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Briten wählen neues Parlament

Gero Rueter30. April 2010

Auch die Schotten, die ein zusätzliches eigenes Parlament haben, dürfen über die neue britische Regierung in London abstimmen. Das Wahlverhalten der Schotten könnte für den Ausgang der Wahl entscheidend sein.

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Edinburgh in Schottland, GrossbritannienBild: picture-alliance/dpa

Am 6. Mai 2010 wählen die Briten ein neues Parlament. Auch die Schotten, die zusätzlich ein eigenes Parlament in Edinburgh haben, dürfen über die neue britische Regierung in London abstimmen. Das Heimatland von Premierminister Gordon Brown entsendet nur 59 der 650 Abgeordneten nach Westminster. Trotzdem könnte das Wahlverhalten der fünf Millionen Schotten für den Ausgang der Wahl entscheidend sein.

Auf der Princes Street in Edinburgh herrscht reger Betrieb. Die Haupteinkaufsstrasse der schottischen Hauptstadt vor der Kulisse der imposanten Burg zieht Einheimische und Touristen gleichermaßen an. Unterwegs von einem Wahlkampftermin zum nächsten, kommt auch Sheila Gilmore hier vorbei. Sie ist die Labour-Kandidatin für den Wahlkreis Edinburgh-Ost, der seit Jahrzehnten fest in der Hand ihrer Partei ist.

Das schottische Parlament in Edinburgh. (Tags: Schottland, Parlament, Edinburgh, Großbritannien)
Das schottische Parlament in EdinburghBild: Irene Quaile

Die Wahlen für das britische Parlament seien sehr wichtig für Schottland, sagt Gilmore. „Wir haben zwar auch unser eigenes Parlament, das sich um innerschottische Angelegenheiten kümmert, aber der Etat wird von der britischen Regierung festgelegt. Sie beeinflusst auch die allgemeine Wirtschaftspolitik und das ist für die Menschen hier von größter Bedeutung.“

Labour versus schottische Nationalisten?

Schottland gilt traditionell als Hochburg der Labour-Partei und Sheila Gilmore ist zuversichtlich, dass das so bleiben wird. Aber nicht alle teilen ihre Ansicht.

Die Partei von Premierminister Gordon Brown hat überall auf der Insel Anhänger verloren - auch in Schottland. Bei den letzten Wahlen für das schottische Parlament 2007 erhielt sie nicht genug Stimmen, um die Regierung zu stellen. Daher wird Schottland jetzt von einer Minderheitsregierung der Scottish National Party regiert, die die Unabhängigkeit von England anstrebt. Das sorge für eine besondere Stimmung hier, sagt Eberhard Bort von der School of Governance der Edinburgh University. Nur 25 bis 30% der Schotten wollten wirklich die Unabhängigkeit von Großbritannien, so der Politologe. Aber ein eigenes Parlament mit einer schottischen Partei an der Regierung – „das gefällt den Schotten“, sagt er zwinkernd.

Alex Salmond, Chef der schottischen Nationalistenpartei SNP
Alex Salmond, Chef der schottischen Nationalistenpartei SNPBild: AP

Ein Wahlsieg für Labour bei der britischen Wahl am 6. Mai gilt nach den meisten Umfragen als unwahrscheinlich. Um an der Macht zu bleiben, müsse die Partei aber auf alle Fälle hier in Schottland erfolgreich sein, meint Bort. Chris Harvie sieht das ähnlich. Der Politikprofessor sitzt für die schottischen Nationalisten im schottischen Parlament. Das Beste, was sich Brown erhoffen könne, sagt er, sei eine Pattsituation, in der er unter Umständen eine Minderheitsregierung bilden könne.

„Diejenigen, die auf eine Pattsituation hoffen, sind darauf angewiesen, dass eine große Anzahl der schottischen Sitze an Labour gehen – bis zu 45 der 59 Sitze“, sagt Harvie. „Wenn das nicht passiert, dann wird die einstige Hochburg Schottland für Labour zum Verhängnis“, meint der Akademiker, der vor einigen Jahren selbst von Labour zu den Nationalisten wechselte.

