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Preisverleihung ohne Preisträger

10. Dezember 2010

Der Stuhl des Friedensnobelpreisträgers 2010 bei der feierlichen Verleihung in Oslo blieb leer. So etwas hatte es zuletzt 1936 gegeben, als der deutsche Publizist Carl von Ossietzky seinen Preis nicht annehmen durfte.

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Der leere Stuhl des in China inhaftierten Friedensnobelpreisträgers 2010, Liu Xiaobo. (Foto: AP)
Oslo 2010: Der leere Stuhl von Friedensnobelpreisträger Liu XiaoboBild: AP

Mit Schmeicheln und Drohen versuchte der damalige preußische Ministerpräsident Hermann Göring den inhaftitierten Ossietzky 1936 dazu zu bewegen, den Nobelpreis abzulehnen. Der unbequeme Gefangene ließ sich aber von der NS-Führung bis zuletzt nicht beugen und schrieb an das Stockholmer Preiskomitee: "Dankbar für die unerwartete Ehrung – C. v. Ossietzky." Daraufhin wurde ihm und seinen Angehörigen die Reise zur Preisverleihung untersagt.

Die Nazis hatten bereits früh versucht, den unliebsamen Pazifisten Ossietzky mundtot zu machen. Als Herausgeber und Redakteur der Wochenschrift "Die Weltbühne" gehörte er zu den kritischen linken Intellektuellen, die mit spitzer Feder auf die Fehlentwicklungen in der jungen Weimarer Demokratie und die rechte Gefahr aufmerksam machten. Im Impressum dieses Blatts fanden sich prominente Namen wie Kurt Tucholsky und Kurt Hiller.

Carl von Ossietzky als KZ-Häftling ca. 1935 (Foto: picture-alliance/akg-images)
Carl von Ossietzky als KZ-Häftling ca. 1935Bild: picture-alliance / akg-images

1929 deckte Ossietzky in einem Artikel die verbotene Wiederaufrüstung der Reichswehr auf und wurde dafür knapp zwei Jahre später zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt. Durch eine Flucht ins Ausland hätte sich Ossietzsky dieser Haft noch entziehen können, aber bereits zu diesem Zeitpunkt und auch nach der Machtergreifung Hitlers lehnte er es ab, sich ins Ausland abzusetzen. Denn er war der Meinung, dass er als unbequemer Demokrat und Parzifist sehr wohl etwas gegen das rechte Regime bewirken könne.

Befreiung durch den Nobelpreis?

Albert Einstein schreibt 1931 in Pasadena/Kalifornien eine Formel an die Tafel (Foto: AP)
Albert Einstein 1931 in den USABild: AP

Nach seiner ersten Freilassung Weihnachten 1932 folgte schon bald die nächste Verhaftung, diesmal durch die Nazis: Nach dem Reichstagsbrand Ende Februar 1933 kam Ossietzky zunächst wieder ins Gefängnis. 1934 folgte das KZ. Die unmenschlichen Bedingungen, unter der er dort leben und arbeiten musste, brachte immer mehr Freunde und Unterstützer auf den Plan. Sie schlugen ihn für den Nobelpreis vor, verbunden mit der großen Hoffnung, dass der internationale Druck zu Ossietskys Befreiung beitragen würde. Albert Einstein schrieb beispielsweise 1935 an das Nobelpreiskomitee:

"Das Nobelkomitee hat einmalig eine Gelegenheit, durch die Verleihung des Preises eine geschichtliche Tat zu vollbringen, welche durch ihre Auswirkungen in hohem Maße geeignet ist, die Lösung des Friedensproblems zu fördern."

Das Engagement Einsteins und anderer prominenter Persönlichkeiten hatte schließlich Erfolg: Ossietzky erhielt 1936 nicht nur rückwirkend für das Jahr 1935 den Nobelpreis, er kam schließlich auch frei. Allerdings wurde er weiter von der Gestapo überwacht. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits ein schwer kranker Mann. Die Misshandlungen und traumatischen Erlebnisse im Konzentrationslager Papenburg-Elsterwegen hatten ihn gezeichnet. Carl von Ossietzky verstarb am 4. Mai 1938.

Autorin: Regina Brinkmann
Redaktion: Hartmut Lüning