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Wer verdächtige Geldbewegungen feststellt, muss Anzeige erstatten

25. Januar 2002

– Neue ungarische Verordnung gegen Geldwäsche erschreckt betroffene Branchen

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Budapest, 25.1.2002, PESTER LLOYD, deutsch

Die Regierungsverordnung zu dem bereits am 19. Dezember 2001 verabschiedeten Geldwäschegesetz brachte für viele Beteiligte eine unerwartete Wende. Ob Buchhalter, Steuerberater oder Antiquitätenhändler: Wer bei seinen Kunden verdächtige Geldbewegungen wahrnimmt, muss dies künftig der Polizei melden. All die in solch heikle Tätigkeiten verwickelten Berufsgruppen sollen Kontaktpersonen benennen, die als "Warnmelder" fungieren.

Die Regierungsverordnung geht weit über den Kreis der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer hinaus; alle Tätigkeiten der Rechnungslegung, Anlage- und Versicherungsgeschäfte, Kasinos und Kunsthändler werden in den Kampf gegen die Geldwäsche einbezogen. Technisch geht das so vonstatten, dass eine Person als Kontakt zur Polizei bestimmt und dort registriert wird.

Der Landesverband der Steuerberater vermutete in einer Stellungnahme, dass die seit dem 11. September diskutierten wirtschaftlichen Maßnahmen zur Abwehr von Terroristen hierzulande etwas überhöht werden. Es handelt sich jedoch nicht um Fehler bei der Übertragung von Vorlagen aus dem Englischen, stellte die Polizei klar. Damit bleibt den Wirtschaftsprüfern gegenwärtig nur die Ausrede der fehlenden Vorbereitungszeit, um sich auf die neuen Vorschriften einzustellen.

Die betroffenen Branchen wurden nicht in die Vorbereitung der Rechtsvorschriften einbezogen. Sie sehen diese im eklatanten Widerspruch zu ihren Geheimhaltungspflichten. Die Unsicherheiten wachsen exponential, denn wer zahlt schon einem Buchhalter, der ihn garantiert anzeigt, wenn er ein paar Millionen vor dem Steueramt verstecken will? Das Gesetz richtet sich zwar gegen den Versuch der Geldwäsche, bringt jedoch als Nebeneffekt so manche Steuertricks ans Tageslicht. Wenngleich das ungarische Recht Steuervergehen als Straftaten ansieht, gingen viele Unternehmen in dieser Hinsicht bislang eher salopp zu Werke.

Bei der Polizei rechnet man unterdessen mit keinem Mehraufwand für die Firmen, weil Ungarn von Geldwäsche nicht wirklich betroffen ist. Seit September ging man zahlreichen gesetzlich bedingten Anzeigen nach, doch nur in zwei Fällen folgten Ermittlungen wegen des dringenden Verdachts auf Geldwäsche.

Die Lobbyorganisation der Steuerberater rechnet jedoch mit katastrophalen Folgen der neuen Regelungen. Die Kunden werden sich schnellstens ihrer Finanzberater entledigen, wenn sich herausstellt, dass sie von denen angezeigt wurden. Die Kontaktperson wird wie ein Spitzel alle Kunden verschrecken und auch von den eigenen Kollegen gemieden.

Ihre Befugnisse machen sie obendrein zum Chef des Chefs. Wenn diese Person verdächtige Geschäfte zu melden versäumt, deren fauler Charakter sich später herausstellen sollte, muss sie dafür gerade stehen. Wurde die Benachrichtigung der Polizei aus Sorglosigkeit unterlassen, droht eine Haftstrafe bis zu zwei Jahren, bei Vorsätzlichkeit kann das Strafmaß auf drei Jahre ausgeweitet werden. Die Wirtschaftsprüferkammer ist besonders beunruhigt, zumal die Position ihrer Mitglieder seit dem Postbank-Skandal ziemlich erschüttert ist. Bekanntlich konnte die Großbank über Jahre ein Defizit von 160 Mrd. Ft (1 Euro = 243,9 Ft.) anhäufen, ohne dass dies jemandem aufgefallen wäre. Gegenwärtig läuft ein Prozess, in dem der ungarische Staat die drei in jener Zeit für die Auditierung der Postbank verantwortlichen Unternehmen zur Kasse bitten will.

Auch eine andere Passage gelangte in das Geldwäschegesetz, die weniger Beachtung findet. Nun werden die anonymen Sparbücher mit einem Schlag liquidiert, was ursprünglich ein auf Jahre gestreckter Prozess sein sollte. Wer sein "Schwarzgeld" abheben will, muss sich auf einen akribischen Vorgang einstellen, in dem faktisch alle existierenden Dokumente zum Nachweis von Personaldaten gefordert werden.

Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Verhinderung von Geldwäsche am 19. Dezember 2001 zeigten insgesamt 319 Personen bei der Einreise nach Ungarn an, dass sie über Bargeld im Gegenwert von über eine Million Ft verfügen – teilte József Bencze, Oberamtsdirektor der Zoll- und Finanzpolizei (VPOP), vor der Presse mit.

Zur gleichen Zeit wurde nur eine einzige Straftat wegen Versäumnis der Anmeldepflicht bekannt. (In dem Fall hatte ein Rumäne versucht, 16 Millionen Ft im Jackenfutter eingenäht ins Land zu schmuggeln.) Insgesamt wurde Bargeld im Volumen von 2,3 Milliarden Ft angemeldet, darunter die Hälfte in DM und ein Drittel in USD. Das Geld wurde vor allem von Polen, Slowaken, Rumänen, Griechen und Ungarn mitgeführt.

Wer Geldbeträge über eine Million Ft beim Grenzübertritt nicht anzeigt, kann nach den geltenden Rechtsvorschriften mit bis zu drei Jahren Freiheitsentzug bestraft werden. Eine Novellierung des ungarischen StGB korrigiert diesen Passus ab 1. April; danach gilt eine versäumte Anmeldung nur noch als Ordnungswidrigkeit.

Was wurde vom Parlament im Kampf gegen die Geldwäsche beschlossen

- Bei Grenzübertritten wird die Summe der unangemeldet ein- und ausführbaren Bargeldbeträge auf eine Million Ft beschränkt.

- Die anonymen Einlagen werden aufgehoben. Inhaber-Sparbücher oder solche mit Passwort dürfen nur noch unter Nachweis der Personenidentität genutzt werden.

- Die Kreditinstitute müssen alle Transaktionen ab zwei Millionen Ft nachprüfen. Wer Geld in dieser Höhe deponieren will, muss den Eigentumsnachweis antreten bzw. den Auftraggeber benennen.

- Neu emittierte Wertpapiere dürfen nur noch als Namenspapiere in Umlauf gebracht werden und ausschließlich in dematerialisierter (sic) Form, d.h. die Inhaber erhalten nur einen Nachweis.

- Alle Direktiven und Maßnahmen von UNO und EU im Kampf gegen die Geldwäsche werden in die ungarische Rechtsordnung übernommen bzw. die Rechtsvorschriften an diese angepasst. Wer z.B. größere Vermögenswerte verwaltet, kann mit Untersuchungen des Ursprungs rechnen. Das betrifft auch die laufenden Transaktionen der betroffenen Personen.

- Der Geldwechsel wird strenger gefasst. So muss z.B. bei höheren Geldeinsätzen im Kasino die Personenidentität offengelegt werden. (fp)