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Wie kann Athen noch an Geld kommen?

Gernot Heller, rtr6. Juli 2015

Nach dem Nein der Griechen zu den Reformauflagen der Europäer steht Alexis Tsipras nun vor der Frage: Woher bekommt sein klammes Land neues Geld? Die Hürden für neue Hilfen werden immer höher.

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Leere Taschen
Bild: Fotolia/photo 5000

Nach Einschätzung der meisten Experten muss Griechenland mit seinen Geldgebern nun möglichst schnell Verhandlungen über ein neues Hilfsprogramm aufnehmen, denn schon in zwei Wochen ist eine Rückzahlung von 3,5 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank fällig.

Die Schlüsselrolle bei neuen Verhandlungen wird der Euro-Rettungsfonds ESM spielen. Sein Vorgänger, der Rettungsschirm EFSF, steht nicht mehr zur Verfügung. Und vom Internationalen Währungsfonds (IWF) kann das Land vorerst kein neues Geld erwarten, nachdem es Ende Juni fällige IWF-Kreditrückzahlungen von 1,6 Milliarden Euro nicht überwiesen hat.

Allerdings sind die Hürden, um den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) anzapfen zu können, für Athen höher denn je. Darauf verwies schon Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Ein allgemein gehaltenes Hilfsersuchen hat der griechische Regierungschef Alexis Tsipras mit einem Brief an Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem schon am 30. Juni übermittelt, ohne dass er darin eine Summe nannte. Daran will er vermutlich nun schnellstens anknüpfen.

Voraussetzungen nicht gegeben

Ob Griechenland überhaupt ESM-Gelder erhalten kann, ist fraglich. In Artikel 3 des ESM-Vertrages heißt es, Finanzhilfen würden nur gewährt, "wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedsstaaten unabdingbar ist". Bundeskanzlerin Angela Merkel, Schäuble und andere Euro-Politiker erklären aber seit Wochen, dass die Hellas-Krise den Währungsraum im Ganzen und die Stabilität des Euro nicht mehr gravierend gefährde könne. Und auch an den Märkten ist bisher kein Chaos ausgebrochen, was für eine eher begrenzte Gefahr für den Euro durch die Krise spricht.

Eine weitere Hürde könnte die Bedingung in den ESM-Regeln darstellen, dass ein Hilfskandidat den europäischen Fiskalpakt mit seinen strikten Vorgaben zum Defizitabbau und zur Schuldenbremse ratifiziert und umgesetzt haben muss. Griechenland hat den Vertrag ratifiziert, die Umsetzung wurde von Brüssel aber noch nicht bescheinigt.

Ohne Bundestag geht nichts

Die gravierendste Verschärfung für Rettungsbegehren über den ESM ergibt sich aber aus den nationalen Regeln für die Umsetzung des neuen Instruments in Deutschland. Die sehen nämlich eine deutliche Ausweitung und Aufwertung der Bundestags-Beteiligung vor. "In allen wesentlichen Fragen darf der deutsche Vertreter (beim ESM) nicht ohne Beteiligung des Deutschen Bundestages abstimmen", formuliert das Bundesfinanzministerium.

Beim ESM wird das deutsche Parlament bei grundsätzlichen Entscheidungen über ein Hilfeverfahren nicht wie bislang nur einmal, sondern zweimal gefragt. Zunächst muss es zustimmen, wenn konkrete Verhandlungen über ein Hilfsprogramm gestartet werden sollen. Zudem müssen die Abgeordneten grünes Licht geben, wenn über ein ausgehandelte Anpassungsprogramm und den dazugehörigen Kreditvertrag entschieden werden muss. Geregelt ist das in Paragraph 4 des ESM-Finanzierungsgesetzes.

Faktisches Vetorecht

Da Schäuble im ESM-Gouverneursrat in beiden Fällen nur mit "Ja" stimmen kann, wenn ihm das Parlament dafür das Mandat gibt, und in dem Rat Einstimmigkeit gefordert ist, hat der Bundestag praktisch ein Vetorecht und kann schon den Start eines Hilfeverfahrens stoppen. Es spricht also zwar nichts dagegen, dass die Euro-Länder in Gespräche mit Griechenland einsteigen. Konkrete Verhandlungen über eine neues, drittes Hilfsprogramm dürfen das aber nicht sein. Dazu müsste Schäuble in der Sommerpause erst in einer Sondersitzung des Bundestages ein Mandat bekommen.

Auch mit milderen Auflagen könnte die Regierung in Athen nicht zwangsläufig rechnen. Denn wie schon beim EFSF gilt für den ESM, dass die Hilfen dem Ziel dienen sollen, das Land in absehbarer Zeit wieder auf wirtschafts- und finanzpolitisch eigene Beine zu Stellen. Und dabei dürfen Einschnitte kaum zu vermeiden sein, denn mit einer Verschuldung von fast 180 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung ist das Land momentan weit davon entfernt, seine Verpflichtungen erfüllen zu können.

Schulden strecken über den ESM?

Auch bei der von Tsipras geforderten Ent- oder Umschuldung Griechenlands könnte der ESM ins Spiel kommen. Anders als sich das der scheidende Finanzminister Yanis Varoufakis vorstellt, könnte der Fonds allerdings nicht die griechischen Staatsanleihen von rund 27 Milliarden Euro abkaufen, die bei der Europäischen Zentralbank liegen und kurz- und mittelfristig mit Zinsen und Tilgungen bedient werden müssen. Das sehen seine Statuten nicht vor.

Der Fonds könnte Griechenland aber über ein normales Hilfsprogramm - unter Auflagen - weitere Milliarden leihen. Damit könnte das Land entweder diese Anleihen von der EZB zurückkaufen oder damit Monat für Monat die laufenden Zahlungsverpflichtungen daraus leisten. Der Vorteil wäre: Die ESM-Kredite laufen über Jahrzehnte, könnten mit tilgungsfreien Zeiten versehen werden und würden dem Land damit kurzfristig Luft zum Atmen geben. Selbst eine Verzicht auf diese Rückzahlungen, ein "Haircut", wäre mit dem ESM wohl leichter als mit der Europäischen Zentralbank zu erreichen.