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„… wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden.“ (Lk 14,7-11; 18,9-14)

21. April 2012

Von Dr. Rita Müller-Fieberg, Bergisch Gladbach

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Dr. Rita Müller Fieberg ist Dozentin für katholische Theologie am Institut für Lehrerfortbildung in Mülheim an der Ruhr
Dr Rita Müller-FiebergBild: privat

Gerade ist der "Weiße Sonntag“ wieder vorbei und damit der Tag im Jahr, an dem traditionsgemäß in vielen Gemeinden die Erstkommunion gefeiert wurde. Mit ein paar Tagen Abstand mag sich schon vieles an Aufregung in den feiernden Familien gelegt haben, schaut man vielleicht schon freudig auf das Fest zurück. Vielleicht klingt aber auch noch die eine oder andere Missstimmung nach. Ein beliebter Zankapfel ist zum Beispiel jahraus, jahrein die Verteilung der an diesem Tag heißbegehrten und oft raren Sitzplätze in der Kirche. Nach welchen Kriterien werden die Bänke verteilt? Wer darf weit vorne sitze? Wer muss mit dem Platz hinter der Säule vorlieb nehmen? Solchen Problemen lässt sich organisatorisch sicherlich geschickt und auch gerecht beikommen. Jenseits der Banalität steht im Hintergrund aber eine tieferliegende Frage: Wer hat in der Christengemeinde welchen Platz verdient? Wer ist wichtig, wer dagegen nicht so sehr?

Ein Blick in die Gleichnisse des Lukasevangeliums kann uns bei dieser Fragestellung weiterhelfen – und zeigt gleichzeitig, dass es zu allen Zeiten auch unter Christinnen und Christen „gemenschelt“ hat.

Einmal, so Lukas, habe Jesus zu Gästen gleichnishaft gesprochen, die ohne Umschweife die Ehrenplätze für sich selbst besetzten. Die Gäste selbst spielen dabei die Hauptpersonen im Gleichnis und werden gefragt: Stell dir vor, du seist zu einer Hochzeit eingeladen und besetzt einfach einen Ehrenplatz. Wäre es nicht beschämend, wenn du von diesem wieder weggeschickt würdest, weil er für eine höhergestellte Persönlichkeit vorgesehen war? Ist es dann nicht besser, sich zunächst einmal ganz weit nach unten zu setzen? So gibst du dem Gastgeber die für dich selbst ehrenvolle Möglichkeit, dich weiter nach vorne zu holen!

Ein anderes, sehr bekanntes lukanisches Gleichnis bringt Ähnliches zum Ausdruck: das Gleichnis vom Pharisäer und vom Zöllner. Hier werden zwei Menschentypen kontrastiert, die Welten zu trennen scheinen. Ihre einzige Gemeinsamkeit: Beide sind sie auf dem Weg zum Tempel, dem Ort der Begegnung mit Gott. Auf der einen Seite steht derjenige, der alles richtig gemacht hat, der wie vorgeschrieben fastet und seine Abgaben an den Tempel macht. Aufrecht steht der Pharisäer vor Gott. Das steht ihm zu – Ehre, wem Ehre gebührt. Nur: Er profiliert sich auf Kosten anderer und dankt Gott ausgerechnet dafür, dass er nicht so ist wie diese „anderen Menschen“ – solche, die er in einem Atemzug „Räuber, Betrüger, Ehebrecher und Zöllner“ nennt. Offensichtlich verpasst er dabei die Begegnung mit Gott: Als „Gerechter“ – als jemand, der in Einklang mit Gott und den Mitmenschen lebt – kehrt er jedenfalls nicht heim.

Auf der anderen Seite steht der Zöllner als Angehöriger einer höchst unbeliebten Berufssparte, Kompagnon der römischen Besatzer und vielleicht ein Halsabschneider wie so viele in seiner Branche. Er traut sich erst gar nicht nach vorne. Ganz hinten bleibt er stehen und wagt noch nicht einmal den Blick zum Himmel. Gestenreich gerät sein Stoßgebet: „Gott sei mir Sünder gnädig!“ Er bleibt bei sich selbst, weiß von sich selbst, kennt seine Erbärmlichkeit – und begegnet einem barmherzigen Gott. Denn von ihm heißt es: „Dieser kehrte als Gerechter nach Hause zurück…“ Er wird von Gott selbst nach vorne in die ersten Reihen geholt!

Beide Textstellen wenden sich an Menschen, die Vorrechte für sich in Anspruch nehmen und sich „für etwas Besseres halten“. Aufgrund ihrer eigenen Gerechtigkeit, ihrer eigenen Frömmigkeit – grundsätzlich durchaus erstrebenswerte Haltungen – verachten sie andere. Interessanterweise enden beide Textstellen mit den gleichen Worten: „Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden.“

Das Lukasevangelium spricht hier eine klare Sprache. Wie auch schon im Magnificat das Mädchen Maria davon singt, dass Gott die Mächtigen vom Thron stößt und die Niedrigen erhöht. Uns bleibt meiner Ansicht nur, diese Herausforderung ernst- und anzunehmen – nicht nur wenn es um Platzverteilungen am Weißen Sonntag geht!

Die redaktionelle Verantwortung für die Sendung hat Frau Dr. Silvia Becker.