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Wenn Krise krank macht

Friedel Taube31. März 2013

Die Finanzkrise macht sich nicht nur im Portemonnaie vieler Europäer bemerkbar. Auch die Gesundheit der Bürger, besonders in Südeuropa, leidet. Eine britische Studie schlägt jetzt Alarm - die Krise töte sogar Menschen.

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Ärzte-Visite im Krankenhaus Ärzte stehen mit Pflegern am Bett eines Patienten, während der Visite in der Chirurgischen Ambulanz im Allgemeinen Krankenhaus St. Georg in der Hansestadt Hamburg.
Bild: picture-alliance/dpa

Malaria, Dengue-Fieber, Tuberkulose – all das sind Krankheiten, von denen man dachte, sie seien in Europa längst ausgerottet. Doch eine Studie von britischen Gesundheitsexperten zeigt: Seit dem Beginn der Krise steigt die Zahl dieser und anderer Erkrankungen wieder an – weil an den Budgets im Gesundheitswesen gekürzt wird. Sogar die Zahl der Todesfälle steige – verursacht durch Kürzungen im Gesundheitswesen.

Krankheitsanstieg durch Budgetkürzungen

Martin McKee, einer der Autoren der Studie, die jetzt im Medizinjournal "The Lancet" erschienen ist, sagt im Interview mit der DW: "Für uns ist klar: Wir müssen wieder mehr ins Gesundheitssystem investieren! Gerade Menschen in Griechenland leiden, sie haben keinen Zugang zu den Medikamenten, die sie brauchen." Betroffen seien auch psychisch labile Menschen, so McKee. So sei die Zahl der Selbstmorde in Griechenland seit Beginn der Krise enorm angestiegen. Und nicht nur Griechenland ist betroffen: Auch in Spanien häuften sich bereits Fälle von Depression.

Martin McKee; Foto: dpa - Bildfunk
Martin McKeeBild: picture-alliance/dpa

"Seit den Zeiten des berühmten deutschen Arztes Rudolf Virchow vor mehr als 200 Jahren wird uns Ärzten beigebracht, dass wir nicht die Auswirkungen einer Krankheit behandeln sollen, sondern deren Ursachen", so McKee. Und die lägen ganz klar in der Finanzkrise. "Wir müssen unsere Stimmen erheben und uns den Wirtschaftsexperten anschließen, die sagen: Löst die ökonomische Krise!", so McKee.

Verschiedene Krankheiten auf dem Vormarsch

Willem de Jonge arbeitet für die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" in Griechenland. Ihn überraschen die Ergebnisse der Studie nicht. Im Interview mit der DW erzählt er aus seinem Alltag: "Die Kapazitäten der Einrichtungen, vor allem von Krankenhäusern, ist dramatisch reduziert worden", sagt er. "Wir haben weniger Ärzte, weniger Chirurgen, weniger von all dem, was man in einem funktionierenden Gesundheitssystem finden würde." Um bis zu 40 Prozent sei im griechischen Gesundheitswesen seit dem Beginn der Krise gekürzt worden. Mit fatalen Auswirkungen, so de Jonge: "In Athen haben wir einen Anstieg an HIV-Infektionen um 1500 Prozent, wenn wir 2010 mit 2011 vergleichen. Das liegt daran, dass das Gesundheitsministerium daran spart, saubere Nadeln an Drogenabhängige zu verteilen."

Menschen warten in Wartezimmer Foto: Maria Rigoutsou
Viele Arztpraxen in Griechenland leiden unter KürzungenBild: DW

Auch Krankheiten, von denen man dachte, sie seien längst ausgestorben, seien wieder auf dem Vormarsch, wie zum Beispiel Malaria. 2011 verzeichnete Griechenland die erste lokal übertragene Malariainfektion seit den 1950er Jahren. Auch hier sieht de Jonge die Verantwortlichen auf Seiten der Politik. "Der Grund war, dass die Regierung 2011 ihre Präventionsmaßnahmen komplett einstellte, wie zum Beispiel Felder mit Insektiziden zu besprühen. Dadurch konnte die Moskitopopulation in ungeahnte Höhen schießen."

Banken werden gerettet, Krankenhäuser nicht

Martin McKee sieht nicht nur die lokalen Regierungen in der Verantwortung, sondern auch die europäischen Institutionen: "Auch die Vorgaben der Troika für Griechenland sahen Kürzungen im Gesundheitswesen vor." Völlig unverständlich ist für McKee auch die Rolle der Europäischen Zentralbank. "Da stellen wir durchaus Vergleiche an: Die Europäische Zentralbank ist zwar gewillt, den Banken zu helfen, nicht aber, normalen Leuten zu helfen." Zwar habe es, so McKee, von Seiten der europäischen Institutionen Kritik an der Studie gegeben. Und ja, natürlich gebe es im Einzelfall keine Beweise dafür, dass die Erkrankung eines Patienten auf die Krise zurückzuführen sei. Das Gesamtbild zeige aber klar, wo Ursache und Wirkungen lägen, findet McKee.

Logo Ärzte ohne Grenzen
Die "Ärzte ohne Grenzen" behandeln auf der ganzen Welt BedürftigeBild: picture alliance/rtn - radio tele nord

Willem de Jonge versucht derweil, die Probleme praktisch anzugehen und mit seinen "Ärzten ohne Grenzen" die griechische Regierung so gut es geht zu unterstützen: "Wir versuchen dort bei solchen Krankheiten zu helfen, mit denen wir wegen unserer Erfahrungen in Afrika und Asien die meiste Erfahrung haben, wie Malaria und Tuberkulose." Außerdem unterstütze die Organisation das Einwanderungsministerium bei der Untersuchung von Immigranten. Auch de Jonge ist sich sicher, dass die Lösung der gesundheitlichen Probleme der griechischen Bevölkerung nur mit der Lösung der Finanzprobleme einher gehen kann. Aber er ist optimistisch: "Wenn ich fünf Jahre in die Zukunft blicke, bin ich mir sicher, dass Griechenland wieder auf die Füße kommen wird", so de Jonges Fazit.