Seine Partei hat zurzeit nur sechs Sitze im Londoner Parlament. Der Führer der SNP und schottische Ministerpräsident Alex Salmond hofft auf einen großen Zuwachs an Sitzen am 6. Mai. Er rechnet auch damit, dass die kleineren Parteien erheblich an Einfluss gewinnen, falls keine der großen eine absolute Mehrheit bekommt.

Mrs. Thatcher ist immer noch präsent

Trotz der Unbeliebtheit der Labour-Regierung, die unter anderem auf die Wirtschaftskrise und Grossbritanniens Rolle in Irak und Afghanistan zurückzuführen ist, deuten die Umfragen nämlich nicht auf einen überwältigenden Sieg für die oppositionellen Konservativen hin. Auch für sie ist es bei dieser Wahl wichtig, schottische Stimmen zu gewinnen. Zurzeit haben die Konservativen nur einen schottischen Sitz in Westminster. Im Schottischen Parlament, das nach dem Mehrheitswahlrecht gewählt wird, konnten sie aber in den letzten Jahren zulegen.

John Lamont hat einen Sitz im schottischen Parlament. Der energische junge Konservative will 'seinen' Wahlkreis diesmal auch bei der Westminster-Wahl gewinnen:

„Ich glaube, dass unsere Politik bei den schottischen Wählern gut ankommt“, sagt Lamont. Ein Problem sehe er allerdings in Bezug auf das Image in Schottland. "Die Konservative Partei galt in den achtziger Jahren als sehr Schottland-feindlich. Die Leute nennen immer noch Mrs. Thatcher, wenn sie erklären, warum sie uns nicht wählen. Das finde ich unglaublich. Sie war vor zwanzig Jahren Premierministerin, da war ich gerade zur Welt gekommen.“

Auch in Schottland eine wichtige Kraft: Die LibDems

Typisches Dorf. Eaglesham bei Glasgow denkmalgeschütztes Dorf. In der Nähe befindet sich der größte Windpark Europas (an Land). (Tags: Schottland, Denkmalschutz, Umwelt, Windenergie)
Typisches Dorf. Eaglesham bei GlasgowBild: Irene Quaile

Bei dieser Wahl gibt es aber schon längst eine andere bedeutsame Partei - die Liberal-Demokratische Partei. Falls es tatsächlich zu einer Pattsituation kommt, mit den Liberal-Demokraten als drittstärkste Kraft, könnte die Partei großen Einfluss auf die britische Politik ausüben. Darüber wollen die Parteiführer allerdings noch nicht reden. Tavish Scott leitet die Partei in Schottland:

„Ich glaube ganz ehrlich, dass es nicht klug wäre, darüber zu spekulieren. Das Wichtigste für uns ist, dass die nächste Regierung die öffentlichen Finanzen, die auch durch die Bankenkrise in einem erbärmlichen Zustand sind, wieder unter Kontrolle bringt, und dass sie eine 'saubere' Politik macht!“

Hier trifft der Liberal-Demokrat einen empfindlichen Nerv. Nach etlichen Skandalen über Spesen und Parteispenden macht sich in ganz Großbritannien eine gewisse Politikmüdigkeit breit.

„Ich bin besorgt, dass viele Wähler uns alle in einen Topf werfen und mit keiner politischen Partei etwas zu tun haben wollen“, meint der Liberal-Demokrat. „Das könnte zu einer niedrigeren Wahlbeteiligung führen.“

Fragt man die Menschen auf der Princes Street, bekommt man den Eindruck, Tavish Scott könnte ins Schwarze getroffen haben.

„Man stimmt meistens für die Partei, die man immer gewählt hat“, sagt ein Passant. „Aber wenn man gut zuhört sagen sie eigentlich alle das Gleiche. Und nach all den Skandalen, ist man von allen enttäuscht.“

„Nun mal ganz ehrlich - es gibt eigentlich keine großen Unterschiede zwischen den Parteien“, meint eine Dame. „Sie sind alle mit sich selbst beschäftigt. Ich fände es gut, wenn die Politiker an unsere Bedürfnisse denken würde. Stattdessen, versprechen sie vor der Wahl alles - und hinterher ist alles wieder wie vorher.

Autor: Irene Quaile
Redaktion: Gero Rueter