trinkverhalten, Sport oder Rauchen - mit einbezogen werden. Die beobachteten Probanden waren noch dazu alle unterschiedlich alt. Michaëlsson sieht das Studienergebnis aber als Anlass für weiteren Handlungsbedarf: "Wir können keine Empfehlung zum Milchkonsum geben, die sich lediglich auf diese eine Studie gründen. Wir müssen die Ergebnisse sehr vorsichtig analysieren. Unsere Studie macht nur eines sichtbar: Wir brauchen noch größer angelegte Studien."

Milch (Foto: Fotolia)
Strahlend weiß - wie aus der Werbung. Doch die tägliche Milch ist nicht unumstritten.Bild: Fotolia/Mara Zemgaliete

Salz in der Wunde

Für die Milchindustrie seien die Ergebnisse dennoch fatal, so Heuser: "Wir werden Jahre brauchen, um diesen schlechten Eindruck wieder auszuräumen." Etwas Positives kann er der Studie trotzdem abgewinnen: "Die Gesellschaft interessiert sich sehr für Ernährung. Es ist auch gut, dass über Milch gesprochen wird."

Wenn man also das nächste Mal mit einem Glas Milch in der Hand vor der Werbung sitzt, darf man dem Kind mit weißem Oberlippenbärtchen nach wie vor zuprosten.