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Wettbewerb ja, aber bitte ohne Ellenbogen

Martin Schrader28. April 2002

Seit dreieinhalb Jahren sitzen Bündnis 90/Die Grünen an den Schalthebeln der politischen Macht in Deutschland. Freude an der Wirtschaftspolitik haben ihre Wortführer in dieser Zeit noch nicht gefunden.

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Über Wirtschaftspolitik wird hier vermutlich nicht getuscheltBild: AP

Mehr als vierzig Seiten umfasst das Wahlgrogramm der Grünen, das die Parteispitze am Mittwoch (24.04.) in Berlin vorstellte. Ein Kapitel über Wirtschafts- und Finanzpolitik sucht man in dem Dokument aber vergebens. Wo Themen wie die Zukunft der Unternehmen in Deutschland oder der EU-Binnenmarkt zur Sprache kamen, wurden sie eng verknüpft mit Forderungen nach sozialer Sicherheit, so genannter "Teilhabegerechtigkeit" und fairem Wettbewerb.

"Gerechtigkeit ist einer unserer Grundwerte", so das Programm. "Wir stehen für eine gerechte Verteilung der gesellschaftlichen Güter, und das erfordert besonders eine Parteinahme für die sozial Schwachen." Die Grünen wollen deshalb im Falle einer Wiederwahl die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu ihrem höchsten Ziel machen. Dies erfordere unter anderem die Verteidigung sozialer Sicherheit in Deutschland, um damit ein Abrutschen von Menschen in Armut und Ausgrenzung zu verhindern. "Der kalten Politik des neoliberalen Ellenbogens" erteilen die grünen Parteistrategen eine klare Absage.

Stricken am sozialen Netz

Was das Stricken am sozialen Netz kosten wird, lässt der Text offen. Zweierlei Dinge sind der die Partei allerdings wichtig: Einen Anstieg der Lohnnebenkosten, etwa für Renten- und Krankenversicherungen, will sie nicht in Kauf nehmen. Auch ein Ausufern der öffentlichen Schulden soll unterbunden werden. Darin ist sich die Partei einig mit ihrem Koalitionspartner, der SPD.

Wer also soll zum Beispiel die steigenden Kosten für Krankenversicherungen zahlen? Eine mögliche Geldquelle scheint aus Sicht der Grünen die Ökosteuer zu sein. Die SPD kündigte zwar bereits an, dieses Projekt solle wie geplant am 1. Januar 2003 auslaufen. Eine weitere Anhebung dieser Steuer werde es mit ihr nicht geben. Bei den Grünen heißt es dagegen: "Wir wollen die Ökosteuer zu einer ökologischen Finanzreform weiterentwickeln."

Meister als Auslaufmodell

Sympathien bekundete die jüngste Partei im Deutschen Bundestag in ihrem Wahlprogramm, das bis zum Jahr 2006 Gültigkeit haben soll, für kleine und mittlere Unternehmen. Um diesen zu helfen, wolle sie "bürokratische Hemmnisse für den Mittelstand abbauen, für faire Wettbewerbsbedingungen sorgen und die Kultur der Selbständigkeit stärken." Sie erwägt außerdem, im Handwerk den Zwang zur Meisterprüfung als Voraussetzung für Selbständigkeit und Existenzgründung abzuschaffen.

Was von dieser Forderung bis zum 22. September bestehen bleibt, muss sich noch zeigen. Sie ist in dem Programm als Vorschlag formuliert. Die letzte Entscheidung darüber soll auf einem Bundesparteitag Anfang Mai in Wiesbaden fallen. Sollte die Partei dort gegen den Fortbestand des Meisterzwangs votieren, ist ihr bei den Bundestagswahlen zumindest eines sicher: Die Quittung aus traditionsreichen Meistertrieben, die sich vor Preisschlachten im Handwerk fürchten.