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Wenn Moskau zur Arbeit geht

Eduard Wedler18. Juli 2007

Moskau ist bekannt für seine schön dekorierten U-Bahn-Stationen. Doch wer morgens auf den Weg zur Arbeit die Metro nutzt der hat keine Zeit für Architektur aus der Stalin-Zeit.

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Bild: DW

Die Moskauer Metro ist eines der beanspruchtesten U-Bahnnetze der Welt, die täglich von bis zu Millionen Fahrgästen benutzt wird. Jeden Tag das gleiche Spiel. Gewaltige Menschenaufkommen bewegen sich scheinbar zielgerichtet zu ihren angepeilten Haltestellen. Alle drängeln, schupsen, versuchen voran zu kommen. Da wird auch auf langsame alte Rentner keine Rücksicht genommen. Geschickt werden sie von flinken Geschäftsleuten überholt, die sich wiederum über einen Platzgewinn in den engen und total überfüllten Metroschächten zwischen den Bahnsteigen freuen können.

Für einen Westeuropäer ist es gewöhnungsbedürftig mit dem Strom zu schwimmen und den Takt zu halten. Die stressige Atmosphäre kann man förmlich riechen, oder eher die Alkoholfahne eines Mitdränglers, der zum wach werden erstmal seinen Alkoholpegel neu justiert.

Die Gesichter der Menschen sind kalt, kaum ein Lächeln. Nicht der beste Ort um jemanden Kennen zu lernen. Kaum einer redet mit dem anderen. Vielleicht wäre es auch sinnlos, denn der Lärm der herankommenden Züge würde sowieso jede Konversation zunichte machen.

Atombunker fürs Volk

Einige Metrostationen sind tiefer als fünfzig Meter. Eine davon ist sogar 84 Meter unter der Oberfläche. Sie sollten im Falle eines Luftangriffs auch als Luftschutzbunker für die Moskauer Bevölkerung dienen. Im Kalten Krieg wurden sie dann mit gewaltigen verschließbaren Toren ausgestattet, die die Stationen hermetisch von der Außenwelt trennen können. So können die Stationen sogar atomaren Druckwellen standhalten. Auch heute noch, so versichern die Bahnhofsvorsteher, sind die Tore voll funktionsfähig.

"Tanzujut vse" war ein Spruch aus einem russischen Filmklassiker. Übersetzt heißt er, alle tanzen. Wenn man in so einem Metrozug dicht gedrängt steht und der Zug losfährt, dann könnte man wirklich den Eindruck bekommen, dass alle zusammen im Takt tanzen. Die abrupten Anfahrt- und Bremsmanöver und auch die holprige Fahrt lassen alle gleichzeitig wie Marionetten schwanken. Auch die sitzenden Fahrgäste tanzen mit.

Der Weg nach oben

Um wieder auf die Oberfläche zu gelangen nutzen die Menschen lange Rolltreppen. Die längste hier, mit 126 Metern, ist auch gleich die längste der Welt. Damit auf den Stufen alles seine Ordnung hat, befinden sich unten kleine Häuschen in denen meist betagte Damen sitzen und mehr oder weniger aufmerksam das geschehen auf den Monitoren verfolgen. Wer die Regeln nicht beachtet, der wird über Lautsprecher mit lauter Stimme zurechtgewiesen.

Oben angekommen scheint immer noch die Sonne, die Laune steigt wieder. Noch eine paar Meter und ich habe meine Redaktion erreicht. Doch davor muss ich noch an den im Stau stehenden Autos und den vielen Fußgängern vorbei. Anscheinend hat nicht jeder Ferien in Moskau.