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Tränen und noch mehr Tränen

12. Oktober 2009

Was haben kubanische Rhythmen und Flamenco gemeinsam? Leidenschaft, echte Gefühle und viel, viel Herzblut, sagt Diego el Cigala, Spross eines bekannten Zigeuner-Clans und temperamentvoller Sänger.

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Diego el Cigala. (Foto: Juan Aldabaldetrecu)
Der spanische Sänger Diego el CigalaBild: Juan Aldabaldetrecu

Das Resultat dieser Fusion verewigte er zusammen mit dem Pianisten Bebo Valdés auf der CD "Lágrimas Negras", Schwarze Tränen. Mit "Dos Lágrimas", zwei weiteren Tränen, setzt der König des Flamencos den eingeschlagenen Weg jetzt konsequent fort und will nun auch Deutschland erobern. "Kubaner und Zigeuner sind Cousins der Herzen. Wir haben beide die Musik im Blut, wir werden mit dem Rhythmus geboren und wir leben ihn", sagt Diego el Cigala.

Goldkettchen, Glitzer und große Gefühle

Kubanischer Pianist Bebo Valdes (links) mit Sohn(Foto: dpa)
Der kubanische Pianist Bebo Valdés (links) mit SohnBild: picture-alliance/dpa/dpaweb

Selbstbewusst lehnt der Barde sich zurück, streicht sich über den penibel gestutzten Kinnbart und wirft die pechschwarzen langen Haare aus dem Gesicht. Dabei klimpern die Goldkettchen unter dem seidenen Hemd und funkeln die Ringe an den langen manikürten Fingern. Der 40-jährige Spanier erfüllt alle Klischees des Flamenco-Zigeuner-Königs und seine Fans lieben ihn dafür. "Flamenco kann man nicht einfach so singen, man muss gelitten und gelebt haben", erklärt er. "Ich stamme aus einer Dynastie großer Sänger und Flamenco bedeutet mir alles. Er ist mein Leben, mein Herzschlag, mein Gefühl, wir sind auf immer und ewig vereint."

Seelenverwandte und ein Grammy als Krönung

Diego el Cigala (Foto: Juan Aldabaldetrecu)
Diego el Cigala: Zigeuner und Kubaner sind seelenverwandtBild: Juan Aldabaldetrecu

Das hindert Diego el Cigala aber nicht daran, über den Flamenco-Tellerrand hinauszuschauen. So entdeckte er seine Liebe zu kubanischen Rhythmen und setzte dem Bolero gemeinsam mit Bebo Valdes, seinem Gefährten aus Havanna, ein Flamenco-Denkmal. Die CD Lagrimás Negras schlug ein wie eine Bombe: fast 2 Milionen verkaufte Exemplare, ein Grammy als Krönung. "Es ist wirklich unglaublich, aber ohne in der Geschichte jemals Kontakt gehabt zu haben, sind wir Kubaner und Zigeuner seelenverwandt", staunt El Cigala immer wieder. "Und wenn ein kubanischer Guaguancó-Sound auf einen Flamenco trifft, dann muss einfach etwas Unglaubliches passieren." In der Tat klingt auf der Scheibe nichts erzwungen vereint, was nicht zusammengehört, im Gegenteil: Bolero und Flamenco tauchen als siamesische Zwillinge auf, die scheinbar schon immer untrennbar waren.

Tränen und noch mehr Tränen

Die kubanische Musikergarde hat Diego el Cigala an die Hand genommen und ihn den rhythmischen Pulsschlag der Insel fühlen lassen. "Diese Männer sind musikalische Genies und sie repräsentierten den alten Glanz Kubas", betont El Cigala. "Ich hatte nie zu Klavierbegleitung gesungen, alles war neu für mich und ich habe erst in Havanna gelernt, wie man ChaChaCha, Bolero oder Danzón intonieren muss." Für das neue Album "Dos Lágrimas", Zwei Tränen, hat er sechs Jahre lang sein kubanisches Musikwissen perfektioniert. "Die Tränen stehen symbolisch für all die Höhen und Tiefen, die ich in dieser Zeit durchlebt habe", lacht er. "Es hätten auch 1000 sein können."

Wenn das keine Liebe ist

Die Erben des Buena Vista Social Club haben in Diego el Cigala einen der ihren erkannt, für den Musik alles bedeutet. Deswegen mutiert ein Flamenco jetzt mühelos zum weltberühmten Bolero Dos Gardenias und wieder zurück. Pianoklänge haben in der Gitarrenwelt der spanischen Flamenco-Tradition eigentlich nichts zu suchen, doch auf der Lágrimas-Scheibe schweben sie schwerelos und harmonisch dahin, als seien sie schon immer da gewesen. Die Kubaner wiederum haben keine Mühe, das Herz des Flamenco zu erspüren, wie auf "María de la O" zum Beispiel, dem Lieblingslied von Diegos Mutter.

In Havanna hat Diego el Cigala sein Flamenco-Kuba-Projekt im altehrwürdigen Karl-Marx-Theater aufgeführt. Niemand kannte ihn damals, trotzdem kamen 5000 Menschen, erzählt er sichtlich bewegt. 20 Dollar haben die Eintrittskarten gekostet, soviel wie zwei Monatslöhne. "Trotzdem haben die Menschen im Schlafsack vor dem Karl-Marx Theater kampiert, um eine Karte zu ergattern. Wenn das keine Liebe zur Musik ist! Ich habe wirklich größte Hochachtung vor dem kubanischen Volk."

Autorin: Suzanne Cords

Redaktion: Matthias Klaus