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Berggreen-Merkel begrüßt Vereinbarung im Fall Gurlitt

Birgit Goertz7. April 2014

Die Juristin Berggreen-Merkel leitet die sogenannte Taskforce "Schwabinger Kunstfund". Im DW-Gespräch erläutert sie, wie es nun weitergeht und welche Bilder als erstes unter die Lupe genommen werden.

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Ingeborg Berggreen-Merkel 22.2.2014
Ingeborg Berggreen-MerkelBild: DW/H. Mund

Vertreter der Bundesregierung, des Freistaates Bayern und die Anwälte von Cornelius Gurlitt haben am Montag (07.04.2014) eine Vereinbarung zum weiteren Umgang mit den Kunstwerken des sogenannten Schwabinger Kunstfundes geschlossen. Im Kern erklärt sich Gurlitt bereit, nach Beendigung der Beschlagnahme durch die Staatsanwaltschaft die Herkunft der Bilder durch die Experten der Taskforce klären zu lassen. Er selbst darf einen Wissenschaftler seiner Wahl in das Team entsenden, damit die Wahrung seiner Interessen garantiert wird. "Kunstwerke, für die innerhalb eines Jahres die Provenienz-Forschung durch die Taskforce nicht abgeschlossen wurde, werden an Cornelius Gurlitt zurückgegeben", hieß es in der Erklärung.

Die Bundesregierung und das Bundesland Bayern haben das internationale Expertenteam aus Kunsthistorikern, Provenienzforschern und Juristen unter Leitung von Ingeborg Berggreen-Merkel einberufen, um die für den Fall zuständige Augsburger Staatanwaltschaft bei der Provenienz-Recherche zu unterstützen.

Deutsche Welle: Es gab zwar Anzeichen, dass eine Einigung im Fall Gurlitt bevorstünde, doch der Zeitpunkt ist nun doch überraschend. Wie schwierig war es, zu dieser Vereinbarung zu kommen?

Ingeborg Berggreen-Merkel: Man redet über die Themen und man spricht miteinander, das ist ein ganz normaler Prozess, den man von beiden Seiten eingeht. Ich bin sehr froh, dass wir jetzt das Vorliegende erreicht haben.

Was waren denn die Knackpunkte auf Seiten Gurlitts?

Es gibt keine Knackpunkte in dem Sinne. Man muss bei dieser Vereinbarung sowohl die wirklich vorhandenen Rechte von Herrn Gurlitt immer berücksichtigen als auch auf der anderen Seite sehen, wie die Erwartungen gerade des Auslands an diesem Fund sind. Und das muss in einen guten Zusammenhang gebracht werden.

Der Fall Gurlitt ist mit der heutigen Einigung noch lange nicht abgeschlossen. Geht die Arbeit der Taskforce nun erst richtig los?

Die Taskforce läuft schon die ganze Zeit. Es ist sehr viel Grundlagenforschung gemacht worden. Ich bin zuversichtlich, dass wir in den nächsten Monaten einen sehr großen Teil der vorliegenden Kunstwerke in der entsprechenden Weise begutachten werden.

Der Schwabinger Kunstfund umfasst mehr als 1200 Kunstwerke. Nun heißt es, die Taskforce muss innerhalb eines Jahres alle Bilder überprüfen.

Die Zahlen muss man relativieren. Von diesen Bildern müssen Sie sowieso diejenigen abziehen, die eindeutig nichts mit der ganzen Thematik zu tun haben, sondern Kunstwerke sind, die ganz klar im Eigentum von Herrn Gurlitt standen und stehen. Dann müssen Sie diejenigen herausnehmen, bei denen ein Verdacht besteht, dass sie Raubkunst sein könnten. Auf die werden wir uns konzentrieren und die werden wir weitergehend untersuchen. Das Thema "Entartete Kunst", das habe ich schon immer gesagt, wird dann nachrangig sein. Das Wichtigste ist, dass wir die Kunstwerke, bei denen möglicherweise Verdachtsmomente bestehen, dass sie Menschen damals unter grauenvollen Bedingungen abgepresst und weggenommen wurden, dass wir die im Hinblick auf die Erben und die Überlebenden des Holocaust möglichst vorrangig und schnell begutachten.

