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Wettbewerb der Worte – 25 Jahre Poetry Slam

22. August 2011

Klassische Dichterlesungen fand Marc Kelly Smith aus Chicago langweilig. Deshalb erfand er Poetry Slam, eine Art modernen Dichterwettstreit. Was in Chicago begann, hat sich längst auf dem ganzen Globus verbreitet.

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Tara Brenner liebt die Performance: Auftritt beim National Poetry Slam 2011 in Boston Foto: Marshall Goff
Tara BrennerBild: Marshall Goff

Wenn Tara Brenner auf der Bühne steht, gibt sie alles. Mit feuerrotem Haar steht sie am Mikrofon und präsentiert wortgewandt und witzig ihr selbst geschriebenes Gedicht. Das Thema: warum Vampire die besseren Männer sind. Tara macht kein Geheimnis daraus, dass sie ein großer Fan der "Twilight"-Serie ist – und hat die Zuhörer schon nach wenigen Augenblicken im Griff. Genau darum geht es beim Poetry Slam: innerhalb von drei Minuten das Publikum zu überzeugen.

Anders als bei traditionellen Dichter-Lesungen spielen die Zuhörer beim Poetry Slam die entscheidende Rolle. Sie beurteilen, ob ein Gedicht gut ist oder nicht. Für die 25-jährige Tara ist das genau der richtige Ansporn. "Wenn man ein belangloses Gedicht vorträgt, lehnt das Publikum einen ab", sagt Tara. "Aber wenn man wirklich etwas zu sagen hat, dann wollen es die Leute hören. Deshalb wird Poetry Slam immer besser."

Performance statt klassische Dichterlesung

Poetry Slam USA Patricia Smith Foto:Marshall Goff
Patricia Smith beim Poetry SlamBild: Marshall Goff

Seit der Dichterwettstreit vor 25 Jahren erfunden wurde, hat er sich in Nordamerika, Europa und schließlich auf der ganzen Welt verbreitet. Allein in Deutschland finden jährlich um die 100 Veranstaltungsreihen statt. Selbst geschriebene Gedichte vorzutragen und von Laien bewerten zu lassen – diese Art der Performance spricht viel mehr Menschen an als die klassische Lesung mit Tisch und Wasserglas.

Patricia Smith, viermalige Siegerin des National Poetry Slam in den USA, hat die Anfänge des Poetry Slam in Chicago miterlebt. Dort wurde der Wettbewerb als Teil einer wöchentlichen Literaturshow erfunden – und entwickelte sich bald zu einem Publikumsmagnet. "Am Anfang war es neu, dass wir ohne Skript aufgetreten sind und auf die Performance Wert gelegt haben. Das gab es vorher nicht", erinnert sich Patricia Smith. "Gleichzeitig waren es aber auch wirklich gute Gedichte. Mit der Zeit habe ich beobachtet, dass die Leute sich immer weniger Mühe mit dem Schreiben gegeben haben. Der Fokus hat sich vom Schreiben zur Performance verschoben. Das hat mich geärgert."

Poetry Slam als Karriere-Sprungbrett

Inzwischen komme es den Dichtern immerhin wieder mehr auf den Inhalt an, sagt Patricia Smith. Trotzdem blickt sie etwas wehmütig auf die Anfänge des Poetry Slam zurück, als die Wettbewerbe noch ein bisschen kleiner und bescheidener waren. "Heute ist Poetry Slam fast eine Industrie", sagt Patricia Smith. "Da steckt eine Menge Geld drin. Es gibt Leute, die über Poetry Slam an einen Plattenvertrag kommen wollen oder ins Fernsehen. Die nutzen Poetry Slam sozusagen als Sprungbrett."

Wachsende Slam-Communities

Warteschlange beim Poetry Slam Foto: Marshall Goff
Warteschlange beim Poetry SlamBild: Marshall Goff

Als Tara Brenner auf die Welt kam, wurde Poetry Slam gerade erfunden – und hat seither immer neue Formen entwickelt. In vielen Städten auf der ganzen Welt gibt es Poetry Slam Communities. Dass der Wettbewerb irgendwann keine Rolle mehr spielt – das kann sich die 25-Jährige nicht vorstellen: "Ich glaube nicht, dass Poetry Slam irgendwann verschwinden wird", sagt sie. "Es wird einfach immer größer. Immer mehr Leute haben etwas zu sagen – und Poetry Slam ist für mich der beste Platz dafür. Und ich glaube, das sehen andere Leute genauso."

Das nächste Großereignis der Slam-Saison steht in Hamburg an. Hier finden vom 18. -22. Oktober die 15. deutschsprachigen Poetry Slam Meisterschaften statt. Fünf Tage lang werden 30 Locations bespielt, vom kleinen Club über das Schauspielhaus Hamburg bis zur 15.000 Personen fassenden O2-Arena. 300 Teilnehmer haben sich bis jetzt schon angemeldet, insgesamt erwarten die Veranstalter rund 15.000 Besucher. Neben dem schon etablierten Wettbewerb soll es in Hamburg erstmals auch einen U20-Sonderwettbewerb geben.

Autorin: Anne Allmeling

Redaktion: Gudrun Stegen