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Westsahara - Ein festgefahrener Konflikt

Nadina Schwarzbeck7. März 2013

Der Westsaharakonflikt ist komplex und sorgt nach 38 Jahren immer noch für Kontroversen. Die Meinungen gehen dabei weit auseinander, und internationale Institutionen jonglieren mit unterschiedlichen Positionen.

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Karte Westsahara Deutsch - 013_02_27_westsahara.psd

Der Konflikt in und um die Westsahara schwelt seit Jahrzehnten. Als sich nach dem Tod des Diktators Franco die Spanier 1975 aus ihrer damaligen Kolonie zurückzogen, marschierte Marokko in das Nachbarland ein. Seitdem hält Marokko große Teile des Territoriums besetzt und betrachtet das Gebiet als Bestandteil seines Landes. Dagegen wehrt sich die Bewegung Frente Polisario, die die Unabhängigkeit der Westsahara anstrebt.

Das Thema sorgt regelmäßig für hitzige Diskussionen, nicht nur in Afrika.

Ein DW-Beitrag vom 27.2.2013, der 37 Jahre nach der Ausrufung der "Demokratischen Arabischen Republik Sahara" durch die Polisario einen Blick auf den Konflikt richtet, löste heftige Reaktionen aus. Leser warfen der DW vor, zu einseitig argumentiert zu haben. Es wurde auch bemängelt, dass in dem Artikel die marokkanische Seite nicht beachtet wurde. Auch der marokkanische Botschafter schrieb dazu eine Beschwerde und faxte sie an die DW. Die DW bat daraufhin ihn und die algerische Botschaft um ein Interview, bis jetzt gab es aber von beiden Seiten keine Zusage.

Einer der ältesten Konflikte Afrikas

Ein rund 2500 Kilometer langer Sandwall spaltet heute die Region Westsahara in Nordwestafrika. Auf der einen Seite der von Marokko kontrollierte, größere Teil, rund 80 Prozent des Territoriums. Auf der anderen Seite die restlichen 20 Prozent in der Hand der Unabhängigkeitsbewegung Frente Polisario. Seit 1991 herrscht ein Waffenstillstand, den die UN-Mission MINURSO bis heute überwacht.

Ein französischer Soldat der UNO steht vor einem Flugzeug. (Foto: AFP/PHOTO/ABDELHAK SENNA)
Die UN-Mission MINURSO in WestsaharaBild: AFP/Getty Images

Die Frente Polisario hatte den Waffenstillstand mit der Bedingung verknüpft, per Referendum über die Unabhängigkeit abstimmen zu dürfen. Dieses Referendum ist aber bis heute nicht abgehalten worden. Das sieht auch Wolfgang Weisbrod-Weber, Direktor der MINURSO, als Kernproblem: "Der ungeklärte Status lastet als dunkle Wolke über allem und geht so auch nicht weg."

Autonomie nur innerhalb marokkanischem Staatsgebiet

Kritiker werfen der marokkanischen Regierung vor, das Referendum zu blockieren. Dagegen wehrt sich Marokko. Der marokkanische Botschafter in Berlin, Omar Zniber, schrieb dazu in seinem Fax an die DW:

Das Thema wird zurzeit seitens der UNO, beziehungsweise vom Sicherheitsrat geprüft. Besonders die Initiative zur Autonomie, die von Marokko im April 2007 vorgelegt worden ist, ist als "glaubhaft und seriös" eingestuft worden.

Die marokkanische Haltung ist eindeutig: maximal will man der Westsahara eine Autonomie innerhalb des marokkanischen Staates zugestehen. Darüber dürfe im Rahmen eines Referendums abgestimmt werden, so Rabat. Das ist aber für die Gegenseite, für die Verfechter der Unabhängigkeit, unannehmbar.

Der Konflikt und seine Akteure

Der Konflikt um Westsahara bleibt festgefahren, viele sprechen vom langwierigsten Konflikt Afrikas. Eine Schlüsselrolle darin spielt Algerien, der Nachbar und wirtschaftliche Rivale Marokkos. In Lagern auf algerischem Gebiet leben seit Jahrzehnten auch etwa 100.000 Flüchtlinge aus der Westsahara. Seit 1976 unterstützt Algier die Polisario aktiv und erkannte als erstes Land die Demokratische Arabische Republik Sahara (DARS) als Staat an.