Als Zahl steht im Raume, dass ca. 500 Werke im Verdacht stehen, Nazi-Raubkunst zu sein. Können Sie das bestätigen?

Es ist eine Negativliste erstellt worden. Es sind rund 500 Kunstwerke, bei denen nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie Raubkunst sein können. Das ist ein Unterschied.

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Aquarell von Hans Christoph aus dem Jahr 1924Bild: picture-alliance/dpa

Und sind das die Werke, die sie sich nun als erstes vornehmen?

Das sind die Bilder, auf die wir uns jetzt konzentrieren.

Die Herkunft von 500 Bildern in einem Jahr vollständig abklären zu wollen, ist das realistisch?

Wir haben uns zum Ziel gesetzt, in diesem Zeitraum im wesentlichen die Arbeit abzuschließen. Aber wir haben natürlich auch gesagt, dass bei den Kunstwerken, bei denen Ansprüche angemeldet worden sind oder bei denen unsere Sachverständige sehr starke Verdachtsmomente haben, dass es Raubkunst sein könnte, dass diese Werke auch weiterhin begutachtet werden können.

In den Mitteilungen über die Inhalte der Vereinbarung gibt es den Passus, dass Cornelius Gurlitt mindestens einen Wissenschaftler in die Taskforce entsenden darf. Heißt das, dass es auch mehrere sein könnten?

Einen [Sachverständigen, Anm. d. Red] kann er mindestens hineinnehmen. Ich möchte die Taskforce nicht so groß werden lassen. 14 Personen sind wir schon, so dass wir gesagt haben, für den Bestand, den wir jetzt [zur Begutachtung, Anm. d. Red.] haben, nur einen hinzuzunehmen. Aber das ist offen und darüber können wir uns im weiteren Verfahren noch Gedanken machen.

Das Ausland zeigt ein extrem großes Interesse am Fortgang des Fall Gurlitt. Haben Sie das in irgendeiner Form als Druck aus dem Ausland gespürt?

Ich habe keinen Druck aus dem Ausland gespürt, aber ich habe das große Interesse aus dem Ausland gespürt. Ich habe mit vielen gesprochen, auch mit den Sondergesandten und Sonderbotschaftern für Holocaust-Fragen des Vereinigten Königreiches, der Vereinigten Staaten und vor allem von Israel. Natürlich haben mir die Herren gesagt, wie groß das Interesse ist, und wie groß die Hoffnungen gerade auch im Ausland sind, verschollen geglaubte Kunstwerke wiederzufinden. Dem wollen wir Rechnung tragen und dem fühlen wir uns auch verpflichtet. Aber wir fühlen uns auch den Rechten von Herrn Gurlitt verpflichtet, das habe ich auch immer gesagt. Die Vereinbarung, die jetzt getroffen ist, fügt, so glaube ich, sehr gut die Rechte von Herrn Gurlitt einerseits und die Erwartungen, die im Ausland an diese Sammlung gestellt werden, andererseits zusammen.

Aufgrund des großen öffentlichen und internationalen Interesses werden auch sehr viele Beobachter auf den Fortgang der Arbeit der Taskforce schauen. Wieviel an Transparenz über die Arbeit der Taskforce können Sie gewährleisten und auf welche Weise?

Wir arbeiten in einem geschützten Chatroom mit virtuellen Bildern, weil die Originale nicht von uns andauernd bearbeitet werden können. Wir haben vor, wenn wir die Ergebnisse gefunden haben, was mit einem Bild ist, bislang der Staatsanwaltschaft zu berichten – solange wir noch für die Staatsanwalt tätig sind, ist das der einzige Weg. Sollte die Beschlagnahme aufgehoben werden und wir dann mit Herrn Gurlitts Einverständnis die Bilder weiter betrachten, werden wir den Beteiligten – den Anspruchstellern und Herrn Gurlitt entsprechende Mitteilung machen.

Wird das dann Bild für Bild geschehen oder bündeln Sie das?

Ich glaube, wir werden das Bild für Bild machen.