Wer, wie, was ...?
9. Januar 2003Der Schock einte Politiker und Eltern: Als am 8. Januar 1973 die erste deutsche Folge der "Sesamstraße" in die Wohnzimmer flimmerte, reagierten viele Mütter und Väter entsetzt. Kinder aller Hautfarben und der gelbe Puppenvogel Bibo spielten wild in einer amerikanischen Straßenszene. Slums im deutschen Kinderfernsehen? Für einige Politiker hörte da der Spaß am Kinderfernsehen auf, der Bayerische Rundfunk befürchtete sogar eine "kulturelle Überfremdung". Der Sender wehrte sich konsequent und schaltete die Sendung in Bayern ab.
"Wer nicht fragt, bleibt dumm"
Doch Kinder in Deutschland waren begeistert von der Serie mit dem Satz "Wer nicht fragt, bleibt dumm" im Titellied und den schrägen Einwohnern um das kekshungrige Krümelmonster. Bald kannte die "Sesamstraße" fast jedes Kind. "Wir erreichen sonntags mit der Sesamstraße fast die Hälfte aller Kinder zwischen drei bis sechs Jahren", fasst Thomas Schreiber, Kulturchef beim NDR-Fernsehen, den Erfolg in Zahlen.
Die amerikanische Journalistin Joan G. Cooney hatte das TV-Konzept Ende der 60er Jahre entwickelt, um lernschwache Vorschulkinder in ärmeren Familien mit viel Spaß und Musik das Zählen und Buchstabieren zu lehren. US-Regierung, Pädagogen und Medienwissenschaftler unterstützten das Projekt; "Muppets"-Vater Jim Hensonerfand die bunten Puppen, und 1969 erklang in den USA erstmals die Titelmelodie der "Sesame Street". Mehr als 70 Exemplare des amerikanischen Fernsehpreises "Emmy" stehen bei den "Sesame Street"-Produzenten mittlerweile im Trophäenschrank, der Riesenvogel Bibo schaffte es in einer Episode immerhin ins Weiße Haus und sogar auf die Titelseite des Magazins "Time".
Aufklärung dank Kami und Co.
Heute lachen Kinder in 148 Ländern über Ernies Fragen an den genervten Zimmergenossen Bert. Die "Sesamstraße" ist ein Exportschlager, aber mit regionalen Besonderheiten: Eine israelisch-palästinensische Produktion soll seit 1998 Toleranz bei den Jüngsten im Nahen Osten wecken. Israelische und palästinensische Puppen wohnen aber in verschiedenen Straßen und besuchen sich nur für einige Szenen gegenseitig. In Südafrika klärt die Puppe Kami, eine HIV-infizierte Halbwaise, die jungen TV-Zuschauer über die Risiken von AIDS auf.
Auch in Deutschland gibt es eigene Figuren: Als erstes traten der gutmütige Bär Samson mit seinem Schnuffeltuch und das weckersammelnde Vogelmädchen Tiffy an. Immer wieder wurde die Serie aufgefrischt, Puppen tauchten auf und verschwanden wieder. Schauspieler wie Uwe Friedrichsen, Liselotte Pulver, Horst Janson oder Manfred Krug traten in der Serie auf. In der deutschen Serie stehen immer noch Toleranz, soziales Lernen und Kreativität im Vordergrund, so die verantwortliche Redakteurin beim NDR: Anke Schmidt-Bratzel. Denn: Wer nicht fragt, bleibt dumm. Bätsch!