Polisario-Männer in einem Armeewagen. (Foto: Karlos Zurutuza)
Die Bewegung Frente Polisario will die Unabhängigkeit von MarokkoBild: Karlos Zurutuza

Seither haben sich etwa 50 Länder angeschlossen, darunter vor allem afrikanische. Wie man sich zur Westsahara bekenne, hänge vor allem vom bilateralen Verhältnis zu Algerien und Marokko ab, sagt Riadh Sidaouis, der Direktor des arabischen Zentrums für politische und soziale Analysen in Genf. Das übrigens gilt auch für europäische Länder: "Ökonomische Interessen spielen eine große Rolle, kein Land möchte es sich mit Algerien verscherzen, weil sie Öl und Gas haben. Und mit den Marokkanern, die viele Waffen von EU-Staaten kaufen, möchte man sich auch gut stellen."

Geteilte Meinungen

Ergebnis: Afrikas Haltung im Westsahara-Konflikt ist alles andere als einhellig: Zwar nahm die Vorgängerorganisation der Afrikanischen Union, die OAU, schon 1982 die Demokratische Arabische Republik Sahara als offizielles Mitglied auf. Daraufhin verließ Marokko das Staatenbündnis und ist seitdem der einzige Staat Afrikas, der nicht Mitglied der Afrikanischen Union ist.

Aber nur 36 von 54 Ländern Afrikas haben die Demokratische Arabische Republik Sahara bis heute anerkannt, und einige haben diesen Schritt auch schon wieder zurückgenommen. Auch Südafrika, diplomatisch eine der stärksten Mächte des Kontinents, entschloss sich erst 2004 unter Präsident Thabo Mbeki zu einer Anerkennung. Dass sich seither auch die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Südafrika und der Öl- und Gasmacht Algerien schlagartig verbessert haben, gehört zur Logik des Konflikts.

EU hat keine klare Position

Die Europäische Union ist über der Westsahara-Frage ebenfalls zerstritten. Frankreich und Spanien bestimmen die Debatte, mit höchst unterschiedlichen Interessen. Frankreich etwa gilt als Verbündeter Marokkos, Rabat unterstützt den französischen Einsatz in Mali und gewährte der Luftwaffe Überflugrechte. Auch wirtschaftlich sind beide Länder eng verknüpft. Die Beziehungen Frankreichs zu Algerien sind dagegen seit dem blutigen Befreiungskampf der Algerier in den 60ern belastet. Spanien wiederum steht Algerien näher und unterstützt als ehemalige Kolonialmacht Westsaharas den Unabhängigkeitskurs der Sahrawis. Die portugiesische Europaparlamentarierin Ana Gomes befürchtet, dass die unklare Haltung Europas die wachsende Radikalisierung Westsaharas noch beschleunigt. "Der Konflikt sorgt für potentielle Rekrutierungserfolge für Extremisten. Diese suchen Menschen, die unzufrieden sind und rebellieren wollen, um ihre Situation zu verbessern."

Ana Maria Rosa Martins Gomes. (Foto: CC-BY-Security & Defence Agenda)
EU-Abgeordnete Ana Maria GomesBild: CC-BY-Security & Defence Agenda

Nicht nur Marokko wirft Mitgliedern der Frente Polisario Verbindungen zu radikalen Islamisten vor, sondern auch Frankreich. William Lawrence, der Nordafrika-Direktor der unabhängigen Studiengruppe International Crisis Group findet diese Vorwürfe übertrieben: "Es wird zwar berichtet, dass mehrere hundert Sahrawis im Mali-Konflikt auf Seite der Islamisten kämpfen, aber dafür gibt es keine Beweise". Vereinzelt seien zwar Sahrawis dort im Mali-Konflikt verstrickt, aber das habe nichts mit der Politik der Frente Polisario zu tun, so Lawrence weiter: "Sie haben kein Interesse, sich mit radikalen islamistischen Gruppen zu verbinden."

Der Konflikt ist und bleibt festgefahren. Im UN-Sicherheitsrat finden immer wieder Verhandlungen zwischen Marokko und der Frente Polisario statt. Einen Durchbruch gibt es aber nicht, beide Seiten beharren auf ihren Positionen. Und so lange das so ist, wird der völkerrechtliche Status Westsaharas ungeklärt bleiben.