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Werden die Roma in Polen diskriminiert?

16. September 2002

- Bericht des Europäischen Zentrums für Rechte der Roma löst Kontroversen aus

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Warschau, 12.9.2002, GAZETA WYBORCZA, poln.

"Polen ist ein Staat, in dem die Roma diskriminiert werden und in dem die Behörden keine Versuche unternehmen, dem entgegenzuwirken", behauptet das Europäische Zentrum für Roma-Rechte (ERRC). Diese Meinung wird jedoch weder vom polnischen Ministerium für Inneres und Verwaltung noch vom polnischen Ombudsmann geteilt.

Am Donnerstag (12.9.) hat die internatonale Organisation der Roma (ERRC), die die Situation der Roma in ganz Europa untersucht, einen Bericht über die Lage der polnischen Roma nach 1989 veröffentlicht. Aus diesem Bericht geht hervor, dass es häufig zur Verletzung der Rechte der Roma in Polen kommt. "Dies ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass den Roma seitens der lokalen und der zentralen Behörden kein entsprechender Schutz vor Gewalt und Diskriminierung gewährt wird", ist in diesem Bericht zu lesen.

Die Verfasser des Berichtes behaupten unter Berufung auf einzelne Beispiele, dass es oft zu Gewaltübergriffen gegen die Roma in Polen kommt, die von den Skinheads verübt werden, die dann dafür nicht bestraft werden. Die Roma werden aber auch von der polnischen Polizei schikaniert, grundlos verhaftet und ihr Vermögen wird unberechtigt beschlagnahmt.

Während der Veröffentlichung des Berichtes sagte Claude Cahn, der Programmdirektor der Organisation ERRC, dass es in Polen nicht selten zu Pogromen gegen Roma kommt, die einen lokalen Charakter haben. Seiner Ansicht nach unternehmen die Behörden keinerlei Schritte, um dem entgegenzuwirken oder die Täter zu überführen und zu bestrafen.

"Im Süden Polens entstehen Roma-Siedlungen, die an Ghettos erinnern und wo der Lebensstandard sehr niedrig ist", sagte Claude Cahn und fügte hinzu: "Den Roma wird der Zugang zu den Grundleistungen verweigert, die jedem Bürger vom Staat garantiert werden wie z.B. zum Gesundheitswesen oder zu den Sozialeinrichtungen. Die lokalen Behörden verweigern außerdem den Roma oft die Anmeldung". Ferner kritisierte Cahn die Maßnahmen, die das Analphabetentum unter den Roma-Kindern bekämpfen sollen. Seiner Meinung nach sind die Klassen, in denen Roma-Kinder lernen, viel schlechter ausgestattet als die der polnischen Kinder. Auch die Lernprogramme seien unterschiedlich.

"In Polen wird das Problem der Rassendiskriminierung nicht entsprechend behandelt und zwar weder in der Praxis, noch in der Gesetzgebung, noch bei der Ausführung", sagte Claude Cahn und fügte hinzu, dass Polen das Problem der Roma-Minderheit bagatellisiert, weil behauptet wird, dass die Roma keine zahlenmäßig große Minderheit bilden.

Bei der Veröffentlichung dieses Berichtes wurde lediglich auf Einzelfälle hingewiesen. Es wurde keine Statistik über das Ausmaß der Gewaltübergriffe gegen Roma vorgestellt. Nach Ansicht des während der Konferenz anwesenden Vertreters des Ombudsmanns der Republik Polen, Tomasz Gellert, sei solch eine Art und Weise, in der die Lage der polnischen Roma präsentiert wurde, "ein großes Missverständnis."

Er vertritt die Meinung, dass dieser Bericht vor allem für die Roma und für die Roma- Interessen in Polen schädlich sei, "weil der Bericht die Ansichten der Feinde der Roma bekräftigt. Ferner werden dadurch diejenigen entmutigt, die sich für die Probleme der Roma engagieren", sagte Tomasz Gellert.

"Um die Probleme der Roma in Polen zu lösen, sind drei Voraussetzungen notwenig: Der gute Wille der beiden Seiten, viel Geduld und bestimmte Mittel" erklärte Tomasz Gellert.

Auch Dobieslaw Rzeminiecki, Leiter der Abteilung für nationale Minderheiten beim Ministerium für Inneres und Verwaltung, stellte den Inhalt des Berichtes in Frage: "Hier sind die schlimmsten Unwahrheiten enthalten, die man sich nur vorstellen kann, die aus dem entstanden sind, was wir in Polen als Halbwahrheiten bezeichnen", betonte er. Seiner Meinung nach kann man keine fundierten Schlüsse aus diesem Bericht ziehen, und seine Gefährlichkeit besteht darin, dass er die Behörden in Opposition zu den Roma stellt. "Solch eine Opposition gibt es aber überhaupt nicht", fügte Dobieslaw Rzeminiecki hinzu.(...)"

Nach den Angaben der Polizei wurden vom April 1999 bis Ende September 2001 in Polen 19 Taten verübt, bei denen Roma geschädigt wurden.

"Bei keiner dieser Taten wurde jedoch zweifellos bewiesen, dass das Motiv der Täter nationale oder ethnische Hintergründe hatte", ist im Bericht an den Generalsekretär des Europarates über die Erfüllung der Rahmenbestimmungen des Europarates zum Schutz der nationalen Minderheiten in Polen zu lesen. (Sta)